Vor- und Nachteile von 1 oder 2 Achsen bei Klemmgeräten

Inhaltsverzeichnis

Die Wild Country - Helium Friends - Klemmgeräte
Die Wild Country – Helium Friends – Klemmgeräte

Seit den ersten Klemmgeräten aus den 70er Jahren hat sich deren grundlegende Funktionsweise kaum verändert. Die bisherigen Veränderungen sind größtenteils Anpassungen an Material und Gewicht. Es gibt aber mittlerweile auch Cams, die nicht nur eine, sondern zwei Achsen haben. In diesem Artikel werden die ein- und zweiachsigen Cams miteinander verglichen.
Außerdem wird hinterfragt, ob die konstruktiven Vor- und Nachteile sich auch im praktischen Einsatz bemerkbar machen.

Ein Artikel mit einigen technischen Details für alle Bergfreunde, die es einfach genauer wissen wollen!

Der Aufbau der Cams

Um Missverständnissen vorzubeugen, werden hier die wichtigsten Bauteile von Cams
anhand eines Friends benannt. Die Bezeichnungen stimmen bei ein- und zweiachsigen Cams überein.

Die Bauteile von Cams
Die Bauteile von Cams

Kurz zur Geschichte

Anfang der 70er erfindet Ray Jardine (USA) die einachsigen Cams. Mark Vallance (GB) unterstützt ihn bei der Ausarbeitung der marktfähigen Friends und gründet dazu 1977 das Label Wild Country.

1987 gelingt Tony Christianson (USA) der Entwurf der ersten zweiachsigen Cams.
Deren Markteinführung wird durch Chouinard Equipment (später Black Diamond) realisiert.

Gemeinsamkeiten

Ein- und zweiachsige Cams haben mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Das Bedienungskonzept ist identisch, ebenso wie das mechanische Klemmprinzip und die Geometrie der Klemmbacken.
So mancher unaufmerksame Kletterer wird übersehen, dass überhaupt ein Unterschied besteht.

DMM-Demon Cam vs. DMM-Dragon Cam
DMM-Demon Cam vs. DMM-Dragon Cam

Der Grund für die zweite Achse

Mit dem zweiachsigen Design gelang es Christianson nicht nur, das Patent von Wild Country zu umgehen, sondern vor allem die Anpassungsfähigkeit des Friends zu übertreffen. Zweiachsige Cams haben einen größeren Einstellbereich als ihre einachsigen Gegenstücke mit identischer Maximalbreite. Am Beispiel moderner Friends und Camalots verdeutlicht:
Ein Helium Friend kann seine Breite um durchschnittlich 38% verringern, beim Camalot C4 sind es 42% der Maximalbreite. Es bleibt zu klären, ob die Differenz von 4% sich in der Praxis bemerkbar macht.

Vorteile und Nachteile der zweiachsigen Konstruktion

Die Camstops an den Klemmbacken
Die Camstops an den Klemmbacken

Neben der oben genannten besseren Verstellbarkeit bringt das zweiachsige Design noch weitere Vorteile, aber auch Nachteile mit sich.

Sicherung gegen Verdrehen

Wenn einachsige Cams aus der ursprünglichen Platzierung in einen zu breiten Bereich des Risses wandern und anschließend belastet werden, können sich die Klemmbacken in eine ungünstige Position drehen und durch die ursprüngliche Platzierung rutschen. Es werden zwar Camstops eingesetzt, um das unabhängige Überdrehen der einzelnen Klemmbacken zu verhindern, die Klemmbacken können sich aber dennoch paarweise verdrehen.

Ein verdrehter einachsiger Cam
Ein verdrehter einachsiger Cam

Auch der Federmechanismus wirkt dem nicht entgegen, weil die Federung analog zu den Camstops paarweise angeordnet ist, nur die dünnen Drähte am Trigger leisten durch ihre Steifigkeit ein bisschen Widerstand.

 

Bei der zweiachsigen Konstruktion sind alle Klemmbacken durch die jeweilige Zweitachse einzeln gegen das Überdrehen nach oben/außen gesichert: Jeder Backen rotiert um eine der zwei Achsen, die jeweilige Zweitachse passiert den Backen durch eine dafür vorgesehene Aussparung. Bei Rotation nach oben/außen bildet die Zweitachse einen Anschlag für die Aussparung des Klemmbackens und stoppt die Bewegung.

Durch die zweite Achse gegen das Verdrehen gesichert
Durch die zweite Achse gegen das Verdrehen gesichert

Aus einer Platzierung herausgewanderte, zweiachsige Cams sind damit etwas sicherer als einachsige, man sollte sich jedoch nicht darauf verlassen, denn die Gefahr des Herausfallens der Cams aus dem Riss ist hier sehr hoch! Stattdessen sollten Cams, bei denen ein Herauswandern denkbar ist, stark verlängert werden, um den Einfluss der Seilbewegung zu reduzieren.

Gewicht

Ursprünglich waren die zweiachsigen Cams durch die zusätzliche Achse und den massiveren Kopf deutlich schwerer. Mittlerweile haben die Hersteller den Gewichtsunterschied verringert, sodass er nur noch bei den größeren Cams eine Rolle spielt. Verglichen mit den Demon Cams und Helium Friends sind Camalots ab 41 mm Maximalweite (#0,75) aufwärts und die Dragon Cams tatsächlich erst ab 85 mm (# 5) schwerer. Bei den kleinsten Größen hat sich das Gewichtsverhältnis sogar umgekehrt: Ab 26 mm Maximalweite (Dragon #0; Camalot #0,4) abwärts sind die zweiachsigen Geräte leichter als ihre einachsigen Pendants. Wie im nächsten Abschnitt zu sehen ist, wird diese „Anomalie“ mitunter wohl durch niedrigere Bruchlasten möglich.

Bruchlasten

Konstruktiv betrachtet ergibt das gleiche Materialvolumen (= das gleiche Gewicht) verteilt auf zwei Achsen eine niedrigere Biegesteifigkeit, weil die Achsen nur unzureichend miteinander verbunden, also quasi parallelgeschaltet sind. Daraus ergibt sich entweder eine niedrigere Bruchlast der Cams oder ein höheres Gewicht bei gleicher Bruchlast. (s.o.) Dieser Zusammenhang kann natürlich zu einem gewissen Grad durch festeren Achsenwerkstoff umgangen werden.

Ein großer Achsdurchmesser wirkt sich bei zweiachsigen Cams negativ auf den Einstellbereich aus, was einen zusätzlichen Grund darstellt, dünne Achsen zu verwenden. Während dieser Effekt bei größeren Exemplaren nicht auffällt, weil die Achsen relativ zur Größe der Klemmbacken dünn sind, kommt er bei den kleineren Größen zum Tragen. Bei einachsigen Cams muss der Achsradius nur etwas kleiner sein als die Untergrenze des Einstellbereichs, was konstante Bruchlasten nahezu unabhängig der Camgröße ermöglicht. Die Bruchlasten beispielhafter ein- und zweiachsiger Cams sind in folgendem Diagramm zusammengefasst. Die Anzahl der Achsen ist hinter der Modellbezeichnung in Klammern vermerkt:

Die Bruchlasten im Vergleich
Die Bruchlasten im Vergleich

Die Bruchlasten der einachsigen Demon Cams und Helium Friends bleiben ganz bzw. nahezu konstant. Bei den Camalots und Dragon Cams fallen die Bruchlasten in den 2-3 kleinsten Größen rapide ab, bleiben jedoch auf einem guten Niveau, wobei die Dragon Cams hier die klaren Sieger sind. Die Bruchlastwerte der Cams von Rock Empire sind zwar deutlich geringer als bei der Konkurrenz, aber trotzdem noch im grünen Bereich. Trotz der niedrigen Bruchlasten sind die Axels jedoch durchgängig schwerer als die Konkurrenz. Hinzu kommen noch die verhältnismäßig breiten Köpfe (lange Achsen) der Axels, die für enge Platzierungen ungeeignet sind.

Relevanz für den praktischen Einsatz

Aus technischer Sicht sind die wichtigsten Kriterien der Verstellbereich, das Gewicht und die Bruchlast der Cams, wobei letztere bei den gewählten Beispielen eigentlich immer ausreichend ist. Außerdem wird die Haltekraft eines Fixpunktes in der Regel eher durch die Platzierung als durch die Bruchlast des Cam bestimmt. Aus strategischer Sicht sind die Überlappung der benachbarten Cams im Set, ihre Anzahl und das Gesamtgewicht von Bedeutung. Außerdem ist das Handling sehr wichtig, welches allerdings nur subjektiv zu bewerten ist und nicht mit der Anzahl der Achsen zusammenhängt.

Wenn man bei einem „reinen“ Set bleiben will, was handlingtechnisch von Vorteil ist, kann man z.B. folgendermaßen vergleichen: In der nächsten Grafik sind sechs (unvollständige) Camsets anhand des abgedeckten Bereichs und des Gewichts dargestellt, welches sich hier um bis zu 200 g unterscheidet.

Die Cam-Sets im Vergleich
Die Cam-Sets im Vergleich

Wer wie ich vor „gemischten“ Sets nicht zurückschreckt, kann auch folgendes in Betracht ziehen:

Meine Empfehlung für die kleineren und mittleren Größen: zwei Achsen

Bei den Kleinen Größen ist mir der Verstellbereich besonders wichtig, weil man sich hier beim Griff nach der Cam am ehesten verschätzt. Das Gewicht spielt hingegen eine untergeordnete Rolle, weil die absoluten Unterschiede nur wenige Gramm betragen.

Meine Empfehlung für die größeren Cams: eine Achse

Hier ist der Verstellbereich fürs Handling irrelevant, weil er meist mehrere Zentimeter beträgt – wer sich hier verschätzt ist selbst schuld. Das Gewicht spielt jedoch eine große Rolle, weil jede Cam über 100 g wiegt und sich prozentuale Unterschiede entsprechend spürbar im absoluten Gewicht des Racks niederschlagen. Die Gewichtsersparnis durch weniger Cams mit größerem Verstellbereich funktioniert, wie in der Grafik zu sehen, nur bedingt, weil bei langen Routen entsprechend viele Zwischensicherungen gelegt werden müssen. Ich würde hier also lieber mehr leichtere Einachser wählen.

Das neuste zum Schluss: die Stacked Axle-Technologie

Seit ein paar Jahren gibt es auch noch eine Kombination der ein- und zweiachsigen Designs: die Camalots X4 mit ihrer Stacked Axle-Technologie. Hier gibt es zwar nur eine Achse, also ein Bauteil, auf dem die Klemmbacken montiert sind, die räumliche Anordnung der Backen entspricht jedoch einem zweiachsigen Design. Das Geheimnis ist, dass die Achse sich nach außen hin stufenförmig verjüngt. Die Stufen (oder Absätze) sind wie bei einer Kurbelwelle axial versetzt angeordnet. Diese Bauweise ist besonders bei den kleineren Größen sinnvoll, weil sie zu einer höheren Biegesteifigkeit der Achse führt, und dazu noch platzsparend ist. Die Größen 0.2 und 0.3 sind eine gute Erweiterung der kleinsten zweiachsigen Cams nach unten!

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Bergfreund Egor

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