Smartwatch – Eine Uhr, die uns überallhin begleiten kann. Wir legen unsere Trainingsziele fest, wählen die Sportart aus, oder lassen unseren Schlaf auf dem Gipfel protokollieren. Für den Bergsport sind Modelle beliebt, die auch weitere Funktionen wie Höhenmessung und Sauerstoffsättigung anbieten. Manche Hersteller bewerben Smartwatches als Trainingsbegleiter und versichern, dass das Training dadurch besser wird. Doch basieren Smartwatches auf standardisierten Programmierungen, und geben uns dennoch ein Gefühl von Sicherheit.
Zusammen mit dem Leistungssportler, Alpinsportler und Kardiologen PD Dr. Dr. med. Mahdi Sareban haben wir über die Möglichkeiten und Grenzen von Smartwatches gesprochen. Er ist Mitglied in der Salzburger Mountain Medicine Research Group und arbeitet mit Schwerpunkt auf digitaler Gesundheit am Universitätsinstitut für präventive und rehabilitative Sportmedizin Salzburg.
Die Smartwatch als Begleiter im Bergsport
Smartwatches vermitteln bei vielen Leuten ein höheres Sicherheitsgefühl. Ist dies im Bergsport nicht leichtsinnig?
Mahdi Sareban: Ob wir jetzt eine Smartwatch besitzen oder nicht, sollte nicht relevant sein für unsere Tourenvorbereitung. Die Uhr ist immer ein Add-On, das uns unterstützen kann. Sie ersetzt keine Vorbereitung, keine mangelnde körperliche Fitness, und sollte keine erhöhte Sicherheit geben.
Wer schon mal eine Smartwatch in extremeren Bedingungen getragen hat, weiß, dass die Uhren sehr empfindlich sein und die Messergebnisse entsprechend stark variieren und ungenau sein können. Was können wir dagegen tun?
Mahdi Sareban: Wenn wir viel im alpinen Gelände unterwegs sind, dann ist es wichtig, eine Uhr mit einem robusten Gehäuse auszuwählen, die per se nicht so schnell Schaden nehmen kann. Witterungsbedingungen wie Regen oder Kälte können die Genauigkeit der Werte beeinflussen. In Studien konnte gezeigt werden, dass z.B. der Bewölkungsgrad einen deutlichen Einfluss auf die Genauigkeit der Höhenmessung der Uhren hat. Im Energiesparmodus werden die Messungen ebenfalls ungenau. Daher sollte bei längeren Touren die Akkulaufzeit im Blick behalten werden. Wenn keine Lademöglichkeiten bestehen, kann beispielsweise eine Powerbank mitgenommen werden.
Gibt es Modelle, die sich besonders für den Alpinsport und Outdoorbereich eignen?
Mahdi Sareban: Am besten sind Uhren, die barometrisch und mit GPS die Höhe angeben. In dieser Kombination sind die Werte genauer. Die absolute Höhe und die Aufstiegsgeschwindigkeit – im Sinne des täglichen Unterschieds in der Schlafhöhe – sind beispielsweise wichtige Messgrößen für die Prävention der akuten Höhenkrankheit.
Infos zu der durchgeführten Studie
Sie haben in Italien auf 4599 Höhenmetern untersucht, inwieweit eine Smartwatch die Sauerstoffsättigung in unserem Körper abbilden kann. Wie können wir uns das vorstellen?
Mahdi Sareban: Die Teilnehmenden sind mit Bergführern auf die Margheritahütte auf 4559 m gestiegen. Wir hatten in der Hütte ein Forschungslabor eingerichtet. Eine der Fragestellungen des Forschungsprojektes war es, die Genauigkeit der Angaben zur Sauerstoffsättigung der Smartwatches zu untersuchen. Dafür haben wir parallel zur Messung der Smartwatches den Teilnehmenden Blut abgenommen, um mit dem höchsten medizinischen Standard die Sauerstoffsättigung zu bestimmen und diese Werte den Ergebnissen der Uhren gegenüberzustellen.
Blicken wir genauer in die Studie, so weichen die Daten teilweise sehr stark voneinander ab. Sollten wir überhaupt auf die Uhren vertrauen?
Mahdi Sareban: Die Smartwatches waren nicht besonders präzise, so dass sie für die Beurteilung der Sauerstoffsättigung aktuell nicht empfohlen werden können. Leider haben wir bei den Smartwatches immer das Problem, dass uns die Algorithmen der Hersteller nicht bekannt sind. Wir können daher nur mit genau solchen Studien versuchen, den medizinischen Nutzen bzw. Mehrwert der Uhren einzuordnen.
Genau, große Hürden sind nicht-öffentliche Algorithmen und standardisierte Programmierungen. Dennoch liefern sie in manchen Situationen verlässliche Werte und hilfreiche Informationen. Auch viele Kardiologen und Sportmedizinerinnen empfehlen mittlerweile das Tragen einer Smartwatch. Wie stehen Sie dazu?
Mahdi Sareban: Empfohlen sind Smartwatches zur Beurteilung des Umfangs der körperlichen Aktivität wie zum Beispiel durch Angaben der täglichen Schrittzahl. Wenn komplexere Funktionen genutzt werden, dann sollten wir uns mit der Technik auseinandersetzen. Jede Uhr und jede dazugehörige App funktionieren anders. Gefährlich wird es, wenn wir uns in ein Abhängigkeitsverhältnis zur Uhr bringen und durch Unwissenheit ein falsches Vertrauen in die Technik legen. Besonders im Alpinsport stellt das eine Gefahr dar.
Weitere Funktionen und Möglichkeiten von einer Smartwatch
Die Uhren haben noch weitere Funktionen, wie zum Beispiel die Notruffunktion oder die Sturzerkennung. Wie schätzen Sie deren Nützlichkeit ein?
Mahdi Sareban: Ich denke, beide Funktionen sind hilfreich. Insbesondere, wenn man unglücklich stürzt oder so verunfallt, dass das Handy nicht mehr in Reichweite ist und keine anderen Menschen helfen können. Auch hier gilt, dass man sich im Vorfeld mit den Funktionen vertraut machen und wissen muss, wie ein Notruf abgesetzt wird.
Andere Studien zeigen, dass wir Menschen schnell in einer Beziehung zu unseren Smartwatches stehen. So werben Hersteller damit, dass das Körperbewusstsein verbessert wird. Wie sieht das in der Praxis aus? Würden Sie dem zustimmen?
Mahdi Sareban: Es ist schon so, dass im besten Fall Menschen ihre Kompetenzen erweitern. Die eigene Gesundheitskompetenz kann gestärkt werden. Wenn bei einer leichten Steigung bei einem Spaziergang die Uhr einen Puls von 160 anzeigt, dann lernst du durch die Uhr, dass das nicht normal ist, auch wenn du dich gut dabei fühlst. Häufig liegt das an einer schlechten Fitness, die im Alpinsport rasch zur Gefahr werden kann. Durch eine Untersuchung in einer sportmedizinischen Praxis kann die Ursache objektiviert werden – sodass im Optimalfall die Gesundheitskompetenz und das Körperbewusstsein gesteigert werden.
Herzlichen Dank für das Gespräch!