Ein leichtes, schnitt- und stichfestes Gewebe, verwendbar für schusssichere Westen, feuerfeste Verstärkungen oder Beschichtungen für Flugtriebwerke: auf den ersten Blick eignet sich Aramid mit seinem Handelsnamen Kevlar eher für Superheldenkostüme als für den Outdoor-Breitensport. Doch die Eigenschaften dieses ganz speziellen Materials lassen sich für viele Outdoorprodukte nutzen – von Handschuhen über Hosen, Helme und Rucksäcke bis hin zu Reepschnüren. Auf jeden Fall lohnt es sich, diesen Kunststoff mal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Was ist Aramid?
Salopp gesagt ist Aramid eine Unterart der Polyamide und damit ein weiterer der zahlreichen Kunststoffe, die auf Erdöl-bzw. Kohlenwasserstoffbasis hergestellt werden. Bei Wikipedia klingt die Definition präziser, aber auch sperriger:
„Aramide, auch Polyaramide oder aromatische Polyamide genannt, sind Polyamide, bei denen die Amidgruppen an aromatischen Gruppen gebunden sind. Aramide zählen zu den Flüssigkristallpolymeren (FKP). Die wichtigsten Typen sind Poly(p-phenylenterephthalamid) (PPTA, Handelsnamen: Kevlar, Twaron) und …“
Warum die Dinger „aromatisch“ genannt werden? Gute Frage! Es liegt tatsächlich daran, dass diese Stoffgruppe (zumindest in Teilen) gern intensive, oft als angenehm empfundene, (Duft)Aromen freisetzt. Doch wir sind weniger am Geruch, sondern eher an den funktionalen Eigenschaften interessiert. Und von diesen Eigenschaften gibt es so einige, auf die wir im Folgenden noch näher eingehen werden.
Zuvor aber erstmal noch ein paar Infos zu der Schmiede von Aramid: Mitte der Sechziger Jahre forschte man beim amerikanischen DuPont Konzern intensiv an der praktischen Verwendbarkeit von Aramiden. Dabei wurde Kevlar, die bekannteste Aramidfaser, enwickelt und zur Produktstreife gebracht. Kevlar dürfte der einzige Handelsname sein, der Bergfreunden eventuell schon einmal zu Ohren gekommen ist, denn diese Aramidfaser wird auch in Outdoor- und Bergsportprodukten verarbeitet. Genauer gesagt findet man in diesem Bereich nur Kevlar, weshalb wir uns in der weiteren Betrachtung auch hauptsächlich auf diese Markenfaser konzentrieren. Andere Aramidprodukte wie Nomex, Teijinconex, Twaron oder Technora sind eher für Modellsportfreunde, Feuerwehrleute, Soldaten und Astronauten interessant…
Herstellung von Aramid
Vielfältig und komplex – so könnte man die Herstellungsverfahren von Aramiden zusammenfassen. Hauptsächlich werden sie als Fasern, seltener als Folien, hergestellt. In der Werkstoffkunde unterscheidet man Niedermodul- und Hochmodulfasern, deren funktionalen Eigenschaften etwas voneinander abweichen.
Hochmodulfasern werden „aus einer flüssigkristallinen Lösung von polyparaphenylenen Terephthalamiden in konzentrierter Schwefelsäure versponnen. Nach der Oberflächenbehandlung werden HM-Fasern zusätzlich mechanisch gereckt, wobei ein hoher Orientierungsgrad der Einzelfibrillen erreicht wird.“ Der „hohe Orientierungsgrad“ ist als sehr saubere Musterung der Fasermatrix sichtbar. Die exakte Geometrie ist für Aramidgewebe ebenso charakteristisch wie die goldgelbe Farbe. Damit sind wir auch schon bei den Eigenschaften angekommen.
Eigenschaften
In der Eigenbeschreibung ihres Kevlar-Produktes hebt die Firma DuPont hervor, dass man mit diesen Fasern „besser, fester und sicherer“ unterwegs sei: „Sie werden dazu verwendet, Kleidung, Zubehör und Ausrüstung sicher und schnittfest zu machen. (…) Sie werden ebenso auf Skihängen, Bahnstrecken, in anspruchsvollen Wüstengebieten, ja sogar in den unendlichen Weiten des Alls eingesetzt.“
Der breite Einsatzbereich kommt durch die hohe (Zug)Festigkeit, hohe Schlagzähigkeit, hohe Bruchdehnung, gute Schwingungsdämpfung und Hitzebeständigkeit der Aramide zustande. Statt zu schmelzen, beginnen sie erst bei etwa 400 °C zu verkohlen. Auch Lösungsmittel, Kraftstoffe, Schmiermittel, Salzwasser sowie Pilze und Bakterien können den Aramidfasern nicht viel anhaben. Lediglich von einigen starken Säuren und Laugen werden sie angegriffen. Man könnte entsprechend sagen, dass das Zeug wirklich hart im Nehmen ist.
In Sachen Druckfestigkeit liegen Aramidgewebe allerdings nur im Mittelfeld der Kunststoffe; bei UV-Beständigkeit und Wasseraufnahme (bis zu 7 %) schneiden sie sogar ziemlich schlecht ab. UV-Einstrahlung führt relativ schnell zu einem Verlust der Festigkeit. Dem lässt sich jedoch mit UV-absorbierenden Deckschichten bzw. einer Verarbeitung als Laminat relativ einfach entgegenwirken. Generell ist Aramid gut kombinierbar mit anderen Stoffen, wodurch sich die Funktionalität in viele Richtungen optimieren und erweitern lässt.
Verwendung
Die speziellen Eigenschaften prädestinieren Aramid für eine große Bandbreite an Verwendungen. So kommt es zum Beispiel in der Industrie und im Bauwesen in unzähligen Teilen zum Einsatz. Im Sport- und Outdoorbereich werden besonders die Zähigkeit, Zugfestigkeit und das geringe Gewicht des Materials geschätzt. Aramidfasern werden so zum Beispiel in Reepschnüren, Fangleinen für Gleitschirme, Segeln, Fahrradreifen usw. verwendet.
In Textilien dienen Kevlar-Elemente vor allem als Verstärkungen, die den Körper schützen und die Lebensdauer der Kleidungsstücke erhöhen. Besonders beliebt sind die Kevlar-Verstärkungen bei Fahrrad-, Motorrad- und Rennsportkleidung sowie an besonders beanspruchten Stellen von Outdoorhosen und Rucksäcken. Als Nähte kommen Kevlarfasern in Klettersteig- und Skihandschuhen zum Einsatz.
Mit der Zähigkeit des Materials geht allerdings eine gewisse Steifheit einher, die besonders im Outdoorbereicht nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile mit sich bringt. Anschaulich wird das am Beispiel der relativ neuartigen Kevlar-Reepschnüre, die es auch als fest vernähte Schlingen in verschiedenen Größen gibt. Sie bestehen im Kern aus Aramid, während sich der Mantel, wie bei „normalen“ Reepschnüren und Seilen, aus Polyamid zusammensetzt. Der Aramidkern ist bräunlich und so vom herkömmlichen, blendend weißen Polyethylenkern des üblichen Schnur-, Seil- und Bandmaterials leicht zu unterscheiden.
In der Ausgabe 5/2014 des DAV Panorama Magazins wurden als Vorteile die hohe Festigkeit und hohe Kantenschnittfestigkeit hervorgehoben. Hinzu kommen eine besondere Abriebfestigkeit, hohe Hitzbeständigkeit und eine Zugfestigkeit, die weit über der von Polyamidschnüren liegt. Kevlar-Reepschnüre bieten bei gleichem Durchmesser auch eine weitaus höhere Bruchlast als herkömmliche Reepschnüre.
Als Nachteil nennt das Panorama Magazin die, im Vergleich zu reinen Polyamidschlingen, größere Mantelverschiebung. Außerdem ist „das quasi-statische Material … nicht geeignet zum Sichern für dynamische Belastungen (Vorstieg).“
Wegen der Steifheit ist Kevlar nicht als Material für Bandschlingen geeignet und wegen der fehlenden Elastizität (genauer: Bruchdehnung) nicht als Seilmaterial. Die Steifheit wird jedoch zum Vorteil, wenn die Kevlarschlinge zum Fädeln enger Sanduhren, oder für eine Abalakow-Eissanduhr zum Abseilen verwendet wird.
Fazit
Wenn es auf Stabilität, Strapazierfähigkeit, Langlebigkeit und Sicherheit ankommt, ist Aramid/Kevlar ein kaum zu übertreffendes Material. Seine spezifischen Eigenschaften erweisen sich im Bereich Outdoor und Bergsport in bestimmten Verwendungen und Situationen als vorteilhaft, in anderen wiederum nicht. Seine Verwendungsmöglichkeiten sind hier nicht ganz so vielseitig wie in Rad- und Motorsport, Arbeitsschutz und anderen Bereichen.
1 Kommentar zum Artikel
Eine starke Hose würde sie nicht mehr hergeben.