Die Nordwand des Matterhorns (4478 Meter) zählt zu den drei großen Nordwänden der Alpen (Eiger, Matterhorn, Jorasses) – Flo (22) und ich (23) zählen zu den drei großen Assis des DAV Expeditionskaders (Julian: 190 cm, Flo: 185 cm, Fritz: 184 cm). So gesehen müsste das passen mit der Nordwand und uns.
Flo denkt weniger logisch, setzt sich aber trotzdem gleich in Immenstadt in den Zug und kommt nach Reutlingen, als ich ihn frage, ob er Bock hat. Spät abends ist er da, nachts geht’s dann gleich weiter, morgens sind wir in Zermatt, nachmittags dann ziemlich müde an unserem Tagesziel, der Hörnlihütte auf 3260 m.
Keine Hüttenromantik…
Denkt jetzt bitte nicht an Hüttenromantik am Matterhorn oder so. Die Hütte hat zu – zum Glück. Der Winterraum hat offen und ist wie immer ziemlich dreckig. Das passt gut zum Bild, das viele Alpinisten vom Matterhorn haben – ein abgefuckter Bruchhaufen. Im Winter und im Frühjahr aber, wenn Schnee liegt, ist das Horn ein Berg. Einsam, sauber.
Schnee liegt noch relativ viel. Wir merken das, als wir am nächsten Tag zum Einstieg der klassischen „Schmid-Führe“ spuren. Unsere Spielsachen (Seile, Karabiner usw.) haben wir dabei und klettern so schon einmal ein bisschen in die Wand hinein. Nur zum Gucken, nur, um Nordwandluft zu schnuppern.
Tag drei, drei Uhr morgens. Raus aus den Schlafsäcken, hinein ins Abenteuer. Noch bei Dunkelheit überwinden wir den Bergschrund und steigen in die Wand ein. 1100 Höhenmeter durch Fels, Eis und Schnee liegen vor uns. Jeder Schritt, jeder Zug erscheint so gering, gemessen an den Dimensionen dieses Berges. Und doch, als die Sonne aufgeht, haben wir schon ein ganzes Stück geschafft und blicken gespannt in den steilen Mittelteil der Nordwand. Brüchiger Fels erwartet uns. Zum Teil vereist, zum Teil verschneit, zum Teil beides. Ab und zu treffen wir auf alte Haken, die meist nicht so recht in den Fels wollten. Manchmal passt ein „Friend“ in irgendeinen Riss. Trotzdem: stürzen ist hier nicht. Wir klettern deshalb möglichst kontrolliert, nicht möglichst schnell. Zeit haben wir genug.
…Bruch-Route
Verglichen mit der Eiger-Nordwand ist die Route ziemlich eintönig. Es fehlen die Highlights, die Akzente. Stattdessen immer die gleiche Scheiße: Bruch, Bruch mit Schnee, Bruch mit Eis, Bruch mit Schnee und Eis. Es liegt also an uns, Akzente zu setzten. Werfen wir doch mal eine Eisschraube die Wand hinunter. Das war noch nichts? Ok, dann eben ein Eisgerät! Na also, geht doch. Wenn wir jetzt noch mal ein Gerät verlieren, wird es richtig lustig…
Das Zeug hat sich übrigens ohne unser Zutun aus den Ice-Clippers (fixierte Materialkarabiner) ausgehängt. Man kann aber auch mit einem Gerät ganz gut klettern.
Im letzten Drittel der Wand scheint die Route nicht mehr genau definiert zu sein. Flo und ich klettern irgendwie durch die Pampa Richtung Italienergipfel. Es folgen anspruchsvolle Felslängen, zwischendurch leichtes Gelände, dann wieder beängstigend loser Fels. Und es zieht sich. Allzu gut akklimatisiert sind wir auch nicht.
…und schlechtes Wetter
Was braucht es noch für ein echtes Nordwandabenteuer? Genau, schlechtes Wetter. Am Italienergipfel angekommen, graupelt es bereits ziemlich stark, am Schweizergipfel ist die Sicht dann weg, beim Abseilen ist das ganze Horn schön weiß. Trotzdem freuen wir uns. Das ist Alpinismus! Wir wollten eine Schlacht mit dem Berg. Jetzt haben wir sie. Am Hörnligrat liegt noch tiefer Schnee. Ungespurt – es war schon eine ganze Zeit keiner mehr oben auf dem Berg der Berge. Wir klettern zurück und seilen ab.
Schnee in der Hütte
An der Solvay-Hütte, der Biwakschachtel auf 4003 m, soll Schluss sein für heute. Es ist schon fast dunkel, als wir die Tür aufstoßen. Sie geht ein bisschen schwer. Klar, schließlich liegt innen meterhoch der Schnee. Das ist wirklich praktisch. Wir müssen also schon nicht mehr raus vor die Hütte, um Schnee zum Schmelzen zu holen. Doch wie kam der Schnee ins Innere? Durchs Plumpsklo wurde er in die Hütte geblasen. Liebe Kinder, deshalb immer die Klotür zumachen!
Sonnenschein und Zufriedenheit
Am nächsten Tag steigen wir weiter ab. Die Sonne knallt. Auf den letzten Metern zur Hütte ist der Schnee bereits derart durchfeuchtet, dass wir mit jedem Schritt tief einsinken. Bis nach Zermatt abzusteigen wäre unter diesen Umständen eine unnötige Quälerei. Stattdessen sonnen wir uns, essen, lassen die Füße an die Luft. Füße? Da war doch was. Das Matterhorn war für mich der erste nennenswerte Alpintrip nach meinen Erfrierungen an den Zehen, Übergewicht und zähem Aufbautraining. Es hat geklappt.
Fotos: Fritz Miller
6 Comments on the Article
Sind sog. Kadermitglieder etwas besonderes? Können diese fliegen? Es gibt unzählige Bergsteiger, die kein Aufheben machen, wenn sie extreme Touren wiederholen. Ich schließe mich Philipp an und ein wenig mehr Respekt und Demut helfen am Berg. Mein lieber Freund Hans Bärnthaler war bei seiner Winterbesteigung für 4 Tage eingeschlossen. Vielleicht hilft mein Taschenbuch „ In 25 Sekunden zurück ins Leben“ die Sicht zum Klettern etwas zu schärfen. Trotzdem weiterhin Berg Heil.
Geiler Bericht! @Philipp: Mimimimimi! ;-)
Ich denke der Berg verdient einen gewissen Respekt von dir und nicht eine solch abwertende Art und Weise. Wenn dir die gewissen Aspekte in der Wand gefehlt haben, solltest du deine Sicht überdenken. Seit langem der schlechteste Bericht den ich lesen musste....
Hallöchen! Ich würde gerne wissen was man für Ausrüstung im Winter braucht, für diesen Berg??!! Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen, vielen Dank im Voraus! LG Irina
Gerne lese ich Berichte von Matterhorn-Nordwandbegehern. Gratulation zu Eurer Besteigung. 1975 war leider die gesamte Wand von dem schlechten Wetter der Vortagen mit einer Eisschicht überzogen. Wir mussten bis zum Gipfel mit Steigeisen klettern. Zusammen mit Kurt Ringhofer aus Schladming und einer Seilschaft aus der Schweiz brauchten wir wegen den schlechten Verhältnissen in der Wand 36 Std. mit einem Biwak in der Wand. Viel Glück in den Bergen Rudi
Sehr lässiger Bericht - weiter so!