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Die UIAA Water Repellent Norm – Zertifizierung für imprägnierte Kletterseile

Inhaltsverzeichnis

Die UIAA definiert die Norm (Foto: UIAA)
Die UIAA definiert die Norm (Foto: UIAA)

Dass ein nasses, vollgesogenes Kletterseil nicht nur viel wiegt und schwierig in der Handhabung ist, leuchtet jedem irgendwie ein. Genauso gut kann es im alpinen Gelände aber auch einfrieren, was es  vorübergehend unbrauchbar macht. Der entscheidende Punkt ist jedoch, dass sich die tatsächliche Belastbarkeit eines dynamischen Kletterseils im klitschnassen Zustand um ein Vielfaches reduziert. Das bedeutet ganz konkret, die Zahl der Normstürze die ein solches Seil verträgt, sinkt um bis zu 70 Prozent – im Zweifelsfall von acht auf gerade einmal zwei!

Was besagt die Norm?

Nun ist es tatsächlich gar nicht so leicht, unter der Vielzahl verfügbarer Kletterseile zahlreicher namhafter Hersteller das genau für die persönlichen Bedürfnisse richtige Seil auszuwählen. Um diese Entscheidung ein Stück weit zu erleichtern, entwickelte die Safety Commission der UIAA (International Climbing and Mountaineering Federation) im Jahr 2014 einen standardisierten Versuchsaufbau für imprägnierte Kletterseile. Die daraus abgeleitete Norm definiert schließlich, wie viel Wasser ein dynamisches Seil über einen festgelegten Zeitraum von 15 Minuten aufnehmen darf, um fortan die offizielle Zertifizierung „UIAA Water Repellent“ tragen zu dürfen. Beträgt die Wasseraufnahme dabei weniger als 5 Prozent des Seilgewichts, darf der Hersteller mit diesem Gütesiegel werben.

Was bedeutet das für die Praxis?

Zum einen wird für den Kunden so auf Anhieb ersichtlich, was ein Seil kann und was nicht. Das sorgt unter dem Strich für eine bessere Vergleichbarkeit unterschiedlicher Kletterseile für ganz verschiedene Anwendungsbereiche. Zum anderen führt eine solche Norm zu einem kontinuierlichen Entwicklungs- und Verbesserungsprozess seitens der Hersteller. Denn das Tragen normierter Gütesiegel spricht nicht nur für die Qualität der eigenen Produkte, sondern bedeutet gleichzeitig mehr Prestige für die Marke. Alles in allem profieren hier somit sowohl die Hersteller, als auch der einzelne Kletterer in der Wand!

Wer braucht was?

Ganz konkret heißt das also, Kletterer, die aufgrund von Feuchtigkeit und Nässe – etwa in alpinen Mehrseillängen – wirklich ein imprägniertes Seil brauchen, sehen auf einen Blick, welche dynamischen Seile die für sie idealen Eigenschaften der Norm entsprechend besitzen. Der Kreis dieser Anwender wiederum bezieht sich insbesondere auf Eiskletterer, Hochtourengeher und Big Wall Kletterer; Passende Seile wären also zum Beispiel die Folgenden:

 Mammut - Pendi 8.0 Dry - Halbseil
Mammut – Pendi 8.0 Dry – Halbseil

Das bedeutet gleichzeitig aber auch, dass nicht jeder automatisch jetzt und auf der Stelle ein neues Seil benötigt! Sportkletterer sind zumeist bei trockenem Wetter unterwegs, Hallenkletterer haben, nunja, ein Dach über dem Kopf – und im Klettergarten ist man auch eher bei sonnigem Wetter unterwegs. Für diese Disziplinen zahlt sich die Investition beim Neukauf dann also eher in puncto Staub- und Dreckschutz aus. Für alle anderen gilt, dass neben wichtigen Kriterien wie dem Gewicht, der maximalen Anzahl an Normstürzen und der Seildehnung, hier ein weiteres vergleichbares Kriterium hinzukommt, das die Wahl des idealen Kletterseils vereinfacht.

Wie gehen die Hersteller mit der Norm um?

Während vor einigen Jahren noch jeder Kletterseil-Hersteller sein eigenes Süppchen kochte und, je nach firmeninterner Interpretation, Begriffe wie Dry, imprägniert und wasserabweisend verwendet hat, ohne, dass für den Anwender genau ersichtlich war, was im Detail – d.h. in Zahlen ausgedrückt – damit gemeint war, definiert die UIAA für Sicherheitsnormen im Bergsport nun eben einen solchen allgemeingültigen Standard.

Laut eigenen Angaben haben Beal und Mammut als erste Produzenten weltweit ihre Produktions- und Testverfahren an die Norm angepasst. Wenngleich diese die Vorgaben mit ihren imprägnierten Kletterseilen theoretisch schon teilweise vorher erfüllt hätten, kann dies nun auch mit Zahlen belegt werden. Ebenfalls nachgezogen haben im Jahr 2016 Edelrid, und Petzl bringt ebenfalls UIAA Dry Seile auf den Markt. Allen Herstellern gemein ist dabei, dass im Veredelungsprozess sowohl die Kerngarne, als auch die Mantelfasern separat voneinander imprägniert und anschließend verwoben werden. Dadurch werden die Seile dauerhaft schmutz- und wasserabweisend, was sich in jeder Hinsicht positiv auf deren Lebensdauer auswirkt.

Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass jetzt nicht gleich all unsere alten Seile schlecht wären oder ein Sicherheitsrisiko darstellen. Ebenso wenig sind die Seile anderer Hersteller deswegen als besser oder schlechter zu beurteilen. Ganz im Gegenteil: So verfügen die Seile von Sterling Rope beispielsweise seit jeher über eine separate Kernimprägnierung der einzelnen Garne und sind so auch ohne die entsprechende Zertifizierung überaus haltbar! Sobald etablierte Prozesse im Herstellungsverfahren jedoch angepasst sind, wird man sich in naher Zukunft auch hier nach der Norm richten. Der nach wie vor entscheidende Punkt ist aber, vor dem Kauf zu überlegen, für welchen Anwendungszweck ich das Seil wirklich brauche, um dann zu entscheiden, wie viel Geld ich für welches Feature ausgebe! So ist ein vollständig imprägniertes Seil zum reinen Sportklettern weniger nötig als etwa im alpinen Bereich.

Dry ist nicht gleich Dry

Um an dieser Stelle nochmal das Thema der Namensgebung aufzugreifen, – und damit auf eine Vielzahl von Kundenanfragen einzugehen – folgt eine kurze Übersicht zu den gängigen Begriffen bekannter Marken.

 Edelrid - Anniversary Pro Dry DuoTec 9.7 mm with Caddy
Edelrid – Anniversary Pro Dry DuoTec 9.7 mm with Caddy
  • Beal:
    • Golden Dry. Jeder Faden des Kerns und des Mantels werden vor dem eigentlichen Webprozess imprägniert. So erreichen Seile dieser Serie problemlos die Anforderungen der UIAA-Norm.
    • Dry Cover. Jeder Faden des Mantels wird vor dem Weben imprägniert und mit einem chemischen Mittel überzogen, um die Resistenz gegenüber Reibung zu verbessern.
  • Edelrid:
    • Pro Dry. Bei diesem Veredelungsprozess werden in einem ersten Schritt die Kerngarne imprägniert. Nach dem Flechten wird das fertige Seil (Kern und Mantel) nochmals imprägniert. Anschließend wird die Imprägnierung thermisch fixiert. Die Seile trocknen besonders schnell, haben kaum Gewichtszunahme bei Nässe und können bei kalten Umgebungstemperaturen nicht so leicht gefrieren. Durch die geringe Wasseraufnahme von 1-2 % gemäß UIAA-Water-Repellent-Test, büßen Pro Dry Seile bei nassen Bedingungen kaum an Performance ein und bieten so hohe Sicherheitsreserven. Zusätzlich verbessert Pro Dry die Gleiteigenschaften der einzelnen Fasern untereinander und  erhöht  dadurch  die  Abriebfestigkeit  und  damit  die  Lebensdauer  der  Seile.
    • Dry ist hingegen die alte Bezeichnung für imprägnierte Seile von Edelrid, welche noch keine UIAA-Normierung besitzen.
  • Mammut:
    • Dry. Kletterseile aus der Dry Linie verfügen über die High-End Veredelung von Mammut und erreichen im UIAA-Test einen Wasseraufnahme-Wert von 1%, was selbst im komplett nassen Zustand dem Erreichen von 80% der angegebenen Normstürze entspricht. Ebenso erhöht sich die Abriebfestigkeit um 50%. Die Schmutzaufnahme wird zuverlässig verhindert, und damit die Lebensdauer der Seile enorm erhöht.
    • Superdry hingegen ist eine veraltete Bezeichnung für mantelimprägnierte Seile, deren Imprägnierung von außen aufgetragen wird, und durch Wärme bis in den Kern vordringt. Da diese Imprägnierung jedoch im Laufe der Nutzungsdauer durch das Verfahren bedingt etwas nachlässt, wird hier mittlerweile nur noch von Mantelimprägnierung gesprochen. Superdry heißt heute Protect und bewirkt eine 40% höhere Abriebfestigkeit im Vergleich zu nicht behandelten Seilen. Hinsichtlich der Wasseraufnahme bewirkt diese Veredelung im UIAA-Test einen Wert von 36%.

Wohin geht die Reise?

Letztlich geht der Trend dahin, dass immer mehr Hersteller vergleichbare Klassifizierungen für ihre Kletterseile schaffen. Entweder mit neu produzierten Seilen, die sich nun konkret nach den Anforderungen der Norm richten oder mit bereits bestehenden Modellen, welche nachträglich geprüft und ausgezeichnet werden. Das heißt für uns Kletterer also Zweierlei: eine verbesserte Auswahl bei gleichzeitig erhöhten Sicherheitsreserven!

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Bergfreund Jan

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