Wenn man Kroatien oder Istrien hört, denkt man zunächst nur an Badeurlaub, viel Sonne, schöne Strände, warmes Wasser und fantastische Wände. Moment, Wände? Ganz richtig, denn neben all diesen touristisch attraktiven Zielen mausert sich Kroatien gerade auch noch zu einem sehr beliebten Kletterspot. Vor allem im Frühjahr und im Herbst, wenn es bei uns noch zu kalt oder schon wieder zu ungemütlich ist, liefert Kroatien die besten Bedingungen zum Klettern am Fels. Doch es locken nicht nur aussichtsreiche Felsen in bester Qualität, auch das Rahmenprogramm kann überzeugen.
Kroatiens Vorteil ist, dass es hier zum Einen zahlreiche junge Gebiete gibt, die sportklettermäßig sehr gut abgesichert sind und zum Anderen, dass man die Vorzüge des entspannten Lebensgefühls an der Adriaküste voll und ganz genießen kann. Da Kroatien gerade einmal vier Millionen Einwohner hat, kann man sich denken, dass die Klettergebiete nicht sonderlich überlaufen sind und man somit auch die Ruhe eines beschaulichen Dorfes genießen kann.
Kleine Dörfer und ganz viel Wald
Als ich zum ersten Mal istrischen Boden betrete bin ich regelrecht in die kleinen malerischen Ortschaften verliebt. Jede Örtlichkeit besitzt eine kleine Kirche aus Stein, deren Kirchtürme man Kilometer weit auf den sanften Hügeln sieht. Und zudem sieht man Wald, viel Wald, was das Klettern in Kroatien sehr lohnenswert macht.
Wer sich jetzt Gedanken darüber macht, wo und wie man hier Klettermeter sammeln soll, wo hier doch alles so flach erscheint, der kann beruhigt werden: die Felsen kommen.
Wir beginnen mit unserem Ausgangspunkt der Kleinstadt Roc. Roc ist etwa 50 Kilometer südöstlich von der italienischen Großstadt Triest entfernt und in unmittelbarer Nähe von Buzet, einer Stadt mit etwa 6100 Einwohnern, die sich eignet, um seinen Vorrat an Lebensmitteln aufzustocken. Obwohl Roc ein Stadtrecht besitzt, wohnen nur knapp 180 Menschen in dem kleinen Ort. Mit ihren kleinen Appartements und Ferienwohnungen ist die Stadt perfekt, um dort sein Basecamp aufzuschlagen.
Kompanj bei Roc
Von unseren Vermietern werden wir mit Sliwowitz und heimischem Obst begrüßt und fühlen uns direkt wohl. Schaut man sich etwas genauer um, sieht man nach wie vor eine Menge Wald. Doch etwas weiter im Hinterland erheben sich ein paar unscheinbare Hügel mit Wänden. Unser erstes Ziel steht fest: die wollen wir uns ansehen.
Über holprige Straßen erreichen wir nach einer Viertelstunde das Klettergebiet Kompanj, das eines der schönsten und größten Klettergebiete in ganz Istrien ist. Besonders schön ist hier, dass man fast den ganzen Tag in der Sonne klettern kann, man eine grandiose Aussicht über Istrien hat und sogar ein kleines Eck vom Meer sieht.
Unser Auto parken wir an dem Parkplatz, den man dank der Beschilderung nicht verfehlen kann. Wer mit dem Campingbus oder Zelt unterwegs ist, kann auf dem Parkplatz auch direkt nächtigen. Voraussetzung ist hierfür jedoch sich (wie immer) ruhig zu verhalten und keinen Müll zu hinterlassen.
Vom Parkplatz ausgehend, erreicht man, den Holztafeln folgend, innerhalb von 15 Minuten das südlich ausgerichtete und familienfreundliche Klettergebiet. Ab hier muss man sich jetzt nur noch für einen der vier Sektoren entscheiden. Routen vom Schwierigkeitsgrad 5 bis 10 sind hier alle dabei und sowohl Kraftpakete als auch Plattenschleicher kommen hier auf ihre Kosten. Selbst ein paar Sinterschmankerl sind hier zu finden.
Da sich die meisten Routen im 20 bis 30 Meter Bereich einordnen lassen, ist man an den Felsen mit einem 70 Meter Seil gut unterwegs. Zudem sind die Routen sportklettermäßig perfekt abgesichert. Es gibt nur ganz wenige Ausnahmen, bei denen ein paar Bolts schon Rost angesetzt haben. Eine Routenempfehlung kann man hier wohl kaum abgeben, da jeder Sektor seine eigenen Vorzüge hat.
Kamena vrata bei Buzet
Wenn man noch eine Alternative zum Klettern in Kroatien in der Nähe von Buzet sucht, ist man mit dem Gebiet Kamena vrata bestens beraten. Der Felsen liegt im Randgebiet der Stadt in einem kleinen Canyon und ist vor allem am Nachmittag schön schattig und nicht zu heiß.
Der Parkplatz ist direkt neben der Straße und an einem Fluß und eignet sich auch hier wieder gut zum campen. Um an den Felsen zu gelangen, überquert man einfach die Straße und ist in 5 Minuten schon dort.
Vier Sektoren locken mit anfängertauglichen bis hin zu sehr sportlichen Routen und einer perfekten Absicherung. Auch für Genusskletterer, die lange und gemütliche Touren suchen, ist hier etwas dabei.
Die Route “Gucci Gucci” im Sektor Botanicus checkt zwar “nur” bei 5a UIAA ein, ist aber ein richtiges Schmankerl für Anfänger oder zum Aufwärmen. Am Umlenker angekommen, hat man einen schönen Blick auf die Stadt Buzet und den kleinen Canyon.
Vela Draga im Ucka Nationalpark
Uns zieht es weiter ins Landesinnere, beziehungsweise Richtung Rijeka, in den östlichen Teil Istriens. Hier landet man geradewegs im Ucka Nationalpark, dessen Felstürme man direkt neben der Autobahn definitiv nicht übersieht.
Seit 1963 steht die Vela Draga Schlucht unter Naturschutz und wird seit 1998 auch vom Staat als geomorphologisches Naturdenkmal geschützt. Im Nordwesten der Schlucht stehen bis zu 100 Meter hohe Steinsäulen, die durch Erosion des Kalksteingebirges entstanden sind. Im Osten wird die Schlucht durch eine imposante Felswand begrenzt. Allerdings wird an der Schlucht auch schon seit 1930 an den Türmen geklettert. Doch Naturschutz und Kletterer haben sich bisher nicht negativ beeinflusst. Ein friedliches und rücksichtsvolles Miteinander zwischen Natur und Sportler ist hier bestens organisiert.
Um in die Schlucht zu gelangen, parkt man an dem beschilderten Parkplatz, der sich direkt an der Autobahn befindet. Von dort aus folgt man dem Themenpfad mit den entsprechenden Infoschildern. An diesen kann man sich auch gleichzeitig über die Entstehung der Steintürme umfassend informieren.
Nach etwa 600 Metern folgt der steile Abstieg in die Schlucht. Hier sollte man unbedingt trittsicher unterwegs sein und darauf achten, keine Steine loszutreten, da sich häufig ein Klettergarten unterhalb des Weges befindet.
Nach gut 20 Minuten hat man das Zentrum der Türme erreicht und schnell fällt auf, was Vela Draga alles zu bieten hat: elf (teilweise auch kleine) Sektoren mit über 60 Routen, die wiederum kleine Leisten, Überhänge und Platten haben, zeichnen die Schlucht aus. Eins ist sicher: Anfänger wie auch Profis werden hier glücklich. Vor allem die Ausgesetztheit an den Türmen ist reizvoll. Allerdings hat man dann doch ganz schön viel Luft unter dem Hintern und muss seine Psyche zu dem ein oder anderen Zug erst mal überreden. Doch die Aussicht über die Schlucht ist eine würdige Belohnung, welche das Klettern in Kroatien so einmalig macht.
Après Climbing Programm
Wer nach dem Klettern eine Abkühlung sucht, oder den Flair des Mittelmeeres erleben möchte, der ist in Opatija genau richtig. Vor allem außerhalb der Hauptreisezeiten wirkt der Charme der Stadt ganz besonders. Den Strand hat man fast für sich alleine und zahlreiche Lokale laden dazu ein die kroatische Küche zu entdecken.
Klettern quer durch Istrien
Weiter geht es quer durch ganz Istrien an die westliche Küste, an den bekannten Limski Kanal. Von vielen wird der Kanal oft fälschlicherweise als Fjord bezeichnet; der entsteht allerdings durch einen Gletscher, welcher hier definitiv fehlt. Der Limski Kanal ist vielmehr eine sogenannte Ria – eine schmale, lange und weit ins Landesinnere reichende Meeresbucht, die aus Flusstälern hervorgegangen ist.
Wie bei den vorherigen Örtlichkeiten, gibt es auch auch hier einen Campingplatz. Dieser befindet sich direkt am Kanal. Wer sich allerdings gegen das Campen entscheidet, kann auf eine der zahlreichen, günstigen Appartements zurückgreifen, die sich entweder Richtung Ronvinj im Süden oder Porec im Norden befinden.
Wir halten uns an das nördliche Ufer des Kanals und parken kurz vor einem großen Aussichtsturm mit Souvenirladen. Kurz an der Straße entlang und am Turm vorbei gelaufen, führt ein schmaler Pfad abwärts in den Wald. Da sich einige Wege bereits im Wald trennen, ist es hier am besten, schon im Vorhinein zu beschließen, welcher der fünf Sektoren besucht wird. Schilder gibt es keine, aber mit ein wenig Orientierungssinn ist man sicher unterwegs.
Nach etwa 20 Minuten erreicht man das Klettergebiet und hat einen wunderschönen Ausblick über den Fjord; nein, sorry: über die Ria! Und dazu auf einige Fischfarmen und das bewaldeten Umland. Der Fels ist grau-gelb, schön kompakt, und wieder findet man von sehr gemütlichen Touren bis hin zu technischen oder kräftigen Herausforderungen alles, was das Herz begehrt. Die meisten Routen sind jedoch senkrecht bis leicht überhängend, mit Slopern und guten Griffen.
Für die leichteren Touren sollte man beachten, dass die Absicherung zwar nach wie vor gut ist, aber die Hakenabstände teilweise etwas weiter sind. Nicht jedermanns Sache, aber auf jeden Fall noch vertretbar.
Da der Fels komplett südlich ausgerichtet ist, ist dieses Gebiet eher was für Herbst und/oder Frühjahr oder für späte Abendstunden mit Sonnenuntergang über dem Limski Kanal. Auch Familien können hier einen entspannten Klettertag genießen. Dabei sollte die Sonnencreme jedoch nicht vergessen werden. Ein wenig ungewohnt ist am Ende des Klettertages, dass man nicht entspannt zum Auto runterlaufen kann, sondern noch den kleinen Anstieg bewältigen muss. Aber nach so vielen schönen Eindrücken beim Klettern in Kroatien nimmt man diese Anstrengung eigentlich gar nicht mehr wahr.
Der besondere Charme vom Klettern in Kroatien
Um den Klettertag angemessen ausklingen zu lassen gibt es in Istrien dutzende Möglichkeiten. Ob größere Stadt an der Küste oder verschlafenes Dorf im Landesinneren, überall begegnet man herzlichen und freundlichen Menschen, bei denen man sich direkt zu Hause fühlt.
Wenn man die Nähe zum Meer sucht, sind vor allem Novigrad im Westen und Opatija im Osten empfehlenswert. Bezaubernde Gassen, kleine Cafés und ausgedehnte Strände mit kleinen Häfen laden zum Seele baumeln lassen und entspannen ein.
Nach einem anstrengenden Klettertag kann man die Füße in das noch laue Meer hängen oder direkt am Klettergarten den Sonnenuntergang genießen. Die Farben, die der kroatische Horizont zu bieten hat, sind einzigartig, das Klettererlebnis in diesem kleinen Land ebenso.
Nur die selbstgebrannten Schnäpse der Kroaten sind definitiv mit Vorsicht zu genießen. Denn hier ist der Alkoholgehalt teilweise so hoch, dass man auch am nächsten Tag noch meint, man hat ein Zwillingsseil statt dem eigentlichen Einfachseil dabei. Doch auch eine solche Erfahrung bereichert einen Klettertrip enorm.
Ein paar Fakten zur Orientierung zum Klettern in Kroatien
Kompanj Fakten
- Ausgangspunkt: Parkplatz bei Klobasi
- Zustieg: 15 Minuten, gut beschildert
- Ausrichtung: südlich
- Charakter: Sinter-, Platten-, Überhang-, Wandkletterei
- 4 Sektoren mit etwa 100 Routen insgesamt
- Schwierigkeit: 5c bis 8c
- Ausrüstung: Sportklettern, 70 Meter Seil
- Familienfreundlich und perfekt abgesichert
Kamena vrata Fakten
- Ausgangspunkt: Parkplatz am Fluss kurz nach Buzet
- Zustieg: 5 Minuten, nicht zu verfehlen
- Ausrichtung: Südöstlich
- Charakter: Platten-, Wand-, Sinterkletterei
- 4 Sektoren mit etwa 50 Routen insgesamt
- Schwierigkeit: 4c bis 8a+
- Ausrüstung: Sportklettern, 70 Meter Seil
- Familienfreundlich und perfekt abgesichert
Vela Draga Fakten
- Ausgangspunkt: Parkplatz “Vela Draga” direkt an der Autobahn
- Zustieg: über Themenpfad, gut beschildert
- Ausrichtung: Nordöstlich
- Charakter: Leisten-, Überhang-, Plattenkletterei
- 11 große und kleine Sektoren mit etwa 60 Routen
- Schwierigkeit: 4a bis 7b
- Ausrüstung: Sportklettern, 70 Meter Seil
- Bedingt familienfreundlich (steiles Gelände im Zustieg), gute Absicherung
Limski Kanal Fakten
- Ausgangspunkt: Parkplatz kurz vor dem Aussichtsturm direkt an der Straße
- Zustieg: nach dem Aussichtsturm Pfad abwärts in den Wald
- Ausrichtung: südlich
- Charakter: senkrechte und überhängende Klettereien
- 5 Sektoren mit etwa 100 Routen insgesamt
- Schwierigkeit: 4b bis 8c
- Ausrüstung: Sportklettern, 80 Meter Seil
- Familienfreundlich, gute Absicherung
3 Comments on the Article
Hi Tom, dein Wunsch wurde erfüllt. Guckst du: https://www.bergfreunde.de/blog/paklenica-klettern/ Viele Grüße Lisa
Nicht zu vergessen sind die über 30 Kletterrouten auf dem Osorcica auf Losinj in der Kvarner Bucht, alle mit fantastischem Meerblick bis Istrien und Italien.
Hallo Liebes Bergfreunde Team, Hallo Bergfreundin Marianne Es Freud mich das ich auch hier über kletter Möglichkeiten in kroatien lese (vieleicht weil ich auch selbst Kroate bin. .. ) ;) aber wir haben gerade mal knapp über 4 Millionen Einwohner - so dass außerhalb der Session man locker klettern kann. .. Hoffe das mall auch national park Paklenica erwähnt wird : für mich persönlich die besten und schönsten Wände und Natur in kroatien! Vieleicht kommt auch von mir ein Beitrag und Bilder, LG - Tom