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Psychologie im Sport Teil 1: Bewusstsein und Kognition

Inhaltsverzeichnis

Ab dem Tag unserer Geburt entwickelt sich unsere eigene Psyche durch die Interaktion unseres Körpers mit der Umwelt. Jeder Sinneseindruck formt ein neues Bild in unserem Gehirn und kann sich lang- oder kurzfristig halten. Beim Sport zum Beispiel existieren herausstechende Gefühle. Die euphorische Seite, das Gefühl, ein besonderes Ziel erreicht zu haben oder das gute Gefühl, wenn man etwas überwunden hat.

Gegensätzlich erfährt man aber auch die frustrierende, depressive Seite in Form von Angst oder Anspannung. Angst vor etwas zu haben, das einem nicht ganz geheuer ist, ist ein Schutzmechanismus. Dieses Gefühl schützt uns bei der ersten steilen Abfahrt, besonders ausgesetzt sein beim Klettern oder Bergsteigen vor schweren Unfällen. Aber sie existiert auch beim Versuch, eine Schwierigkeit am Rande der persönlichen Leistungsfähigkeit zu überwinden.

Diese gegensätzlichen Empfindungen entstehen meist ohne eine große Reflexion der eigenen Situation und können auch parallel ablaufen. Als Reaktion darauf wird entweder eine verstärkende Schlussfolgerung: „Das hat sich so gut angefühlt, das zu schaffen. Das mache ich jetzt noch einmal!“ getroffen, oder gegenteilig eine abschwächende: „Ich hatte richtig Angst davor. Das mache ich nie wieder“.

Kletterer an einer Felswand
Aus extremen Situationen kommt man meistens mit starken Emotionen: Entweder Angst oder Glück.

Das Besondere unserer Wahrnehmung ist, dass diese Gefühle hochgradig individuell sind. Auch wenn deine Sportpartnerin oder dein Sportpartner dein Gefühl in einer Situation selbst gut nachempfinden kann, wäre ihr oder sein Erlebnis in derselben Situation wahrscheinlich ein anderes.

Denn wie wir in diesem Artikel lernen werden, ist die Reaktion auf eine objektiv gleiche Situation von Person zu Person unterschiedlich. Zudem erfährst du den Unterschied zwischen dem Erleben einer Situation und dem bewussten Erleben davon. Dieser erste Teil unserer dreiteiligen Psychologie Reihe befasst sich mit den wahrnehmungsbezogenen Faktoren der Kognition und des Bewusstseins. Sie bilden das Grundgerüst, um sich im Sport mit bestimmten psychologischen Erfahrungen auseinanderzusetzen und sich auf die sportliche Aktivität vorzubereiten.

Kognition

Der Begriff Kognition bedeutet so viel wie „erkennen“ oder „erfahren“. In Bezug auf den menschlichen Körper summiert dieser Begriff viele Teile, die notwendig sind, um unser Bewusstsein zu füttern. Sie beinhaltet die Verarbeitung aller kontinuierlich auf uns einprasselnden Sinneseindrücken aus der Außenwelt und unserem eigenen Körper. Zusätzlich ist sie für die Abspeicherung dieser Erfahrungen verantwortlich.

Die Kognition bildet die Seite unseres Bewusstseins, welche die objektive Seite unseres Denkens bildet, der Großteil der Menschen wird hier von den gleichen Erfahrungen berichten. Zum Beispiel wird dir jede Person, die bereits vor einem vor Tiefe klaffenden Bergrat stand, von einer einfrierenden Tiefe des Abgrunds berichten. Aber einige berichten dir von einem positiven Erlebnis der erfolgreichen Überschreitung. Andere aber von einem erdrückenden, negativen Gefühl und der Entscheidung lieber umzukehren.

In der Erklärung, wie diese Entscheidungen und Lernprozesse ablaufen, ist die Wissenschaft von Kognition und Bewusstsein noch in den Anfängen. Die Kognitions- bzw. Neurowissenschaft existiert erst seit circa Mitte des 20. Jahrhunderts. Davor haben sich die Philosophen sehr stark damit befasst, was viele spannende Theorien zum Vorschein brachte.

Deshalb existieren noch viele unterschiedliche Meinungen und Erklärungen. Im groben bilden drei Pfeiler unsere Kognition.

3 Pfeiler der Kognition

Wahrnehmung (der Umwelt)

Wir sind mit vielen Sinnesorganen ausgestattet, welche uns erlauben, die Welt zu sehen, riechen, hören, fühlen, schmecken (Exterozeption). Neben den Großen Fünf gibt es zum Beispiel auch den Gleichgewichtssinn. Er erlaubt uns, oben und unten zu unterscheiden, selbst wenn wir die Augen geschlossen haben und erlaubt uns, sich unfallfrei in unserer Umgebung zu bewegen. Über die Exterozeption nehmen wir die Umwelt wahr, in der wir uns bewegen, können Hindernisse erkennen und spüren, wie sich Oberflächen anfühlen.

Wahrnehmung (des eigenen Körpers)

Kletterin am Fels
Die innere Wahrnehmung (Interozeption) ist wichtig um die eigene Leistungsfähigkeit einzuschätzen.

Auch das Innere unseres Körpers gibt uns eine Rückmeldung über den Zustand unserer Muskeln, Organe und auch unserer Bewegungen. So unterstützen uns Sensoren in der Muskulatur beim Erhalt des Gleichgewichts. Innere Sensoren werden uns am ehesten bewusst, wenn wir eine Verletzung haben oder etwas Verdorbenes gegessen haben.

Diese Wahrnehmung nennt sich Interozeption und ist eben aber auch für das Bewegungsgefühl wichtig. Sie erlaubt es in uns „hineinzuhören“, ob man sich ausreichend aufgewärmt hat, ob die Muskeln bereit sind für die Bewegung, die wir gerade ausführen. Die Bewertung dieser Empfindungen finden meist aber in unserem Bewusstsein statt. Außer beispielsweise die Entscheidung des Körpers, sich von verdorbenem Essen zu befreien. Hier können wir uns nicht bewusst dagegen entscheiden…

Gedächtnis

Die Fähigkeit, sich Situationen zu merken, macht uns zu einem intelligenten Lebewesen. Nach der Verarbeitung von wahrgenommenen Signalen und können wir diese einordnen. Auf dieses Wissen können wir dann zugreifen und auf die Zukunft schließen. Zum Beispiel nach dem Neulernen von Bewegungen, wir wissen dann welche Bewegung in einer ähnlichen Situation wahrscheinlich zum gewünschten Erfolg führen und welche nicht.

Exekutive Funktionen

Sie sind die Grundlage für alle Handlungen, die nicht gewohnheitsmäßig ausgeführt werden. Immer dann, wenn du etwas in deinem Verhalten und Denken verändern möchtest, arbeitest du mit diesen Fähigkeiten unseres Gehirns. Sie werden also aktiv, wenn du dich bewusst mit etwas auseinandersetzen möchtest.

Zum Beispiel, wenn du dir ein bestimmtes Ziel setzt und planst, wie du es erreichen kannst. Zudem ist es bis hin zur motorischen Kontrolle mit deinen Handlungen vernetzt. Der wahrscheinlich komplexeste Teil der Kognition, der auch sehr schwierig von dem Begriff des Bewusstseins zu trennen ist.

Bewusstsein: Der Unterschied zwischen Sehen und Beobachten

Die Kognition füttert unser Bewusstsein mit Sinneseindrücken, auf welche wir mehr oder weniger stark achten können.

„Menschen verfügen über die bemerkenswerte Fähigkeit, gleichzeitig zu wissen und nicht zu wissen. Oder genauer gesagt, sie können etwas wissen, wenn sie wirklich darüber nachdenken, aber die meiste Zeit denken sie nicht darüber nach, und deshalb wissen sie nicht.“ – -Yuval Harari (21 Lektionen für das 21. Jahrhundert)

Dieses Zitat zeigt hervorragend, dass wir uns nicht immer alles bewusst machen, beziehungsweise nicht über all unser Tun nachdenken. Entweder weil wir es noch nicht besser wissen können oder aus purer Faulheit, da vieles auch unbewusst abläuft. Jeder Sinneseindruck formt ein neues Bild in unserem Gehirn.

Mann beim Trailrunning
Die selektive Wahrnehmung hilft beim Sport sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Zu entscheiden welches Bild abgespeichert wird und erhalten bleiben soll kostet Energie, deshalb werden einige Informationen herausgefiltert und ignoriert. Meist wissen wir nicht so genau, warum wir etwas herausfiltern, da dieser Prozess automatisch abläuft.

Natürlich sind wir nicht vollständig unseren automatisierten Mustern ausgesetzt und können uns auch für oder gegen etwas entscheiden, wir müssen uns aber bewusst und willentlich damit auseinandersetzen. Da dieser Prozess, wie gesagt, Energie kostet, ist das nicht immer ganz einfach.

Um diesen Unterschieden zwischen „sehen und beobachten“, „betrachten und wahrnehmen“ und „dem da sein und voll da sein“ genauer zu beschreiben ist die Metapher des Bewusstseins mit einer sich fortschreitenden Linsentrübung des Auges von G. McKeown geeignet.

Sie vergleicht unsere Aufmerksamkeit mit einer sich verschlechternden Sicht durch eine zunehmende Trübung der Netzhaut. Aufgrund der Trübung trifft weniger Licht auf der Retina ein, weshalb weniger gesehen werden kann. Für unsere Bewusstsein bilden verschiedene Ablenkungen diese Trübung. Zum Beispiel die eigenen Gedanken über die Vergangenheit oder Zukunft oder störende Umgebungsgeräusche. G. McKeown beschreibt es wie folgt: „Ablenkungen, die uns davon abhalten ganz im Moment zu sein können wie eine Trübung des Geistes wirken. Sie machen es schwieriger das wahrzunehmen was wichtig ist.“. Bis zur vollständigen Blindheit.

In Bezug auf Sport kann das zum Beispiel die Fokussierung auf die persönlichen Stärken und die Vermeidung der eigenen Schwächen sein. Wenn du eine extremere Sportart ausführst, kennst du vielleicht Sätze „Das ist ja absolut gefährlich!“. Du selbst denkst dir vielleicht nur: „Wenn du wissen würdest, was die im Profi-Bereich machen…“.

Genau dieses Beispiel zeigt die Relativität der eigenen Erfahrung und der subjektiven Situationsbewertung. Dahinter steckt ein langer Prozess aus Erfahrung die zusammen mit einem dynamischen Gleichgewicht mit der Beherrschung der Sportart das Selbstbewusstsein bilden. Aber wenn einen dann doch mal das Glück verlässt und man eine eigene negative Erfahrung macht…

– Hier möchte ich nicht pessimistisch sein, ich wünsche dir, dass du ein Leben lang gesund und Heil deinen Lieblingssport ausführen kannst. –

Kletterer in der Halle
Nach einer negativen Erfahrung zu altem Selbstbewusstsein zu kommen verlangt viel Disziplin.

Negative Erfahrungen können ein simpler Grund für bestimmte Ängste sein. Man wird sich der Gefahr stärker bewusst, nimmt ab diesem Moment die Gefahr vorweg und stellt das eigene Können hinten an. Das was alles passieren könnte ist dominant und bleibt vor dem inneren Auge. Um diese negative Erfahrung zu überwinden, muss du dir erst wieder deiner eigenen Fähigkeiten bewusst werden.

Wie in der Metapher der Linsentrübung, die operativ entfernt werden kann, erlaubt die klare Linse dem Licht wieder vollständig an die Retina zu gelangen. So können wir wieder Dinge, die wir vorher nicht gesehen haben, klar und deutlich sehen. Das funktioniert nur wenn wir Bewusst daran arbeiten.

Das waren jetzt klare Beispiele, die du vermutlich leicht nachvollziehen kannst. Doch in jedem von uns existieren unbewusste individuelle Denkmuster. Diese beeinflussen unsere Freude am Sport oder auch die Fortschritte, die wir machen, positiv und negativ. Im Folgenden werden einige unbewusste Abläufe erläutert, auf die du Achten kannst, ob du diese bisher nicht so bewusst wahrgenommen hast.

Sackgassen erkennen mit mehr Achtsamkeit

Selbstlimitierende Denkmuster, sowie eine fehlende Bereitschaft oder Erkenntnis, mal etwas anders zu machen. Beschrieben werden können einige davon recht objektiv, aber sie zu bearbeiten ist in jedem Fall eine ganz individuelle Sache und auch gar nicht so einfach. Wer lernt auf sich und seine Reaktionen zu achten, kann schon mit kleinen Anstrengungen große Fortschritte machen. Diese können mit dem emotionalen Erleben der Sportausübung verbunden sein, aber auch mit der Sportausübung selbst.

Was sind meine Stärken und was sind meine Schwächen?

Beispielsweise sind unsere Hände im Gehirn stärker repräsentiert als unsere Füße. Das macht es beim Klettern leichter, sich auf die Hände zu konzentrieren. Beim Hochziehen über die Hände haben wir eine größere Sicherheit, als über die Füße zu arbeiten, das führt dazu, dass in diesem Sport mit einem großen Oberkörperfokus ausgeführt wird. Deshalb trainieren viele Kletter begeisterte meist lieber die Finger, als ihre Klettertechnik.

Natürlich ist eine gute Arm- und Fingerkraft für das Klettern entscheidend. Bei komplexen Klettereien, größtenteils im höheren Schwierigkeitsgrad, wird die richtige Technik überwiegend den Unterschied machen. Weshalb auch bewusst an dem Vertrauen in die Füße gearbeitet sollte.

Auch in anderen Sportarten hilft eine breite physische Grundlage, gepaart mit einem breiten Spektrum an Sporttechniken. Dieses Fundament lässt sich, ohne Trainer, nur durch eine bewusste Auseinandersetzung mit den eigenen Stärken und Schwächen verbessern. Gleichzeitig muss man sich hier auch noch eingestehen, dass man bei der Arbeit an den Schwächen viele Fehlversuche haben wird, und dass das Scheitern dazugehört.

Lass dir von denen helfen die einen hohen Erfahrungsschatz haben

Frau klettert unter Aufsicht eines Trainers
Das Wissen erfahrener Sportler kann helfen seine Grenzen zu überwinden.

Einer der einfachsten Wege zu mehr Selbstbewusstsein ist der Austausch mit erfahrenen Sportlern. Damit sind nicht zwingend die Sportler mit den besten Leistungen gemeint, sondern diejenigen, die schon lange in dieser Sportart aktiv sind. Die Guten, wenn sie noch nicht so lange dabei sind, haben trotz ihrer beeindruckenden Leistungen keinen vergleichbaren Erfahrungsschatz. Manche können nicht einmal erklären, warum sie etwas tun, wie sie es tun.

Sehr erfahrene Sportler hingegen kennen die Probleme, die entstehen, wenn man an sein absolutes Limit kommt. Auch wenn du schon früher auf dein Limit gestoßen bist, haben sie sich schon lang mit vielen Lösungswegen auseinandergesetzt. Von ihren Fehlen kannst du jetzt schon lernen, abschauen und profitieren. So findest du eine kleine Abkürzung, um schneller auf das nächste Niveau zu kommen und folglich selbstbewusster in deinem Sport zu sein.

Wie geht es mir eigentlich?

Was vor dem Sport auch häufig vergessen wird, ist eine Art Bestandsaufnahme des eigenen Empfindens. Wir unterliegen natürlichen Schwankungen, die unsere Leistungsfähigkeit beeinflussen, zum Beispiel der Schlaf-Wach-Rhythmus oder der Zyklus bei Frauen. Aber auch anderen Faktoren wie Stress oder vergangene Verletzungen, die den Körper noch einschränken und zu Kompensationsmustern führen.

Wir neigen leider zu oft dazu, diese Faktoren auszublenden und erwarten von uns eine konstante Leistungsfähigkeit. Indem wir uns nicht entsprechend unserem Gemütszustand bewegen, überlasten wir unseren Körper. Das kann zu einer höheren Verletzungshäufigkeit führen.

In weniger schlimmen Fällen zur Enttäuschung, weil man das an diesem Tag (zu hoch) gesetzte Ziel nicht erreicht. Beides führt zu weniger Spaß beim Sport. Dabei machen wir Hobbyathleten den Sport aus gesundheitlichen Gründen und des Spaßes wegen.

Es ist zugegebenermaßen nicht immer so einfach, in sich hineinzuhören und zu erkennen, wie das aktuelle psychische und physische Empfinden ist. Aber wer sich die Mühe macht, kann seine Erwartungen senken, wenn Kopf oder Körper mal nicht für die Leistung bereit sind. Entgegengesetzt findet man nach etwas Übung eben auch sehr gut heraus, wann der richtige Zeitpunkt für Leistung ist. In beiden Fällen hilft eine Routine, sich hierauf einzustimmen.

Zusammengefasst

Kognition und Bewusstsein spielen sich gegenseitig in die Karten. Der kognitive Spieler ist für die Aufnahme und Verarbeitung aller Wahrnehmungen der Umwelt und im Körper verantwortlich. Das Bewusstsein darf sich daran bedienen und lässt bei der Konzentration auf bestimmte Wahrnehmungen stärkere Reize zu.

Wir können bestimmen, welche von diesen stärker wahrgenommen werden sollen und wie wir sie bewerten. Damit beeinflussen wir unser sportliches Tun, können bestimmte Schwächen reduzieren oder auch Ängste bekämpfen. Ohne diese Fähigkeit des Bewusstseins wären wir den kognitiven Wahrnehmungen ausgesetzt, aber wir können selektieren, wie wir bestimmte Situationen wahrnehmen möchten.

Das ist nicht einfach, aber es existieren bereits einige Kniffe, die dir dabei helfen können.

Mehr dazu kannst du in den folgenden Artikeln nachlesen:

Psychologie im Sport Teil 2: Emotionen überwinden

Psychologie im Sport Teil 3: Routinen und Gewohnheiten

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Bergfreund Felix

Sport ist für mich schon immer Lebensmittelpunkt, über Umwege bin ich dann am Stein hängen geblieben und ins Schreiben gestolpert. Durch das Sportwissenschaftstudium Hobby zum Beruf gemacht und die Freizeit in Felswänden um Karlsruhe oder den Alpen verbringend, schreibe ich mit der gleichen Faszination für den Basislager-Blog.

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