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Wandere mit Lawinenrucksäcken

Lawinenrucksäcke – Wie und warum Lawinenairbags vor Verschüttung schützen können

Inhaltsverzeichnis

Neben der grundlegenden Lawinenausrüstung (LVS-Gerät, Sonde, Schaufel) gehören auch Lawinenrucksäcke mit integriertem Airbag mehr und mehr zur Standardausrüstung beim Skitourengehen und Freeriden. Kein Wunder, denn viele Systeme sind in den letzten Jahren kleiner, leichter und kostengünstiger geworden. Hinzu kommen neue und innovative Technologien, die den Umgang und das Training mit dem Lawinenairbag erleichtern. Nehmen wir uns also ein wenig Zeit und schauen uns einmal an, wie Lawinenairbags funktionieren, was sie leisten können und wo ihre Grenzen liegen.

Was aber ist ein Lawinenrucksack genau und wie funktioniert er?

Ein Lawinenrucksack ist ein Rucksack, der nicht nur Platz für allerlei Ausrüstung bietet, sondern auch einen integrierten Airbag besitzt. Der Airbag wird bei einer drohenden Lawinenverschüttung von Hand ausgelöst und trägt somit aktiv dazu bei, eine Verschüttung zu verhindern.

Im Bereich der Lawinenairbags gibt es aktuell zwei grundlegend unterschiedliche Systeme: Einerseits mechanische Airbags, die mittels Gasdruck befüllt werden und andererseits elektronische Systeme, die über ein leistungsstarkes Gebläse verfügen. Aber darum kümmern wir uns später…

Denn abgesehen von der Art der Befüllung, funktionieren beide Varianten nach dem gleichen Prinzip: Durch Ziehen an einem Auslösegriff wird der Airbag automatisch aufgeblasen und bildet in Einheit mit dem Rucksack eine große voluminöse Fläche. Was in einer Lawine bzw. den dadurch verrutschenden Schneemassen für „Auftrieb“ sorgt und bestenfalls eine Verschüttung komplett verhindert.

Wie sind Lawinenrucksäcke aufgebaut?

Lawinenrucksäcke bestehen aus einem Rucksack mit integriertem Lawinenairbag nebst Gaskartusche oder Gebläse. Darüber hinaus bieten Lawinenrucksäcke, abhängig vom Gesamtvolumen, auch zusätzlichen Platz für Ausrüstungsgegenstände, Kleidung und Verpflegung. Ein Lawinenrucksack und der Lawinenairbag bilden immer eine Einheit. Wildes Umhertauschen und Kombinieren von Rucksack und Lawinenairbag ist daher nicht bzw. nur eingeschränkt möglich.

Je nach Modell wird der Airbag mit seiner Auslöseeinheit auf unterschiedliche Weise in den zugehörigen Rucksack integriert. Der Airbag selbst lagert dabei in einem Fach, das sich bei Betätigung des Airbags selbstständig öffnen kann und somit das freie Entfalten ermöglicht. Zusätzlich ist der Airbag sicher mit dem Rucksack verbunden, wodurch er auch bei starker Krafteinwirkung nicht vom Rucksack abreißt. Gaskartuschen oder Gebläse finden ebenfalls in einer eigenen Tasche Platz und sind somit immer am richtigen Ort und sicher verstaut. Darüber hinaus gehört ein Auslösegriff zu den Lawinenairbags. Dieser ist mit Kartusche oder Gebläse verbunden und wird in der Regel in einem der Schulterträger nach außen geführt.

Wie wird der Lawinenairbag ausgelöst und was passiert dabei?

Lawinenairbags lösen nicht automatisch aus, sondern müssen von Hand betätigt werden. Hierzu verfügen alle Systeme über einen Auslösegriff, an dem mit einer Zugkraft von ca. 15 kg gezogen werden muss. Der Griff ist bei allen Systemen vorne an einem der Schulterträger in etwa auf Brusthöhe angebracht. Bei manchen Systemen kann der Griff sowohl rechts als auch links getragen werden, andere Systeme sind fest auf einer Seite installiert.

Wird der Griff betätigt, setzt entweder eine Gaskartusche Gas bzw. Druckluft frei oder ein leistungsstarkes Gebläse springt an. In beiden Fällen wird der Airbag aufgeblasen und erhöht so innerhalb von maximal 5 Sekunden das Volumen des Skifahrers erheblich. Je nach Hersteller und Modell umfasst der Luftsack bzw. die Luftsäcke ein Gesamtvolumen von ca. 150 – 170 Liter. Was wiederum dazu führt, dass der Skifahrer bestenfalls an der Oberfläche bleibt und nicht oder nur teilweise verschüttet wird.

Aber wie wird eine Lawinenverschüttung verhindert?

Hier wird der Paranuss- oder auch Müslieffekt genutzt! Für die Physiker unter euch auch Entmischung oder Segregation in gemischten granularen Medien. Aber von vorne: Bei einem Lawinenabgang und somit einer drohenden Verschüttung schwimmt der Skifahrer mit Lawinenairbag nicht wirklich oben auf der Lawine auf. Der Airbag ist also keine Schwimmweste für gefrorenes Wasser und liefert auch keinen Auftrieb im eigentlichen Sinn.

Der Trick ist ein ganz anderer: Stellt euch hierzu eine Tüte mit Müsli oder eine Nussmischung vor. Schüttelt ihr diese richtig durch, gelangen kleineren Bestandteile (z. B. Rosinen) nach unten und größere Teile (z. B. Cornflakes) bleiben im oberen Bereich bzw. an der Oberfläche. Das liegt daran, dass sich die kleineren Teile aufgrund ihres geringeren Volumens enger aneinanderlegen (verdichten) können und beim Durchschütteln auch in kleinere Zwischenräume und so immer weiter nach unten gelangen.

Dieser Effekt wird auch beim Einsatz eines Lawinenairbags genutzt. Mit einem aufgeblasenen Airbag seid ihr in der Lawine die sinnbildlichen Cornflakes, die durch die Bewegung der Lawine an die Oberfläche gelangen (gehalten werden). Der in der Regel feinere Lawinenschnee sortiert sich, wie die Rosinen im Beispiel, unter euch ein. Somit werdet ihr im Idealfall nicht oder nur geringfügig verschüttet. Das Risiko einer schwerwiegenden Verletzung bei einem Lawinenabgang sinkt und die Überlebenschance steigt deutlich. Glaubt ihr nicht? Dann schnell ab in die Küche und Müsli schütteln!

Eine tolle Landschaft für Skitouren
Eine tolle Landschaft für Skitouren

Wo liegen die Chancen und Grenzen von Lawinenairbags?

Es wäre ja so schön, wenn Theorien immer mit der Praxis übereinstimmen würden. Tun sie aber leider nicht und das ist leider mitunter auch bei den Lawinenairbags so.

Fakt ist: Ein ausgelöster Lawinenairbag erhöht die Überlebenschancen bei einem Lawinenabgang erheblich. Aber: Je nach Schwere der Lawine, deren Wucht und Masse sowie dem Terrain des Lawinenabgangs erzielen Lawinenairbags einen unterschiedlich guten Erfolg. Ein weiterer limitierender Faktor ist der Anwender selbst, denn oft ist ein Versagen des Airbags darauf zurückzuführen, dass er erst gar nicht betätigt wurde.

Das Hauptproblem bei Lawinenairbags ist deshalb nach wie vor, dass diese von Hand ausgelöst werden müssen. Hier zeigt sich, dass Personen, die den Umgang mit einem Lawinenairbag nicht geübt und verinnerlicht haben, den Airbag oft nicht ausgelöst bekommen. Daher lautet auch hier die Devise: üben, üben, üben. Und das ist je nach System mal besser, mal schlechter zu bewerkstelligen, aber dazu gleich mehr.

Ein Lawinenairbag ist also keine alleinige Lebensversicherung und ersetzt keinesfalls eine klassische Lawinenausrüstung und eine an die Verhältnisse und Gefahrenlage angepasste Tourenplanung. Und daher dürfen Lawinenairbags auch nur als Ergänzung der Lawinenausrüstung gesehen werden.

Während LVS-Geräte und Sonden dazu beitragen, dass ein (auch tief) Verschütteter möglichst schnell gefunden wird, tragen Lawinenairbags dazu bei eine (tiefe) Verschüttung aktiv zu verhindern und das Auffinden der in die Lawine geratenen Person zu erleichtern. Statistiken zeigen, dass auch Lawinenairbags eine Verschüttung nicht zwingend verhindern. In vielen Fällen ist jedoch der Airbag selbst bzw. ein Teil des Airbags an der Oberfläche zu sehen, was wiederum eine schnelle und zielgerichtete Rettung auf Sicht ermöglicht.

Seltener kommt es bei Lawinenairbags zu einem technischen Versagen, also dass die Auslöseeinheit nicht auslöst oder dass der Airbag selbst beschädigt wird oder ist. Dennoch ist es wichtig, alle Systeme regelmäßig nach Herstellerangaben auf ihre Funktionstüchtigkeit zu prüfen (lassen) und im Zweifelsfall einzelne Komponenten zu tauschen.

Welche Systeme gibt es bei Airbags und wo liegen die Unterschiede?

Aktuell gibt es zwei grundlegend unterschiedliche Funktionsweisen bei Lawinenairbagsystemen: Mechanische Systeme, die mit Gasdruck oder Druckluft arbeiten und elektronische Systeme, die über ein Gebläse verfügen. Aktuell tut sich darüber hinaus am Markt sehr viel, in jeder Saison kommen neue oder grundlegend überarbeitete und weiterentwickelte Systeme auf den Markt. Daher ist es schwierig, hier einen guten und vor allem nachhaltigen Überblick zu geben. Was heute geschrieben wird, ist mitunter morgen schon veraltet. Ich möchte euch deshalb nur einen groben Einblick geben und anhand einiger Beispiele zeigen, wo bei gängigen Lawinenairbags bzw. -rucksäcken die Feinheiten und Unterschiede liegen.

Mechanische Systeme

Mechanische Systeme arbeiten mit Gasdruck oder Druckluft. Hierbei wird das Gas zum Füllen des Airbags, aus einer zuvor eingesetzten Kartusche bezogen. Bei Betätigung des Auslösegriffs strömt das Gas in den Airbag und bläst ihn auf.

Das ARVA REACTOR System

Funktionsweise und Besonderheiten:

  • Auslösung: Mechanisch. Durch Zug am Griff und dem damit verbundenen Kabel wird die Auslöseeinheit aktiviert und der Airbag entfaltet sich.
  • Airbag mit zwei Kammern: Durch den großen Airbag sollen bei einem Lawinenunfall auch Kopf und Nacken zusätzlich geschützt werden. Die beiden Kammern sorgen für Redundanz.

Wartung und Wiederinbetriebnahme:

  • Kartuschen müssen regelmäßig auf ausreichenden Druck kontrolliert werden.
  • Pro Auslösung ist eine Kartusche erforderlich.
  • Abhängig von der Art der Kartusche können diese über professionelle Dienstleister oder Arva wiederbefüllt werden.

Praktisch:

  • Probeauslösung als Trockenübung ohne Gaskartusche möglich.
  • Modular aufgebaute Lawinenrucksäcke erhältlich.
Lawinenrucksack mit Gaskartusche von Arva
Lawinenrucksack mit Gaskartusche von Arva

Das ABS Twinbag System

Funktionsweise und Besonderheiten:

  • Auslösung: Pyrotechnisch. Durch Ziehen des Griffs wird ein Mechanismus betätigt, der eine kleine Patrone im Griff zündet. Diese Zündung sorgt für eine Druckwelle, die durch einen Schlauch zur Anstecheinheit strömt, einen Kolben in die Kartusche treibt und diese somit ansticht und auslöst.
  • Zwei seitlich angebrachte Airbags: Die beiden Airbags werden unabhängig voneinander befüllt. Hierdurch führt die Beschädigung eines Airbags nicht zum Ausfall des kompletten Systems.

Wartung und Wiederinbetriebnahme:

  • Griffe und Kartuschen habe ein Verfallsdatum und müssen entsprechend der Herstellerangabe turnusmäßig getauscht werden.
  • Pro Auslösung ist eine Kartusche erforderlich.
  • Gaskartuschen können über professionelle Dienstleister wiederbefüllt werden.

Elektronische Systeme

Elektronische Systeme arbeiten mit leistungsstarken Gebläsen, die die Airbags in kurzer Zeit aufblasen können. Sie haben außerdem den Vorteil, dass sie nach einer Auslösung in kurzer Zeit wieder einsetzbar sind und durch die Auslösung selbst keine weiteren Kosten entstehen. Hierdurch ist praxisnahes Üben kein Problem.

Das Alpride E2 System

Funktionsweise und Besonderheiten:

  • Auslösung: Elektronisch. Durch das Ziehen des Auslösegriffs wird ein Radialkompressor eingeschaltet, der den Airbag aufbläst.
  • Kombination von Batterien und Superkondensatoren: Die Superkondensatoren werden über einen USB-C-Anschluss direkt an der Steckdose aufgeladen. In Kombination mit zwei handelsüblichen AA-Batterien hat das System eine Laufzeit von bis zu drei Monaten und ausreichend Power für drei Auslösungen.

Wartung und Wiederinbetriebnahme:

  • Das System führt bei jedem Einschalten einen Selbsttest durch. Eine LED-Anzeige informiert über den Ladestand.
  • System ist (bei ausreichend vollen Batterien) 40 Minuten nach einer Auslösung automatisch wieder bereit.
  • Batterien können bei Bedarf einfach getauscht werden.

Praktisch:

  • Das System kann aus den Rucksäcken herausgenommen werden und ist mit Rucksäcken, die das E2 System unterstützen, kompatibel.
  • Wird von unterschiedlichen Herstellern eingesetzt (Scott, Deuter …)
  • Auslösungen zu Übungszwecken sind problemlos möglich und ziehen keine weiteren Kosten nach sich.

Das Pieps JETFORCE System

Funktionsweise und Besonderheiten:

  • Auslösung: Elektronisch. Durch ziehen am Griff wird ein leistungsstarkes Gebläse aktiviert, das den Airbag in kurzer Zeit aufbläst.
  • Ein integrierter Lithium-Ionen-Akku ermöglicht pro Ladung ca. 4 aufeinanderfolgende Auslösungen.

Wartung und Wiederinbetriebnahme:

  • Das System führt bei jedem Einschalten einen Selbsttest durch. Eine LED-Anzeige informiert über den Ladestand.
  • Der Airbag muss nach einer Auslösung zum Packen nicht gefaltet werden, sondern wird einfach in die dafür vorgesehene Tasche gestopft und ist sofort wiedereinsetzbar.
  • Mittels Bluetooth und einer entsprechenden App ist ein schnelles Gerätemanagement und eine einfache Wartung möglich.

Praktisch:

  • Luft wird nach 3 Minuten automatisch wieder aus dem Airbag abgelassen. Im Fall einer Verschüttung entsteht so eine relativ große Atmenhöhle im Schnee.
  • Auslösungen zu Übungszwecken sind problemlos möglich und ziehen keine weiteren Kosten nach sich.
  • Modular aufgebaute Lawinenrucksäcke erhältlich.
Lawinenrucksack mit elektronischem Auslöser von Deuter
Lawinenrucksack mit elektronischem Auslöser von Deuter

Vor- und Nachteile der Airbagsysteme schnell zusammengefasst

Lawinenairbags, die mit Kartuschen arbeiten, sind in der Regel ein wenig leichter und kompakter als ihre Kollegen mit Gebläse. Kartuschensysteme sind normalerweise lange ohne zusätzliches Nachfüllen oder Austauschen einsetzbar. Wird ein System mit Gaskartusche ausgelöst, muss für eine weitere Auslösung eine neue Kartusche eingesetzt werden. Diese hat man in der Regel bei einer Tour nicht dabei. Abgesehen davon ist der Kauf einer neuen Kartusche bzw. das Befüllen der zuvor entleerten Kartusche mit teilweise hohen Kosten verbunden.

Elektrische Systeme müssen je nach Art und Intensität der Nutzung ein bis mehrmals pro Winter aufgeladen werden. Sie haben dabei aber den Vorteil, dass sie (ein entsprechender Ladestand vorausgesetzt) mehrfach auch in kurzer Zeit ausgelöst werden können. Hierdurch ist praxisnahes Üben auch unterwegs problemlos möglich und zieht abgesehen vom Strom für die Akkuladung keine Kosten nach sich.

Gruppe Skitourengeher beim Aufstieg mit Lawinenrucksäcken
Skitourengeher beim Aufstieg mit Lawinenrucksäcken

Noch ein paar wichtige allgemeine Anmerkungen zum Schluss

Unterschiedliche Airbag-Systeme habe eine unterschiedliche Bedienung und Handhabung. Informiert euch auf jeden Fall, wie der richtige Umgang mit eurem System ist und beachtet die Vorgaben des Herstellers.

Um zu garantieren, dass der Lawinenrucksack auch in einer Lawine nicht vom Körper abgestreift wird, muss in der Regel der Hüftgurt geschlossen und zusätzlich die Beinschlaufe eingehängt sein.

Wiegt euch nicht in falscher Sicherheit, nur weil ihr einen Lawinenairbag dabei habt. Denn der beste Schutz vor Lawinen ist nach wie vor, sie zu vermeiden. Fahrlässigkeit kann auch ein noch so guter Airbag nicht ausgleichen. Daher bleibt der Triebschneehang bei Lawinenwarnstufe 4 nach wie vor tabu. Kommt ihr in eine Lawine oder stellt ihr den Anriss der Schneedecke fest. Aktiviert den Lawinenairbag so schnell wie möglich.

Wollt ihr euren Lawinenrucksack auf einer Flugreise mitnehmen, informiert euch vorab, wie die Bestimmungen für euer System sind. Elektronische Systeme unterliegen in der Regel keinen größeren Beschränkungen. Bei Systemen mit Kartusche muss diese nicht selten abgenommen und getrennt transportiert werden.

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Bergfreundin Lisa

Kurztext: Ich bin nicht zum Bergsport gekommen, der Bergsport ist zu mir gekommen. Ende der 80er haben mir meine Eltern gezeigt wie man Ski fährt und Ende der 90er habe ich das Klettern im Verein gelernt. Seit meiner Jugend gehören außerdem Ski- und Hochtouren zu meinen festen Bergsportdisziplinen.

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