Wie genau definiert man eine Nachtwanderung?
Als Nachtwanderung „zählt“ jede Wanderung, die hauptsächlich oder vollständig in der Dunkelheit stattfindet. Sie beginnt also kurz vor oder nach Sonnenuntergang und endet vor oder kurz nach Sonnenaufgang. Die meisten durchgeführten Nachtwanderungen sind eher „Spätabendswanderungen“, die nur wenige Stunden dauern und gegen Mitternacht enden. Lange Wanderungen die ganze Nacht hindurch sind eher etwas für „Spezialisten“, die an Megamärschen und anderen organisierten „Challenges“ teilnehmen. Meine vorerst letzte Nachtwanderung fand auch im organisierten Rahmen statt, während einer Biwakausbildung für angehende Bergwanderführer.
Alles in allem spielen Länge, Zeitpunkte und auch Orte keine wesentliche Rolle. Es muss also keineswegs eine mehrstündige Tour in den Bergen sein, man kann auch einen längeren nächtlichen Spaziergang im Stadtwald als Nachtwanderung definieren.

Was eine Nachtwanderung so einzigartig macht
Jede Nachtwanderung bietet einen anderen Blick auf vertraute Wege und Landschaften. Das, was tagsüber gewohnt und trivial erscheint, kann nachts fremd und geheimnisvoll wirken. Dadurch findet ein sprichwörtlicher Perspektivwechsel und Sinnes-Wandel statt, der eine besondere Stimmung und Atmosphäre verspricht. Wenn dann vielleicht noch ein paar Nebelschwaden im Mondschein umherziehen, kann das nächtliche Wandern sich auch zu einem mystisch angehauchten Erlebnis mit tiefer Naturverbundenheit entwickeln. Doch auch ohne solche Highlights gibt es eine ganze Reihe weiterer Aspekte, die Nachtwanderungen so besonders machen:
- Klare Nächte bieten die Möglichkeit, die Sterne, den Mond und andere Himmelsphänomene in ihrer vollen Pracht zu bewundern. In abgelegenen Gebieten, fern von städtischem Licht, lässt sich manchmal sogar die Milchstraße sehen.
- Nachts sind viele Tiere aktiv, die tagsüber nicht zu sehen sind. Das kann von kleinen Insekten bis hin zu größeren Säugetieren reichen. Ein ganz besonderes Erlebnis ist dabei die Biolumineszenz, das natürliche Leuchten diverser Tier- und Pflanzenarten. In unseren Breiten ist vor allem das Leuchten der Glühwürmchen im Frühsommer bekannt.
- Eine Nachtwanderung kann abenteuerlich und herausfordernd sein, besonders wenn man unbekannte Wege geht. Sie erfordert dann eine ordentliche Planung und Vorbereitung sowie die Mitnahme von geeigneter Ausrüstung wie Stirnlampen und Wanderkarten. Andererseits kann eine leichte Nachtwanderung auch eine Zeit der Ruhe und Entspannung bieten, fernab der Hektik des Tages; gerade auch für Kinder kann das eine neue, eindrucksvolle Erfahrung sein.
- Die besonderen Sinneseindrücke in der ungewohnt scheinenden Umgebung können die Kreativität anregen und neue Perspektiven eröffnen. Viele Wissenschaftler, Schriftsteller und Künstler haben sich von nächtlichen Erlebnissen inspirieren lassen. Oder auch Könige wie Ludwig II. von Bayern, der bevorzugt nachts um seine Märchenschlösser herumspazierte.
- Das Erleben der Dunkelheit kann das Gefühl von Zusammengehörigkeit und Abenteuer verstärken und eine Nachtwanderung zum starken Gruppenerlebnis machen. Als Solo-Wanderer sollte man nachts nur unterwegs sein, wenn man entsprechende Erfahrung und eine stabile mentale Verfassung mit realistischer Selbsteinschätzung mitbringt.
Gibt es Risiken? Worauf man achten sollte
Bei all den Punkten, die eine Nachtwanderung besonders machen, besteht kein Zweifel, dass das nächtliche Umherstreifen auch eine spannende Angelegenheit ist. Die Spannung resultiert allerdings auch aus dem einen oder anderen Risiko, dass sich von den Risiken des herkömmlichen Wanderns unterscheidet:
- Orientierung in der Dunkelheit. Es ist schwieriger, dem Weg zu folgen und Gefahrenstellen zu erkennen. Daher ist eine zuverlässige Lichtquelle wie eine Taschen- oder Stirnlampe mit voller Batterie unverzichtbar. Smartphone-Wanderapps, GPS-Geräte oder Karten sollten ebenfalls dabei sein, selbst wenn man in einem tagsüber bekannten Gebiet unterwegs ist.
- Plötzliche Wetteränderungen sind schlecht oder gar nicht zu erkennen und können dadurch zur gefährlichen Überraschung werden. Daher sollte man auch über das Wetter vorab ausreichend informiert sein. Die Temperaturen können nachts deutlich schneller und tiefer sinken, als man das zu Beginn der Tour erwarten würde. Deshalb gehört warme und wasserabweisende Kleidung sowie eventuell eine (Rettungs)Decke oder ein Biwaksack in den Rucksack.
- Gefahr durch Steinschlag besteht unter Felsflanken und -Wänden ungeachtet der tieferen Temperaturen auch nachts. Deshalb gelten hier die gleichen Vorsichtsmaßnahmen wie tagsüber (zügig passieren, ggf. Helm, …)
- Auch im Schein einer Lampe kann die Dunkelheit die Wahrnehmung beeinträchtigen, sodass eine harmlose Senke sich urplötzlich als steiler Abgrund erweisen kann. Um solche Hindernisse und Gefahren rechtzeitig zu erkennen, muss die Fortbewegung immer vorsichtig erfolgen. Das gilt vor allem in der Nähe von Gewässern, Mooren und Sümpfen, die nachts deutlich gefährlicher sind als tagsüber und möglichst gemieden werden sollten.
- Fitnesszustand, Höhenangst und andere Faktoren einer Teilnehmergruppe müssen in der Planung genauso berücksichtigt werden wie bei einer Wanderung tagsüber. Unterwegs müssen ausreichend Pausen eingelegt werden, damit alle Teilnehmer mithalten können.
- Gefahren durch Tiere spielen in unseren Breiten normalerweise kaum eine Rolle, sollten aber nicht völlig vergessen werden. Auch „bei uns“ sind nachts viele Tiere aktiv, die allermeisten davon harmlos. Allerdings werden in manchen Regionen auch Wölfe wieder heimisch. Giftige Insekten und Schlangen kreuzen zwar nur selten den Weg, können aber durchaus präsent sein. Hochgeschlossene Schuhe und lange Hosen helfen, Bisse zu vermeiden.

Diese Liste ist jetzt etwas lang geraten, doch das soll nicht heißen, Nachtwandern sei gefährlich und man lasse besser die Finger davon. Nein, die meisten dieser Bedenken braucht man lediglich im Hinterkopf zu behalten und sie sind mit etwas Planung und gesundem Menschenverstand leicht „auszuräumen“. Wenn man dann noch die Tipps beherzigt, die jetzt folgen, steht einer erfolgreichen Nachtwanderung nichts mehr im Wege!
Was braucht man für eine Nachtwanderung?
Zuerst die gute Nachricht: Man benötigt kaum Dinge, die man nicht schon beim Wandern tagsüber dabeihat. Der Unterschied ist nur, dass hier und da etwas mehr „Reserve aufzustocken“ ist. Das fängt an bei den schon erwähnten Batterien und Akkus, die voll sein müssen, geht weiter über die Bekleidung, die wärmer ausfallen muss und endet mit einigen, je nach Tour und Teilnehmern, notwendigen Sicherheitsupgrades wie Erste-Hilfe-Set, Rettungsdecken und Biwaksäcken.
Bei längeren und anspruchsvollen Touren in abgelegenen Gebieten gehören eine „analoge“ Wanderkarte und ein Kompass als Backup ins Gepäck – falls Wanderapp, Smartphone oder GPS doch einmal streiken. Natürlich muss man dann mit diesen „traditionellen Tools“ auch umgehen können. Proviant und Wasser sollte man ebenfalls großzügiger einpacken, da es bei nächtlichen Touren oft zu Verzögerungen kommt und länger dauert als geplant.
Besonders nützlich und angenehm ist eine trockene Sitzunterlage oder Decke für die Pausen. Denn der Boden ist nicht nur kälter, sondern auch feuchter. Besonders feucht wird es in den frühen Morgenstunden bis zum Sonnenaufgang. Kreuzt man Straßen und befahrbare Wege, besteht das Risiko, dass Autofahrer nicht mit anderen Verkehrsteilnehmern rechnen und Nachtwanderer verzögert wahrnehmen. Für solche Fälle sollten reflektierende Kleidungsstücke oder Warnwesten dabei sein.
Die Taschenlampe oder besser Stirnlampe ist unverzichtbar, weil die im Smartphone integrierte Lampe nicht ausreicht, um schmale Wege über mehrere Stunden auszuleuchten. Doch wie hell muss die Lampe wirklich sein?
Wie viel Lumen braucht man für eine Nachtwanderung?
Für Nachtwanderungen ist eine Lampe mit einer Leuchtkraft von mindestens 300 Lumen empfehlenswert. Damit kann man je nach Streuung oder Fokussierung des Lichtkegels eine Reichweite von etwa 100 bis 300 Metern erreichen. Für die meisten Nachtwanderungen reicht das aus, um den Weg und eventuelle Hindernisse deutlich zu sehen. Eine höhere Leuchtkraft von bis zu 1000 Lumen kann nützlich sein, wenn man sich in unwegsamem Gelände weiträumig orientieren muss. Allerdings sind bei dieser Leuchtkraft auch die Batterien und Akkus schwerer oder schneller leer.
Welche Taschenlampe braucht man für eine Nachtwanderung?
Das wichtigste Kriterium der Lampe ist nicht die maximale Leuchtkraft oder die möglichst große Zahl an Funktionen, sondern die maximale Laufzeit der Akkus oder Batterien. Ein Beispiel für eine sehr geeignete Nachtwanderungs-Lampe ist die Petzl Actik Core: Diese Stirnlampe bietet bis zu 600 Lumen und zwei Stunden Laufzeit bei „Vollgas“. Bei geringeren Leuchtstärken hält sie deutlich länger und lässt sich außerdem sowohl mit ihrem CORE-Akku als auch mit AAA-Batterien betreiben. Durch diesen hybriden Antrieb hält sie selbst bei hoher Beanspruchung sehr lange durch. Ideal für ausgedehnte Nachtwanderungen!
Weitere Tipps zum Finden der richtigen Stirnlampe hat Bergfreundin Wiebke hier im Blog auf Lager.
Ist eine Nachtwanderung im Wald erlaubt?
Normalerweise gelten nachts keine anderen Bestimmungen als tagsüber. Dennoch stößt man im Wald und im Gebirge gelegentlich auf Hinweisschilder, die anmahnen, Wanderungen vor Einbruch der Dämmerung zu beenden. Der Grund ist meist die Schonung des Wildes, dass nachts besonders stark durch Störungen wie lärmende Gruppen oder tanzende Lichtkegel beeinträchtigt wird. Von daher sollte man sich im Vorfeld immer so weit wie möglich über lokale Bestimmungen, die von Gemeinde zu Gemeinde variieren können, informieren. Dafür reicht manchmal schon ein Blick auf die Landkarte oder Wanderapp, wo Wildschongebiete, Privatgrundstücke, Naturparks usw. eingezeichnet sind.
Innerhalb Deutschlands sollte man ganz allgemein darauf achten, sich in öffentlichen Wäldern zu bewegen und keine privaten oder geschützten Gebiete zu betreten. Ähnliches gilt in Österreich und in der Schweiz, wo Nachtwanderungen in der Regel problemlos möglich sind, sofern man sich auf markierten Wegen und auf öffentlichem Land aufhält.
Wie bereitet man sich auf eine Nachtwanderung vor?
Mit den entsprechenden Vorabrecherchen, wie z.B. im Internet, ist man auch schon mitten in der Vorbereitung und Planung. Dieser Aspekt funktioniert wie die Zusammenstellung der Ausrüstung großteils analog zu normalen Wandertouren. Abweichungen gibt es in den Punkten Länge und Schwierigkeit der Tour, die man deutlich zurückhaltender auswählt. Besonders bei den ersten eigenen Erfahrungen mit Nachtwanderungen bleibt man in der Planung zurückhaltend und beschränkt sich auf einfache, gut ausgebaute und markierte Wege. Noch besser fürs erste Mal ist, einfach eine tagsüber schon gut bekannte Route auszuwählen.
Bleibt noch die Wettervorhersage, die man auf die gleiche Weise wie für Tagestouren einholt, um auf Wind, Regen, Feuchtigkeit und Kälte vorbereitet zu sein. Nachtwanderungen bei Schnee und im Winter sollte man erst dann angehen, wenn man schon einige Erfahrungen unter angenehmen sommerlichen Bedingungen gesammelt hat.
Wo kann man in Deutschland gut nachts wandern?
Von den Nordseeinseln über die Lüneburger Heide und die Mittelgebirge bis zum Voralpenland und am Bodensee: In den Natur- und Kulturlandschaften Deutschlands finden sich so gut wie überall Orte, die sich bestens für Nachtwanderungen eignen. Sogar in stark verstädterten Regionen wie dem Ruhrgebiet eröffnen sich Möglichkeiten zu nächtlichen Exkursionen, wie beispielsweise bei einer geführten Tour durch die bunt beleuchteten Industriekulissen und -Denkmäler.
Auch in den Tourismusregionen der Mittelgebirge finden sich neben unzähligen Wanderwegen ebenfalls viele Angebote zu geführten Touren. Manche Regionen wie z.B. die Eifel sind mit ihrer relativ geringen Lichtverschmutzung auch gut für die Sternenbeobachtung geeignet. Letztendlich ist es egal, wo im Land man sich befindet: eine Möglichkeit zur Nachtwanderung, egal ob geführt oder auf eigene Faust, findet sich immer ganz in der Nähe!

