Es gibt große und kleine, rustikale und sehr komfortable Berghütten, bewirtschaftete und bewartete Hütten, Hütten für Selbstversorger, Biwakschachteln, Almhütten, Alpen und „Hütten“, die komfortable Berghotels mit Sterneniveau sind. All diese Hütten haben eines gemeinsam: Sie bieten ein Dach über dem Kopf, das vor schlechtem Wetter und Kälte schützt.
Ein Dach über dem Kopf
Das ist eine banale Geschichte, wie sie sich in jeder Bergwander- und Hochtourensaison häufig ereignet. Sie beschreibt aber die wichtigste Funktion aller Berghütten, ob sie sich nun im Bergwanderrevier, an einem hohen Passübergang, im steilen Fels oder auf einem Felsrücken mitten im weiten Gletscherbecken befindet.
Hütten sind in erster Linie Schutzunterkünfte in den Bergen. Es spielt keine Rolle, um was für eine Art von Hütte es sich dabei handelt. Es kann eine rudimentäre kleine Biwakschachtel für vier bis sechs Personen sein oder eine große, bewirtschaftete Hütte mit allem Komfort.
Beliebte Hütten werden modernisiert
Neben ihrer Schutzfunktion erleichtern Hütten das Erreichen hoher Ziele, die man vom Tal aus an einem Tag nicht bezwingen könnte. Die Goûter-Hütte am Mont Blanc gehört beispielsweise dazu, die Monte Rosa Hütte und Capanna Margherita oder die Hörnlihütte im Wallis. Diese Hütten zählen auf Grund der weltweit bekannten Gipfelzielen zu den am stärksten frequentierten Hütten der Alpen. Sie wurden im Laufe der Zeit stets vergrößert.
Der stetig wachsende Besucherandrang führte dazu, dass die Hütten zudem mit einer besonders effizienten Energie- und Wasserversorgung sowie Abwasserentsorgungsanlagen, die auch bei vielen Minusgraden zuverlässig arbeiten, ausgestattet werden mussten. Durch den enormen Andrang auf diesen Hütten müssen solchen Massenziele größeren Anforderungen gerecht werden und benötigen eine moderne technische Ausstattung.
Wer die Plumpsklos auf den Westalpenhütten noch aus den 1980er-Jahren kennt, der weiß, dass der Besuch des stillen Örtchens dort vermieden werden musste, so lange es nur ging. Danach war einem immer speiübel, auch wenn man nicht zu den Zartbesaiteten gehörte.
Berghütten als Ziele
Hütten sind aber auch selbst attraktive Ziele, zumal man dort oft einen wunderbaren Panoramablick genießen kann. Hütten bieten hoch oben in den Bergen all das, was es dort eigentlich sonst kaum gibt: Schutz vor Wind und Wetter, Verpflegung oder die Möglichkeit zum Kochen, ferner Wärme, Hilfe in Notlagen und für den Alleingänger bei Bedarf sogar Gesellschaft am Abend.
Die Reduktion des Komforts aufs rustikale Wesentliche – beispielsweise bei den im Winter zugänglichen Winterräumen der Alpenvereinshütten, in einer einsam gelegenen Selbstversorger-Hütte oder einer Biwakschachtel in luftiger Höhe – wird dabei heute wie früher von vielen Bergsteigern sehr geschätzt im Sinne von Hüttenromantik und als attraktive Gegenwelt zum komfortablen Lebensstil daheim.
Es macht richtig Spaß, im Winter nach einer Skitour erst einmal Holz zu hacken, den eiskalten Ofen einzuheizen, draußen Schnee zu holen und ihn auf dem Herd zu schmelzen für die Zubereitung von Tee und einer warmen Mahlzeit.
Biwakschachteln für Minimalisten
Genauso großartig wie der Aufenthalt im kleinen Winterraum einer Hütte ist die Übernachtung in einer Biwakschachtel hoch oben am Berg. Im Unterschied zum Winterraum, der mit Brennholz oder Gas, Herd, Kochutensilien, Putzmittel und teils sogar mit Not-Proviant, Gewürzen und Wein auf Vertrauensbasis ausgestattet ist, muss man bei einer Übernachtung in diesen, oft halbrunden Aludosen ähnelnden Unterkünften alles dabei haben, was man braucht: Kocher, Topf und Kartusche samt Teller, Feuerzeug, Besteck, komplette Verpflegung sowie Schlafsack, wenn man nicht in feuchtklammen Decken nächtigen will.
All dies zusätzlich zum normalen Tourengepäck, was eine gute Kondition voraussetzt. Biwakschachteln stehen meist auf sehr langen Etappen, beispielsweise die Hanwag-Biwakschachtel auf dem Jubiläumsgrat, das Roland-Ritter-Biwak am Augsburger Höhenweg in den Lechtaler Alpen oder das Fourche-Biwak (3679 m) mit zehn Plätzen am Col du Trident als Ausgangspunkt für den Küffner-Grat, einen großen Klassiker im Montblanc-Massiv.
Eine weitere rustikale Übernachtungsmöglichkeit, oft sogar im Heu samt einfacher Verpflegung mit den alpeeigenen Käse- und Milchprodukten – das bieten im Sommer viele der bewirtschafteten Sennalpen. Auch sie werden oft als Hütten bezeichnet oder sind – wie die Engstligenalp in den Berner Alpen – längst ein komfortables Berggasthaus.
Die Bezeichnung „Hütte“ für eine Unterkunft in den Bergen kann also vieles bedeuten – vom komfortablen Berghotel bis zur kleinen Sennalpe oder Notunterkunft wie die Vallot-Hütte am Montblanc.
Die Anfänge
Schon für die Kaufleute, Bildungsreisenden oder Pilger, die einst die hohen Alpenpässe überqueren mussten, wurden in diesen durch schlechtes Wetter, Lawinen, Steinschlag und Kälte oft lebensgefährlichen Höhen Hospize mit Unterkünften und Verpflegung für die Reisenden geschaffen oder einfache Herbergen.
Später errichteten Naturforscher Unterkünfte mitten in den Bergen, um dort ihre empirische Feldforschung durchführen zu können. Der Schweizer Glaziologe Franz Josef Hugi (1791-1855) und danach Louis Agassiz (1807-1873) nutzten Mitte des 19. Jahrhunderts beispielsweise rudimentäre Steinbehausungen auf dem Unteraargletscher im Berner Oberland.
Am Montblanc errichteten der Glaziologe Joseph Vallot und Jules Jannsen, der Begründer der Astrophysik, um 1880 fast zeitgleich ihr Observatorium. Janssen direkt auf der dicken Eiskalotte des Gipfels, wo es nach wenigen Jahren im Eis versank. Vallot im Jahr zuvor auf den Rochers Foudroyés kurz unterm Gipfel. Das Observatorium war mit einem chinesischen Salon und edlen Möbeln komfortabel eingerichtet und wurde lange intensiv genutzt.
Der Berghütten-Boom
Nach Gründung der Alpenvereine wurden von den zahlreichen Sektionen im gesamten Alpenraum in kurzer Zeit sehr viele Hütten gebaut oder gekauft und umgebaut. Hinzu kommen die ebenfalls öffentlichen Berghütten der Naturfreunde, Hütten anderer alpiner Clubs und Vereine, private Berghütten, ferner leicht erreichbare „Berghütten“ im Seilbahnrevier, die den Bergbahngesellschaften gehören.
War die „Sommerfrische in den Bergen“ einst nur das Privileg der Reichen und Adligen, so ermöglichten die Berghütten erstmals auch den weniger gut betuchten Menschen einen Urlaub in den Bergen. Vor allem , wenn die Ausgangspunkte im Tal durch öffentliche Verkehrsmittel wie Bahn und Busse leicht erreichbar waren.
Für die Hüttenstandorte wichtige Faktoren waren beispielsweise Panoramalagen mit attraktiven Bergzielen in der Umgebung. Eine vor Stein- und Eisschlag sowie Lawinen weitgehend geschützte Lage. Möglichkeiten für die ausreichende Versorgung mit regenerativen Energien und Wasser. Ferner Länge und Schwierigkeiten der Zustiege. Und die Transport- und Zulieferungsmöglichkeiten aus dem Tal.
Berghütten heute: Komfort wie im Tal?
Inzwischen ist die Nutzung von Berghütten für alle, auch für die Nicht-Mitglieder der alpinen Vereine, selbstverständlich geworden. Mangels Sozialisierung am Berg und fehlendem Wissen über die Schwierigkeiten des Hüttenbetriebs in den Höhenlagen sind die Erwartungen der Besucher an die Berghütten drastisch gestiegen: Die Gäste wollen dieselben Leistungen zum selben Preis wie in den Gasthäusern im Tal. Wie die Produkte zur Hütte kommen, das fragen sie nicht.
Geschäumter Cappuccino anstatt Kaffee, frische Brötchen zum Frühstück, Frühstücksbüffet und mehrere 3-Gang-Menüs zur Auswahl am Abend, darunter ein Menü für Veganer oder Allergiker aller Art. Auch die hygienischen Anforderungen sind gestiegen. Die Gäste verlangen so viele warme Duschen, dass man nicht anstehen muss. Zwei-Bett-Zimmer sowieso.
Der persönliche Müll wird dem Hüttenwirt zur Entsorgung da gelassen und notfalls zwischen den Matratzen versteckt. Viele Hüttenbesucher kennen nicht einmal die Bedeutung der Hüttenkategorien I, II und III des DAV und OeAV bezüglich des zu erwartenden Komforts.
Hinzu kommt, dass auch die Umwelt- und Sicherheitsauflagen der Behörden gestiegen sind sowie die ökologischen Zielsetzungen und Richtlinien der Alpenvereine hinsichtlich der Ausstattung mit effizienten ökologischen Energieversorgungssystemen und der umweltfreundlichen Abwasserentsorgung.
Modernisierung der Hütten ist teuer
Weit über zehn Millionen Euro investieren die Alpenvereine jährlich in die Instandhaltung und umweltgerechte Modernisierung ihrer Hütten. Längst gibt es wahre Öko-Meisterwerke mit zukunftsweisenden Umwelttechnologien, die in jahrelanger Tüftelei speziell für den jeweiligen Hüttenstandort entwickelt wurden.
Wie komplex und schwierig das sein kann, zeigt das folgende Beispiel. Die im September 2009 nach sechsjähriger Planungs- und Bauzeit eingeweihten Monte-Rosa-Hütte im Wallis. Sie liegt auf 2883 m Höhe. Sie galt als „Meilenstein nachhaltigen Bauens“ und als „Berghütte der Zukunft“. Mehrere Institute der ETH Zürich (Eidgenöss. Technische Hochschule) waren an diesem 6,5-Millionen-Franken-Öko-High-Tech-Projekt beteiligt, das zu 90 Prozent energieautark sein sollte.
Die komplexen Haustechnik-Anlagen sollten zentral vom ETH-Institut für Dynamische Systeme und Regelungstechnik in Zürich gesteuert werden. Doch das Hightech-Renommée der Hütte samt der intensiven Berichterstattung in den Medien wurden zum Fluch: Die Hütte wurde 2010 und 2011 von so vielen neugierigen Übernachtungsgästen und – wegen der Gornergratbahn – von so vielen Tagesbesuchern überrannt, dass die Öko-und High-Tech-Anlagen dem Ansturm nicht gewachsen waren. Die Folgen waren höchst unangenehm, vor allem für das Hüttenteam.
Zum Ende der Hüttensaison 2011 und in 2012 wurde rasch nachgerüstet. Auch die alte Goûter-Hütte auf 3835 m Höhe am Montblanc-Normalweg, der höchsten bewirtschafteten Hütte in den französischen Alpen, wurde inzwischen – 200 m von der alten Hütte entfernt – durch einen Öko-High-Tech-Bau mit 120 Plätzen ersetzt. Wer nicht reserviert hat, muss damit rechnen, abgewiesen zu werden und muss ohne entsprechende Ausrüstung rund 700 Höhenmeter absteigen.
Durfte man früher neben der alten Goûter-Hütte noch biwakieren oder zelten, so ist das inzwischen aus ökologischen Gründen untersagt. Im Zelt übernachten darf man nur unten bei der Tête Rousse Hütte, was am Gipfeltag 700 Höhenmeter mehr bedeutet. Wer kann, der sucht sich seine Ziele fern von solchen Hütten oder geht antizyklisch. Das bedeutet, dass man berühmte Gipfelziele nicht in der Hochsaison besteigt oder auf anderen Routen. Dafür braucht man allerdings mehr Erfahrung.
Berghüttenkategorien des DAV und OeAV
Kategorie I: bewirtschaftete Hütten, Selbstversorgerhütten oder Biwakschachteln, Winterraum ist vorhanden. Eher schlichte Ausstattung, bei Bewirtschaftung einfache aber ausreichende Verköstigung. Meist mehr als eine Stunde Gehzeit zum nächsten Stützpunkt.
Kategorie II: Meist ganzjährig bewirtschaftete Hütten in beliebten Gebieten. Oft aber nicht zwingend per Pkw, Bus oder Seilbahn erreichbar, Winterraum teils vorhanden.
Wegen besserer Ausstattung und Verköstigung gut geeignet für mehrtägige Aufenthalte.
Kategorie III: Per Pkw, Bus oder Seilbahn erreichbare Hütten. Dienen hauptsächlich als Ziel für Tagesausflüge und weisen nur geringe Übernachtungszahlen auf.
Komfortverzicht als Beschränkung aufs Wesentliche
Was an berühmten, stark frequentierten Hütten durch hohe Einkünfte, Sponsoren und Investoren gegebenenfalls finanziell möglich ist, ist für die fern der renommierten Gipfel gelegenen Alpenvereinshütten ein großes Problem. Die Einkünfte dieser Hütten sind in den wenigen Monaten der Hüttensaison oft viel zu gering und keinesfalls kostendeckend.
Oft verdienen dort auch die Hüttenwirte zu wenig. Wer soll das bezahlen, fragt sich so mancher Sektionsvorstand völlig zu Recht. Eine andere Frage ist die Folgende. Muss denn wirklich jede Hütte zum komfortablen Berggasthaus ausgebaut werden?
Vielfalt ist Trumpf
Vielfalt ist doch Trumpf. Jedenfalls sollte es für spätere Generationen noch viele kleine Hütten der Kategorie 1 geben. Solche frei zugängliche Winterräume und Biwakschachteln, die ihrer ursprünglichen Bedeutung als Schutzhütte und Bergsteigerunterkunft gerecht werden, haben ihren rustikalen Charme.
Für viele ist es das Schönste, als nach einer Skitour im Winterraum einer urigen Hütte hoch in den Bergen anzukommen. Den Ofen anheizen, Schnee schmelzen, kochen und mitzuerleben wie sich die eiskalte Hütte in eine kleine, heimelig-warme Bergsteigerunterkunft verwandelt. Duschen sind da fürs Glück nun wirklich nicht erforderlich, waschen kann man sich notfalls auch mit dem Wasser vom Herd.
Egal ob Hütte mit Komfort oder ohne. Beim nächsten Hüttenaufenthalt inmitten der Berge sollte man an folgendes denken. Ein dichtes Dach über dem Kopf, ein sauberes Lager und Verpflegung hoch oben in den Bergen sind alles andere als selbstverständlich.