Im Jahr 2008 reiste unser Werkstudent Daniel zusammen mit seinen Großeltern durch das Okavango Delta in Botswana. Ausgestattet mit einem 4×4 Geländewagen begann die Reise in Maun und endete am Länderviereck in Kasane. Ziel der Reise war es, die Savuti-Region im Chobe Nationalpark, die zu den besten Wildbeobachtungsgebieten der Welt zählt, zu erschließen. Jedoch schien die Reise bereits nach wenigen Tagen in Kachekabwe sein Ende zu nehmen, als sich die Drei in den Irrwegen des Deltas verfuhren und sich der Benzintank immer mehr dem Ende zuneigte. Ein spannendes Erlebnis mit viel Spaß und Begegnungen mit wilden Tieren.
Vorbereitung für das Abenteuer
Mit dem Abitur frisch in der Tasche führt mich meine Reise nach Botswana. Schon als ich den Flughafen in Johannesburg verlasse, kommt mir alles auf wunderbare Weise bekannt vor. Die Menschen um mich herum haben mich mit ihrem ansteckenden Lächeln in Empfang genommen, die typischen Geräusche und die Farbenprächtigkeit der afrikanischen Stadt erinnern mich an meine vergangenen Reisen und haben mich sofort wieder in den Bann gezogen.
Nachdem ich die ersten Tage bei meinen Großeltern in Durban übernachtet habe, um nach dem langen Flug erst einmal anzukommen und mich zu akklimatisieren, starte ich mit meinen restlichen Vorbereitungen für unser gemeinsames Safari-Abenteuer in Botswana. Bereits vier Jahre zuvor haben wir versucht die raue Savuti-Region zu durchfahren, sind jedoch mit unserem Proviantanhänger, der zu wenig Bodenfreiheit besaß, gescheitert. Aus diesem Grund packen wir dieses Mal nur die allernötigsten Sachen ein.
Tierbeobachtung in Botswana
Und dann ist es so weit. Es ist 5 Uhr morgens und meine Großeltern, die sich vor über 20 Jahren dazu entschlossen haben an die Ostküste Südafrikas zu ziehen, und ich sind auf dem Weg in das einzigartige Okavango Delta, um Tiere zu beobachten und Tiefsand- und Wasserfahrten zu erleben. Die ersten 1700 km, was für afrikanische Verhältnisse einer Kurzstrecke gleichkommt, sind auf den hervorragend ausgebauten Teerstraßen nach europäischem Vorbild schnell hinter uns gebracht. In Maun übernachten wir im Audi Camp – ein letztes Mal in der Zivilisation.
Unser Zeltplatz befindet sich in einem schattigen Plätzchen unter Bäumen und die Sanitäranlagen des Camps machen einen sauberen, wenn auch nicht ganz so tadellosen Eindruck. Diese Meinung wird sich nach dem Besuch in den kommenden Campingplätzen noch ändern. Da man in den Nationalparks von Botswana nur in sehr luxuriösen und teuren Lodges oder in den kostengünstigeren romantischen Campingplätzen übernachten kann, entschieden wir uns für Letzteres. Bevor wir jedoch in das Moremi Wildschutzgebiet starten konnte mussten wir die Verpflegung und Benzinvorräte für die nächsten Tage besorgen.
Moremi Wildschutzgebiet
Am nächsten Morgen am South Gate angekommen, zeigen wir unsere Erlaubnis zum Campen vor. Es ist im Allgemeinen empfehlenswert, die Eintrittserlaubnis vor Antritt der Reise nach Botswana zu beantragen, da man ohne Erlaubnis nicht in die Nationalparks einreisen darf. Zudem informieren wir uns, wo in den letzten Tagen welche Tiere gesichtet wurden. In diesem riesigen Gebiet ist es für Erfolg versprechende Tierbeobachtungen wichtig, dass man sich auf der Tafel der „Wildlife Sightings“ informiert und in Gesprächen mit anderen Selbstfahrern und Guides von mobilen Safaris austauscht. So erhöht man seine Erfolgschance Tiere zu sehen enorm.
Denn im Moremi Wildschutzgebiet und Chobe Nationalpark warten ganz besondere Tiere auf den ambitionierten Besucher, wie die besonders anmutigen Löwen, die wunderschönen Oryxantilopen oder den frechen Honigdachs. Ganz zu schweigen von Leoparden und Geparden oder imposanten Elefanten, die in großen Gruppen vorkommen. Das Okavango Delta bildet ihr ganz eigenes Ökosystem, das nicht vergleichbar ist mit den Nationalparks im restlichen Afrika.
Unser Zeltplatz
Wir haben das Gate hinter uns gelassen und machen uns auf dem Weg zu unserem Zeltplatz am Rande des North Gate. Das Fahren auf dem weichen Sand macht großen Spaß, doch eine Sache darf man nicht unterschätzen: Es ist unglaublich schwer, gleichzeitig zu fahren und nach Tieren Ausschau zu halten. Daher ist es ratsam, immer wieder anzuhalten und die Spuren der Tiere zu lesen oder einfach ihren Rufen zu lauschen. Ich staune unentwegt über diese scheinbar menschenleere Wildnis in Botswana, die nicht zu enden scheint. Wir begegnen keinem anderen Menschen und sind mittendrin in diesem sagenumwobenen Ort. An dem North Gate Camping Site angekommen, halten wir an und bauen unser erstes Lager auf.
Als die Dunkelheit langsam einbricht, bereiten wir uns auf dem Gaskocher ein schmackhaftes Abendessen zu. Gleichzeitig entfachen wir ein Lagerfeuer mit dem gesammelten Holz und lassen diesen aufregenden Tag mit „Anti-Malaria“, ein indisches Geheimrezept aus Tonicwater und Gin, ausklingen. Gar nicht allzu weit entfernt hören wir Tiergeräusche und sind uns bewusst, dass wir hier inmitten der Wildnis und umgeben von Tieren sind, die dem Leben hier deutlich besser angepasst sind als wir. Schließlich bestaunen wir den faszinierenden Sternenhimmel, wie man ihn zu Hause nicht zu Gesicht bekommt. Millionen von Sterne scheinen nur einen Steinwurf entfernt, so klar leuchtet der Nachthimmel. Schließlich steige ich in mein Zelt und lausche noch ein wenig den Stimmen des Busches und seiner Tiere, bevor mich die Müdigkeit übermannt.
Frische Löwenspuren
Wir haben am Vorabend besprochen, dass wir früh aufstehen und so die besten Stunden des Tages nutzen, um uns auf die Suche nach den Tieren zu machen. Noch vor Sonnenaufgang fahren wir los, diesmal aber ganz langsam und gezielt. Es dauert nicht lange, da sind wir alle hellwach: Herbert, mein Großvater, hat frische Löwenspuren ganz in der Nähe unseres Nachtlagers entdeckt. Sofort machen wir uns auf die Suche und schauen noch angestrengter nach den Spuren, die schließlich den Weg verlassen und tiefer in den Busch hinein führen.
Da das Fahren abseits der Wege streng verboten ist, folgen wir der Straße. Der Weg formt einen Bogen und hält eine Überraschung für uns bereit: Als es heller wird, sehen wir die großen Löwenspuren ganz deutlich auf dem Weg. Die Löwen scheinen also nur eine kurze Strecke durch das Dickicht zurückgelegt zu haben und folgen nun dem Weg, der ihnen die Fortbewegung erleichtert. Und dann sehe ich sie: Zwei Löwinnen sitzen direkt neben der Fahrspur in Begleitung mit drei Jungen, die man in dem gleichfarbigen Gras kaum sehen kann.
Auftritt eines Elefantenbulles
Kurz darauf tippe ich meinem Großvater auf die Schulter und gebe ihm ein Zeichen sich umzudrehen. Ein imposanter Elefantenbulle läuft direkt hinter unserem Fahrzeug den Weg hinunter und hält kurz inne, als er uns ausgemacht hat. Er beobachtet uns eine gefühlte Ewigkeit und weder meine Großeltern noch ich sagen ein Wort, so sehr hat uns diese überraschende Begegnung in ihren Bann gezogen. Nachdem wir das Löwenrudel und den Elefanten aus den Augen verloren haben, setzen wir unseren morgendlichen Game Drive fort und geben uns große Mühe, den Spuren auf den Wegen zu folgen und regelmäßig inne zu halten. So haben wir das große Glück, mehrere Herden von Zebras, Giraffen und diverse Antilopenarten beobachten zu können. Am Abend sitzen wir glücklich und zufrieden am Lagerfeuer und lassen den Tag in Botswana langsam ausklingen.
Chobe Nationalpark
Am nächsten Morgen führt uns unsere Reise hinaus aus dem Moremi Wildschutzgebiet, um unser Ziel die Savuti-Region im Chobe Nationalpark zu durchfahren. Die Savuti-Sektion im Westen des Parks gilt zusammen mit der Chobe Riverfornt als eines der besten Wildbeobachtungsgebiete im südlichen Afrika. Mit dem Beginn der Regenzeit zum Jahresende verwandelt sich das staubige trockene Savuti in ein grünes Paradies und es ziehen riesige Herden von Zebras und Gnus von den Linyanti Sümpfen und der Chobe Riverfront in die Savuti-Region. An den Wasserlöchern bieten sich gute Möglichkeiten, um Savutilöwen zu beobachten. Bis zu 35 Tiere rund um das Wasserloch sind keine Seltenheit in der Trockenzeit. Die Savutilöwen sind auch bekannt dafür, dass sie in der Trockenzeit, wenn die großen Herden wieder abwandern, Elefanten jagen. Rund um die Wasserstellen der Camps liegen unzählige Elefantenskelette, die die Erfolge der Löwen bei der Elefantenjagd belegen.
Schließlich erreichen wir die noch sandigere Strecke, an der wir beim letzten Besuch aufgeben mussten, da wir mit unserem Anhänger nicht weiterkamen. Mit unserem 4×4 Geländewagen von Toyota sind wir eigentlich gut ausgestattet, aber gegen die hohe Bodenfreiheit eines Toyota Hilux oder eines Land Rover Defender kommt unser Auto nicht an. So bleiben wir des Öfteren im Sand stecken und mussten uns mit Händen und Füßen frei graben, wobei eine Person immer nach wilden Tieren Ausschau hält. Zum Glück befand sich manchmal ein anderes Wildbeobachtungsfahrzeug in der Nähe, um uns mit einem Abschleppseil oder Feuerwehrschlauch zu befreien. Selbst mit Allradfahrzeugen (und Erfahrung mit deren Umgang) ist es nicht immer einfach, abseits der Pisten zu fahren.
Ein Rudel Löwen
Nach mehreren kräftezehrenden Stunden durch den Busch in Botswana sehen wir an einer Wasserstelle ein Rudel von drei Savutilöwen. Nach kurzer Beobachtung war klar, dass es sich um Jungtiere handeln muss, die in der Regel im Alter von drei bis vier Jahren vom dominanten Männchen verjagt werden. Kurz vor unserem Eintreffen hat das Rudel einen Kaffernbüffel erlegt und war mit Fressen beschäftigt. Auch wenn es nicht gerade appetitlich aussah, wie sie mit dem rohen Fleisch umgegangen sind, war es dennoch beeindruckend Zeuge dieses natürlichen Schauspiels zu werden.
Am späten Nachmittag ist es somit geschafft und wir erreichen den Savuti Campingplatz, das Ziel, das wir uns am Beginn unserer Reise vorgenommen haben, war somit geschafft. Nach dem Abendessen sitzen wir alle am Lagerfeuer zusammen, sprechen über die Ereignisse des Tages und lauschen den Stimmen des afrikanischen Busches bei Nacht. Plötzlich leuchtet meine Großmutter mit der Taschenlampe an das eine Ende unseres Camps. Und dort sieht man um die Ecke zwei reflektierende Augen einer Hyäne. Aus Nachtsafaris ist mir bereits bekannt, dass Tiere aufgrund einer lichtreflektierenden Schicht in der Netzhaut bei Nacht gut zu erkennen sind. Die Tüpfelhyäne war wohl auf der Suche nach Nahrung und wurde von den Mülleimern des Camps angelockt. Da wir von den Strapazen des Tages sowieso müde waren, krochen wir in unsere Schlafsäcke und bekamen gerade noch mit, dass sich die Hyäne um unser Zelt nach essbaren suchte, bevor unsere Augen vor Erschöpfung zufielen.
Verloren in Kachekabwe
Als wir am nächsten Morgen von der Sonne geweckt wurden, hat nicht nur die Hyäne ihre Spuren in unserem Camp hinterlassen, sondern auch ein paar Löwen. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen mache ich mich dennoch auf den Weg um Wasser für Kaffee zu holen. Nach dem Frühstück packen wir alle unsere Sachen zusammen, um die nordöstliche Grenze des Chobe Nationalparks zu erreichen. Der Tag fängt eigentlich ganz gut an, wir kommen trotz schwieriger Straßenbedingungen gut voran und haben das Glück einen wunderschönen Leoparden auf einem Ast zu beobachten. Aber dann verlieren wir plötzlich und aus unerklärlichen Gründen die Orientierung.
Nacht in Botswana
Wir fahren die sandige Strecke auf der wir uns befinden über mehrere Kilometer, ohne dass uns eine Kreuzung verrät, wo genau wir uns aufhalten. Zudem läuft unser Tank mit den letzten Litern, sodass wir es uns nicht leisten können, noch weiter in das Ungewisse zu fahren. Wir stellen daher unser Auto in den Schatten und hoffen, dass ein anderes Fahrzeug uns erreicht. Stunden vergehen ohne Erfolg und als die Dämmerung langsam hereinbricht, wird uns bewusst, dass heute mit keiner Hilfe mehr zu rechnen ist. In den Nationalparks Botswanas ist das Wildcampen zwar strengsten verboten, aber wir hatten keine andere Wahl. Wir machen uns daher ein schnelles Abendessen auf dem Gasgrill und vernichten die letzten Reste des Gins, bevor wir von einer Herde Elefanten eingeschüchtert in unser Auto begeben, um dort die Nacht zu verbringen.
Nach einer sehr ungewissen und ungemütlichen Nacht sehen wir endlich in der Ferne eine Staubwolke auf uns zukommen. Als das Auto näher kommt, sehen wir zwei Männer, die uns fragend anschauen. Unsere Lebensretter sind Angestellte des Nationalparks und gerade auf dem Weg um Reparaturarbeiten in der Nähe vorzunehmen. Sie kommen aus ihrem Heimatdorf, das sich nur ein paar Kilometer von unserem Standort befindet. Als wir sie fragen, auf welchem Weg es nach Kasane geht und wo wir uns befinden, verrieten sie uns, ihr habt die Nacht bei Kachekabwe verbracht. Und tatsächlich, nur wenige Kilometer später fahren wir nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder auf einer geteerten Straße am Chobe Fluss entlang zum Vierländereck von Botswana, Namibia, Sambia und Simbabwe.
Fazit
Während meiner Reise habe ich gelernt, dass es bei einer Safari um viel mehr als Tierbeobachtungen geht. Es geht um Empfindungen und Erfahrungen, die man sammelt, während man durch wunderschöne Landschaften fährt und um Bekanntschaften, die einem lange in Erinnerung bleiben werden.