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Gear-Tipp: Camp Ball Nuts – Klemmgerät

Inhaltsverzeichnis

Camp - Ball Nuts - Klemmgerät
Camp – Ball Nuts – Klemmgerät

Manchmal kommt es vor, da werden uns Gear-Tipps eingereicht und da fragt man sich schon, ob der Autor a) der Entwickler selbst war, b) der Autor zu viel Zeit hat oder c) hier jemand mit ganz viel Herzblut bei der Sache war.

In diesem Fall war es definitiv c) , denn Bergfreund Egor hat schon mal einen Gear-Tipp geschrieben und Tradclimbing ist einfach seine Leidenschaft.

Dieses Mal referiert er über die Ball Nuts von Camp. Und da er so viel geschrieben hat, gebe ich auch gleich weiter und halte Euch nicht länger auf.

Vorteile

 

  • Rel. hohe Festigkeit (8kN)
  • Schmaler Kopf
  • Min. Rissbreite 3mm
  • Gewohnte Bedienung
  • Gute geometrische Anpassung
  • Wandern nicht in den Riss
Nachteile

 

  • Anfällig für Transportschäden
  • Nach Sturz schwer zu entfernen
  • Zu dicke Schläuche auf Nr.1 & 2
  • Zu scharfe Oberkante (rundfeilen!)

Warum nicht einfach die guten alten Friends­*?!

Wenn von aktiven, also federgetriebenen, Klemmgeräten gesprochen wird, denken die meisten sofort an Friends und Co. Friends sind schon lange auf dem Markt und so ziemlich formvollendet, passen sich gut an den Riss an und haben gute Festigkeitswerte. Doch gilt das wirklich uneingeschränkt?
So wie Friends bei sehr weiten Rissen unnötig schwer und klobig werden (dafür gibt’s die Big Bros von Trango), verlieren sie bei sehr schmalen Rissen konstruktionsbedingt an Festigkeit und Anpassungsfähigkeit.  Auch das Verhältnis von passender Rissbreite und Achsenlänge eines Friends wird bei den kleinen Größen immer ungünstiger. Diese Mängel sind bei allen Herstellern durchweg anzutreffen, weil sie durch das grundlegende Funktionsprinzip bedingt sind – die Achse!

Der Achsdurchmesser begrenzt die Anpassungsfähigkeit des Friends nach unten hin. Macht man die Achse dünner, leiden die Festigkeitswerte darunter.  Will man die Achse kürzer machen, um ein besseres Kopfbreitenverhältnis zu erreichen, müssen die Klemmsegmente und Federmechanismen schmaler gestaltet werden (Black Diamond – Camalot X4, Totem – Basic Cam …), was auch irgendwann an Festigkeitsgrenzen stößt. Natürlich kann man auch Klemmgeräte mit nur drei Segmenten herstellen (Black Diamond – Camalot C3, DMM – 3CU …), aber auch diesem Konzept sind nach unten hin Grenzen gesetzt.

Ball Nuts – Die Lösung für Schmale Risse unter 10mm

All die Probleme, die die Friends bei schmalen Rissen bekommen, plagen den Ball Nut nicht, weil er auf einem anderen Funktionsprinzip beruht und deshalb keine Achse hat! Die nächst kleinere konstruktive Hürde nach der Achse ist die Drahtschlinge, die ca. 3mm dick ist, und genau das ist auch die minimale Rissbreite, die man mit Ball Nuts abdecken kann – 3mm!!! (bei einer Festigkeit von 8kN!)  Auch die Kopfbreite der Geräte ist im Vergleich zu Friends wesentlich schmaler:

Ganz schön schmal
Ganz schön schmal

Kopfbreite Nr.1:              14mm
Kopfbreite Nr.2:              18mm
Kopfbreite Nr.3:              20mm
Kopfbreite Nr.4.              22mm
Kopfbreite Nr.5:              23mm

Dies erlaubt es, Ball Nuts in Löcher zu legen, die etwas näher an der Kreisform dran sind, als diejenigen, die mit Friends noch abzusichern wären. Ein eindeutiger Vorteil, kommen doch im Kalk runde Löcher am häufigsten vor.
Die schmale Kopfform ermöglicht auch die Platzierung in sehr seichten Rissen, was zumindest fürs technische Klettern interessant sein dürfte. Als Vorstiegssicherung sollte man solche Platzierungen mit äußerster Vorsicht genießen: hier droht bei Sturzbelastung der Ausbruch der Felskante!  Trotzdem: es ist nett, die Möglichkeit zu haben, und je nach Gesteinsqualität hält die Risskante vielleicht doch…

Ein weiterer Vorteil gegenüber Friends ist es, dass Ball Nuts bei Seilbewegung nicht tiefer in den Riss wandern, sie verhalten sich nach dem legen eher wie Klemmkeile. Wenn man sie nicht all zu fest setzt, können sie sich nachträglich ein wenig in die Zugrichtung drehen. Das ergibt sehr sichere Platzierungen.

Wie funktioniert es? – Das Schiebekeil-Prinzip

Per Feile Abgerundete Oberkante zum leichteren Entfernen des Geräts
Per Feile Abgerundete Oberkante zum leichteren Entfernen des Geräts

Das Gerät funktioniert nach dem Schiebekeil-Prinzip. Der lasttragende Aluminiumkeil befindet sich über der Halbkugel, die wie eine künstliche Rissverjüngung wirkt. Sie wird vom Federmechanismus unter den Keil geschoben, um eine gewisse Anfangshaftung zu gewährleisten. Bei einem Sturz wird der Keil dann immer stärker zwischen Wand und Halbkugel getrieben, wodurch auch die Haftreibung zwischen Fels und Metall ansteigt. Der gewölbte Teil der Halbkugel ist sehr glatt, wodurch die Reibung zwischen Keil und Halbkugel minimiert wird, während die flache Seite der Halbkugel aus weichem Kupfer besteht, das sich regelrecht in die Wand schmiegt.
Das Gegenstück zum Keil halbkugelförmig zu gestalten, ist ein weiterer Geniestreich: ihre Form ermöglicht es der Halbkugel, sich in alle Richtungen zu drehen und sich so perfekt an die Neigung der Felsoberfläche anzupassen. Leichte Offset-Risse sind damit kein Problem! Zusätzlich wird die Halbkugel durch einen passgenauen Kanal am Keil geführt, sodass sie nicht zur Seite herausrutschen kann.

Transport, Handling, Platzierung

Beim Transport zeigt sich eine Schwäche der Ball Nuts: der dünne Draht, an den die Halbkugel gelötet ist, darf auf keinen Fall geknickt werden! Er bildet die Führung der Halbkugel in unbelastetem Zustand. Deshalb vermeide ich es, meine Ball Nuts zusammen mit anderer Hardware in den Rucksack zu schmeißen, sondern habe eine zusätzliche Tasche dafür, die im Rucksack ganz nach oben oder sogar ins Deckelfach kommt.

Weiche Kupferseite der Halbkugel, dahinter der Führungskanal im Keilkopf
Weiche Kupferseite der Halbkugel, dahinter der Führungskanal im Keilkopf

Am Gurt hängen meine fünf Ball Nuts alle zusammen an einem großen Schnapperkarabiner. Gerade bei den kleinen Größen verschätzt man sich doch mal gerne und ist froh, nicht nochmal an den Gurt greifen zu müssen.

Das einhändige Raussuchen des richtigen Geräts am Karabiner ist etwas fummeliger als bei Keilen, weil die Geräte etwas sperriger sind, aber schlimm ist es nicht. Das Spannen des Federmechanismus funktioniert so wie bei den meisten Friends auch und bedarf keiner besonderen Eingewöhnung. Spannen, Reinschieben, Entlasten – der Ball Nut hängt im Riss. Umgreifen an das übrige Klemmgeräte-Bündel und in Belastungsrichtung festrupfen – ganz wie bei Klemmkeilen.

Das Entfernen ist, wenn keine Sturzbelastung aufgetreten ist, kein Problem. Durch gleichzeitiges Ziehen am Federmechanismus und Schieben des lasttragenden Keils nach oben lassen sich die Geräte meistens lösen. Zusätzliches drehen (+/-20°) des Geräts an der Schlinge um die Halbkugel herum hilft bei hartnäckigeren Fällen. Nach einem Sturz jedoch braucht man mindestens ein Nuttool, am besten auch einen Hammer! Das Nuttool wird an der unteren Seite des Keils aufgesetzt und wie ein Meißel mit dem Hammer bearbeitet. Das funktioniert bei den kleineren Größen sehr schlecht, weil der Keil unten kaum eine Angriffsfläche bietet.

Verarbeitung, Modifizierungen

Die Geräte sind anständig verarbeitet und machen einen wertigen Eindruck, da kann man nicht meckern.

Egor unser Gear-Tipp-Autor
Egor unser Gear-Tipp-Autor

Zum Erleichtern des Lösens der Klemmgeräte habe ich die oberen, ursprünglich relativ scharfen Kanten etwas rundgefeilt (rmax=1mm), so bleiben sie beim Entfernen nicht an kleinen Kristallstrukturen hängen.
Außerdem habe ich noch die vorderen Teile der Kunststoffummantelung der kleinsten zwei Geräte mit Schrumpfschlauch bzw. Isolierband ersetzt. Die originalen Kunststoffschläuche, die über die Drähte gestülpt sind, sind relativ dick, bei Nr. 1 und 2 sogar dicker als der Klemmkopf, sodass sie beim Legen stören.

*Der Begriff „Friend“ wird hier als Sammelbegriff für alle aktiven Klemmgeräte verwendet, die sich das Prinzip der logarithmische Spirale zunutze machen, unabhängig des Herstellers oder der Anzahl der verwendeten Achsen. Die FriendsTM von Wild Country waren die ersten ihrer Art.

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Bergfreundin Wiebke

Ein sonniger Tag (nicht zu heiß, nicht zu kalt), an einem schönen Kletterfels nicht zu voll, nicht zu leer, mit lieben Freunden und Hund. Was kann es schöneres geben. (außer siehe Kaiserschmarren).

1 Kommentar zum Artikel

  1. Dieter 18. Mai 2021 14:37 Uhr

    Hallo, Habe auch 3 Ballnuts.Das Prinzip ist mir klar. Was ich nicht verstehe ist die Tatsache,dass man die Halbkugel höchstens 2/3 herausziehen sollte beim legen. Das sehe ich im Zweifel nicht, wenn ich die Geräte lege. Kannst Du mir sagen warum das so sein sollte? Auf den Viedeos im Netz habe ich nicht den Eindruck, dass sich die Kletterer daran halten. Könnte es sein, dass bei voll angezogen Kabel die Gefahr besteht die Geräte in Risse zu legen, die zu eng sind und sich die Kugel dann nicht mehr verschieben kann. Über eine Antwort würde ich mich freuen.

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