Wildtiere im Wald? Geht es hier darum, zwischen den Wipfeln die Sau rauszulassen? Nein, es geht um die ungezähmten tierischen Zeitgenossen, die da draußen hausen. Da draußen, das bedeutet im Alpenraum und in den deutschen Outdoor- und Wandergefilden. Also im Grunde fast überall zwischen Flensburg und Nizza. Nicht gemeint sind hier Kühe, Schafe und andere domestizierte Tiere, die man in den Bergen mindestens so häufig sieht wie echte Wildtiere.
Welche Tiere finden sich bei uns und in den Alpen?
Die Liste der heimischen und alpinen Wildtierarten ist bei weitem nicht so kurz, wie man in Zeiten der Übererschließung denken könnte. Würde man Kleinsäuger wie Igel oder Eichhörnchen mit einbeziehen, würde sie den Rahmen eines solchen Artikels locker sprengen. Ganz zu schweigen von den unzähligen Vogelarten. Deshalb stelle ich hier nur eine kleine Auswahl vor, die zugegebenermaßen nicht wirklich objektiv ist. Wie sollte das auch gehen? Nach welchen Kriterien soll man auswählen? Verbreitung? Populationsgröße? Dafür müsste man zuerst mal ein Beobachtungsgebiet definieren, mit ausführlicher Diskussion darüber, was der „Alpenraum“ überhaupt ist. Darunter verstehen nämlich Bergfreunde und Fachleute aller Art jeweils etwas anderes.
Das überlasse ich also den Doktorarbeiten und erlaube mir stattdessen ein rein subjektives Kriterium einzubeziehen, das man „Sehenswürdigkeit“ der Wildtiere nennen könnte. Da fallen dann zum Beispiel Fuchs und Hase unter den Tisch und sagen gute Nacht. Ebenso „unwissenschaftlich“ ist unter diesem Kriterium die bei jeder aufgezählten Tierart mitgegebene Einschätzung der Sichtungs- und Begegnungswahrscheinlichkeit.
Einige der folgend genannten Tiere sind charakteristische Alpenbewohner, andere kommen hingegen auch oder nur in den deutschen Kulturlandschaften und Mittelgebirgen vor. Die Aufzählung ist (soweit möglich) aufsteigend von klein und leicht zu groß und schwer geordnet:
Alpendohle
Mit ihrem schwarzen Gefieder, dem gelben Schnabel und den orange-roten Beinchen ist sie leicht zu erkennen. Sie lebt oberhalb der Baumgrenze in Höhen von 1500-3500 m und tritt oft in größeren Schwärmen auf. Wenn man auf irgendeinem Gipfel etwas Essbares auspackt, sind Sichtungen und Begegnungen so gut wie garantiert.
Wildhuhn
Birkhühner und Raufußhühner sind „fasanartige Hühnervögel“ und im Mittel- und Hochgebirge weit verbreitet. Auch die etwas größeren und wegen ihres Schwanzgefieders auffälligeren Auerhühner gehören dazu. Eine Unterart des Raufußhuhns ist das Schneehuhn. Da sich die Lebensräume von Wildhühnern oft auch mit stärker frequentierten Tourengebieten überschneiden, gelten sie teilweise als gefährdet – besonders im Winter, wenn Skitourengeher die gut getarnten Vögel aufschrecken. Die Sichtungs- und Begegnungswahrscheinlichkeit mit einem Wildhuhn ist mittel.
Schneehase
Der Schneehase kann durchaus mit stattlichen bis zu 60 cm Länge und 5 kg Gewicht ausfallen. Meist treibt er sich nachts in Höhen zwischen 1000 und 3500 m herum – bisweilen in Gruppen von bis zu 100 Tieren. Trotz dieser beeindruckenden Gruppenstärke gelten Schneehasen als gefährdete Tierart. Mit ihrem weißen Winterfell sind sie gut genug getarnt, sodass die Sichtungs- und Begegnungswahrscheinlichkeit zu der winterlichen Jahreszeit mittel bis gering ist.
Steinadler
Mit einer Körperlänge von bis zu 100 cm und einer Flügel-Spannweite von 210-230 cm geben Steinadler ein imposantes Bild am Himmel ab. An Gewicht erreichen sie zwischen 3 und 7 kg. Die Sichtungswahrscheinlichkeit ist mittel bis hoch, die Begegnungswahrscheinlichkeit eher gering.
Murmeltier
Der putzige Nager kommt in bis zu 2500 m Höhe überall in den Alpen vor. Besonders bei der guten Nahrungsgrundlage rund um Berghütten wird das Murmeltier bis zu 8 kg schwer und 60 cm lang. Erkennbar ist es am länglichen Körperbau mit rundlichem Schwanz und den schrillen Pfeiftönen. Die Sichtungs- und Begegnungswahrscheinlichkeit eines Murmeltiers ist relativ hoch.
Gams
Die eleganten „Ziegenartigen“ kommen in den Alpen zwischen 1000 und 3500 m Höhe vor. Sie werden bis zu 60 kg schwer und sind an ihren mittigen kleinen Hörnern, sowie ihren bemerkenswerten Kletterfähigkeiten erkennbar – stets Free-Solo und Onsight also. 😉 Die reinen Pflanzenfresser können in Rudeln von bis zu 30 Tieren auftreten – ein schöner Anblick. Gämsen gelten ebenfalls als gefährdete Arten. Da sie sich oft an exponierten Hängen aufhalten, ist die Sichtungswahrscheinlichkeit hoch und die Begegnungswahrscheinlichkeit mittel bis gering.
Reh
Oft mit der Hirschkuh verwechselt, ist das Reh eine eigene, deutlich kleinere Art. Rehböcke haben zudem ein deutlich kleineres Geweih als männliche Hirsche. Das weit verbreitete Reh wird man mit mittlerer bis hoher Wahrscheinlichkeit irgendwann mal da draußen zu Gesicht bekommen.
Wolf
Neulich in einer Doku über Wölfe in Deutschland: Es fragt der Fernsehmoderator: “Der Wolf hat ein Schaf gerissen, was sagen Sie dazu?” Es antwortet der Anwohner: “Jo mei, was soll der sonst machen, Spargel stechen?” Im Vergleich zu den “Betroffenen”, die sich den Lebensraum mit Isegrim teilen, scheint der Wolf bei den Fernsehmoderatoren gefürchteter zu sein. Da ein Bericht der Arbeitsgruppe „Wolf Alpine Group“ von 2014 für das Jahr 2012 ganze 35 Wolfsrudel und 6 Wolfspaare im gesamten Alpenbogen angab, dürfte sich die Sichtungs- und Begegnungswahrscheinlichkeit für Wanderer und andere Bergfreunde bei sehr gering einpendeln.
Luchs
Die heimische Wildkatze mit den Pinselohren ist wegen ihrer Schönheit und „Sehenswürdigkeit“ hier aufgezählt. Die Wahrscheinlichkeit, einen der etwa 130 in den deutschen Mittelgebirgswäldern umherstreifenden Luchse zu erblicken, ist ähnlich hoch wie der berühmte Lottosechser. Die theoretisch besten Chancen gibts in großen zusammenhängenden Waldgebieten wie Pfälzerwald oder Bayrischer Wald.
Wildschwein (Schwarzwild)
Wegen der steigenden Durchschnittstemperaturen werfen viele Baumarten immer mehr Samen ab. Dies bietet wiederum den Wildschweinen mehr Nahrung. Hinzu kommen weitere Faktoren wie vergrößerte Maisanbauflächen, die bei den schlauen Allesfressern zu einem „explosionsartigen Wachstum“ führten. Vor einigen Jahren wurden gar drastische Schlagzeilen formuliert – von einer „Versauung des Alpenraum“ war mehrfach die Rede. Bei ihrer Fahndung nach Bodentierchen pflügen die Schweinchen nämlich gern mal ganze Wald-, Wiesen- und Ackerareale um. Mit der üppigen Nahrungsgrundlage ist es demnach auch kein Wunder, dass Keiler (die Männchen) in Mitteleuropa bis zu 100 kg auf die Waage bringen können – und das bei einer Schulterhöhe von bis zu 120 cm! Bei solchen Exemplaren wird man wohl freiwillig respektvollen Abstand halten. Die Sichtungswahrscheinlichkeit ist mittel, die Begegnungswahrscheinlichkeit mittel bis gering – allerdings mit steigender Tendenz.
Steinbock
Die wilden Ziegen mit den großen Hörnern kommen bis in etwa 3500 m Höheüberall in den Alpen zwischen der Wald- und Eisgrenze vor. Bei einer Schulterhöhe von bis zu 90 cm erreichen die männlichen Böcke ein Gewicht von bis zu 120 kg. Leicht zu erkennen sind sie an ihren bis zu 1 m langen, gebogenen Hörnern. Ähnlich wie die Gämsen sind Steinböcke elegante Kletterer. Die Sichtungswahrscheinlichkeit mit diesen reinen Pflanzenfressern ist mittel bis hoch, die Begegnungswahrscheinlichkeit eher gering.
Rotwild
Der männliche Bulle ist der Rothirsch, während das weibliche Gegenstück als Hirschkuh bezeichnet wird. Meist in Gruppen unterwegs, verbringt das Rotwild den Winter in den niedrigen und mittleren Lagen des Gebirgswaldes. Im Sommer geht es jedoch auch mal etwas höher hinaus. Die Sichtungswahrscheinlichkeit dieser scheuen Pflanzenfresser ist mittel bis gering, die Begegnungswahrscheinlichkeit gering.
Bär(?)
Hm, trifft der Mensch „potenziell“ auf einen der etwa 50 Braunbären im Alpenraum? Schwer zu sagen. Man kann eine Bärenbegegnung jedenfalls nicht mit letzter Sicherheit ausschließen – schon gar nicht in den Hauptverbreitungsgebieten wie Slowenien und Trentino. Der Österreichische WWF gibt sogar Verhaltensempfehlungen für Begegnungen mit den brummigen Gesellen aus – nein, nicht für Kanada, sondern für Österreich. Wenn die alle nichts helfen, kann man Meister Petz immer noch auf die Unwahrscheinlichkeit dieser Begegnung hinweisen. Im Ernst, selbst wenn es zu einer extrem seltenen Sichtung oder Begegnung mit einem Bären kommt, heißt das noch lange nicht, dass objektiv akute Gefahr in Verzug ist. Auch wenn es im Fall der Fälle eventuell schwer sein dürfte, sich daran zu erinnern …
Wie verhalte ich mich richtig, wenn ich Wildtieren begegne?
Die grundlegenden Verhaltensregeln, um Tiere und Ökosystem nicht zu schädigen, sind sehr einfach zu befolgen und erscheinen den meisten Menschen bestimmt als selbstverständlich. Grundsätzlich sollte man sich darüber im Klaren sein, wer „da draußen“ nur vorübergehender Gast ist und wer „Hausrecht“ hat. Leider zeigen Spuren und Beschädigungen immer wieder, dass es zu viele Zeitgenossen gibt, die zur notwendigen Rücksichtnahme nicht fähig oder willens sind. Um eventuelle Wissenslücken zu stopfen, folgt hier das Wichtigste kurz zusammengefasst:
Auf keinen Fall sollte man Tieren nachstellen und sie gleichermaßen auch nicht aufscheuchen. Stattdessen sollte man sich mit der Beobachtung aus der Distanz oder durchs Teleobjektiv begnügen. Zu vermeiden ist generell jedes „unentspannte“ Verhalten, dass den Tieren als Gefahr für sich und den Nachwuchs erscheinen könnte. Dazu kann auch gehören, dass Wanderer, die sich in normaler Gesprächslautstärke unterhalten, plötzlich nur noch flüstern oder sich zu verstecken versuchen. Solch ungewöhnliches Verhalten kann nach Aufregung und „Alarm“ wirken und viele Tiere irritieren. Der Mensch „darf“ in der Natur also durchaus reden und sich unterhalten, doch Geschrei und jeder weitere Lärm und Krach ist möglichst zu vermeiden.
Den Stress und Energieaufwand einer eventuellen Flucht müssen die Tiere durch vermehrte Nahrungsaufnahme ausgleichen. Wenn man den Tieren zu nahe kommt, kann es statt einer Flucht auch durchaus eine Angriffsreaktion geben – die kann dann sogar bei einem niedlich und harmlos dreinschauenden Reh ziemlich ungemütlich werden.
Wer mit dem Hund unterwegs ist, hat ihn anzuleinen – nicht nur in Schon- und Schutzgebieten. Die häufig in Wegnähe zu sehenden Futterstellen für Wildtiere sollte man umgehen. In Waldgebieten und an der Waldgrenze sollte man die üblichen Skirouten, Forst- und Wanderwege nicht verlassen und Abstand zu Baum- und Strauchgruppen halten. Besonders sollte man nicht die Aufforstungen und den Jungwald betreten.
Im Winter gelten einige spezielle Regeln. Dazu gehört beispielsweise, dass Gipfel, Rücken und Grate vor 10 Uhr und nach 16 Uhr zu meiden sind. Zu den jeweils jahreszeitlich angepassten Verhaltensregeln für ein natur- und wildverträgliches Unterwegssein gibt der Deutsche Alpenverein umfassende Infos. Darin finden sich auch weitere Tipps für Anreise, Tourenauswahl und Tourenplanung.
Was tun bei verletzten Wildtieren?
Verletzte Wildtiere kenne ich bislang nur aus Filmen. In denen löst der Held das Problem meist per Gnadenschuss. In der heimischen Berg-Realität läuft das aber eher etwas anders ab. Hier stehen wir Nichtexperten beim Anblick eines verwundeten oder kranken Tieres nämlich hilflos da. Wahrscheinlich kommt dabei auch der Gedanke auf, einfach weiter zu gehen, da man „ja eh nichts machen kann“. Ganz abgesehen davon, dass nicht nur das Abschießen, sondern auch die „Entnahme“ von Wildtieren aus der Natur für Ottonormalbürger verboten ist.
Das Tier selbst behandeln zu wollen, ist für Nichtexperten selten eine gute Idee. Das Tier wird den Hilfeversuch womöglich „nicht richtig verstehen“ und sich heftig zur Wehr setzen. Das kann selbst bei kleineren Tieren für den „Retter“ gefährlich werden. Wirklich ungefährliche Kleintiere kann man unter Umständen in einem Karton zu einer Wildtierauffangstation oder zum nächsten Tierarzt bringen. Hierbei kann es dann jedoch zu Komplikationen hinsichtlich der Behandlungskosten kommen.
Es gibt sehr viele Stellen und Ansprechpartner, die für verletzte Wildtiere zuständig sind oder sein könnten. Dazu gehören Naturschutzbehörden, Tierschutzvereine, Jagdbehörden und Jagdpächter. Doch gerade die große Zahl an Möglichkeiten ist das Problem, denn kaum jemand wird sich vermutlich vor einer Tour die Mühe machen, Telefonnummern zu recherchieren und einzuspeichern. Und wenn es dann an der Fundstelle des verletzten Tieres kein mobiles Internet gibt, lässt sich das Recherchieren auch nicht mehr nachholen. Insofern sollte man es zuerst bei der Polizei versuchen, die im Fall von Verkehrsunfällen auch direkt zuständig ist. Für den Überblick über alle mögliche Fälle und Situationen ist dieser Artikel des Zooroyal Magazins sehr hilfreich.
Fazit
Langweilig wird es einem im Wald oder am Berg sicher nicht. Und das liegt nicht nur an der Aktivität, oder der Aussicht, sondern auch an den Wildtieren. Wir hoffen, diese Übersicht konnte Euch einen kleinen Einblick in die wilde Tierwelt vor unseren Haustüren geben. Wir freuen uns, wenn ihr uns in den Kommentaren Eure Erfahrungen und Begegnungen mit Tieren hinterlasst. Oder habt Ihr sogar ein Tier gesichtet, dass wir komplett vom Radar haben, Ihr aber findet, dass es unbedingt genannt werden muss? Lasst es uns auch hier gerne in den Kommentaren wissen! – Wir sind gespannt!