Werden Slacklines länger, wird nicht nur das Begehen schwieriger. Auch der Aufbau einer längeren Line – ab ca. 25 – 30 m spricht man von Longlines – wird zunehmend zur Herausforderung. Longlines im Bereich von 30 – 40 m lassen sich mit einem dehnungsarmen Band gerade noch mit zwei großen Ratschen (eine an jedem Fixpunkt) spannen. Mit dem Ellington-Flaschenzug und motiviertem Zugpersonal kommt man zwar noch etwas weiter, Bandmaterial und Hände werden dabei aber ganz schön strapaziert. Ein anderes Spannsystem muss her.
Man hat die Wahl: Entweder setzt man zum Spannen auf einfach zu bedienende aber sehr schwere Hebel-Kettenzüge oder man entscheidet sich für einen longlinetauglichen Flaschenzug. Letztere Variante empfehle ich allen, die gerne mit Seil, Rollen und Rücklaufsperren hantieren und möglichst leicht unterwegs sein wollen. In den letzten Jahren habe ich verschiedene Flaschenzugsysteme und Materialkonstellationen getestet und stelle hier ein paar bewährte Varianten vor.
Material und Technik für den Basisflaschenzug
Standard ist ein Basisflaschenzug mit einer Übersetzung von 5:1. Für diesen braucht man nur zwei Doppelrollen und ein Seil. Ein Statikseil mit 11 mm Durchmesser ist ideal. Die benötigte Länge hängt vom Spannweg ab. Für Lines bis ca. 70 m reichen 30 m Seil, für Lines bis ca. 100 m ist man mit einem 50 m langen Seil auf der sicheren Seite. Ein ausrangiertes Kletterseil (mind. 10 mm Durchmesser) tut es für kürzere Longlines auch.
Bei der Auswahl der Doppelrollen gilt es, mehrere Punkte zu beachten:
- Die Seilscheiben der Rollen müssen nebeneinander sitzen, nicht hintereinander (solche Rollen gibt es auch, für den Einsatz bei Seilbahnen).
- Die Bruchlast muss mind. 30 kN betragen. Für Lines im Bereich 100 m und mehr sind Bruchlasten im Bereich 50 kN empfehlenswert. Diese Überdimensionierung dient der Sicherheit und dem Einhalten der empfohlenen maximalen Nutzlast. Die liegt nämlich deutlich unter der Bruchlast.
- An den Rollen muss gegenüber der Hauptaufhängung ein zweiter Punkt zum Einhängen sein.
- Kugelgelagerte Rollen funktionieren deutlich besser als solche mit Gleitlagern. Der Unterschied spiegelt sich leider auch im Preis wieder.
Der Basisflaschenzug ist schnell zusammengesetzt: Das Seil binde ich direkt mit einem möglichst „knappen“ Achterknoten an der Rolle ein (siehe Bild!), um keinen Hub zu verschenken. Wegen der Metallkanten an der Öse der Rolle muss man sich keine Gedanken machen. Das Seil nimmt hier keinen Schaden. Am einzelnen Seilstrang wirkt schließlich nur 1/5 der Gesamtkraft. Nun wird das Seil wie im Bild zu sehen in die Rollen eingelegt.
Variante für mehr Power
Mit einer zusätzlichen einfachen Seilrolle lässt sich der Basisflaschenzug aufrüsten. Man erzielt so eine Übersetzung von 6:1. Mit hochwertigen Komponenten und dieser Übersetzung lassen sich auch Lines von über 100 m Länge spannen. Außerdem wird die Rücklaufsperre (mehr dazu später) weniger belastet. Für diese Erweiterung verwende ich bewusst eine kleine Rolle (Bruchlast 30 kN), damit es den Basisflaschenzug nicht zu sehr „aufbläst“. Ein gedrehtes Schraubglied (Maillon Rapid Twist, 8 mm) dient mir als Verbindung zur Doppelrolle, an der später die Line fixiert wird. Wie die Teile zusammengehören, sieht man auf dem Foto.
Die Verbindung zum Fixpunkt
Longlines werden fast immer zwischen soliden Bäumen gespannt. An den Stamm eines solchen bringt man den Basisflaschenzug mit einer Baumschlinge an. Als Baumschlingen eignen sich Industrieschlingen (WLL 500 kg oder besser 1000 kg). Persönlich nehme ich am liebsten die verstellbaren Baumschlingen von Slackline-Tools. Die Verbindung zum Flaschenzug stelle ich mit einem Delta-Schraubglied (mind. 10 mm Materialstärke) her. Ein ausreichend dimensionierter Schäkel geht genauso.
Die Verbindung zum Band Seilrolle mit Bolzen-Linelocker
Zunächst muss der Spannweg abgeschätzt werden, was viel Erfahrung voraussetzt. Den Flaschenzug nun auf die erforderliche Länge aufziehen und mit dem Band verbinden. Für Longlines bis ca. 70 m bzw.
Vorspanungen bis 10 kN kann man noch guten Gewissens einen klassischen Kettenglied-Linelocker legen. Sicherer und auch für längere Lines brauchbar sind Bolzen-Linelocker.
Eine Rücklaufsperre muss her
Am Zugseil des Basisflaschenzugs muss nun eine Rücklaufsperre angebracht werden. Eddy (Edelrid) oder Grigri (Petzl) haben sich hierfür bewährt. Das Eddy ist massiver gebaut, weshalb ich es an dieser Stelle bevorzuge. Beide Geräte halten nicht nur das eingezogene Seil, sondern dienen genauso (später) zum Entspannen der Line.
Wer eine separate Entlastungsvorrichtung in sein System einbaut, kann als Rücklaufsperre auch eine Minitraxion oder besser Protraxion (beide Petzl) einsetzen. Vorteil dieser Kombinationen aus Klemme und Rolle: weniger Reibungsverluste als bei Eddy oder Grigri.
Aber Vorsicht: In dieser Anwendung sollte einer Pro-/Minitraxion nicht mehr als 2,5 kN Seilzug zugemutet werden. Bei einem 5:1-Basisflaschenzug wäre also bei ca. 12,5 kN Vorspannung die Grenze des Zumutbaren erreicht.
Die Rücklaufsperre wird mit einer zweiten Baumschlinge und einem geeigneten Verbindungsmittel (aus Stahl) etwas unterhalb des Basisflaschenzugs am Baumstamm angebracht.
5:1 + 3:1 = 15:1
Mit dem Basisflaschenzug allein lässt sich allerdings noch keine ausreichende Vorspannung für Longlines erzielen. Man ergänzt ihn deshalb mit einem 3:1-Flaschenzug und erhält so eine Übersetzung von insgesamt 15:1 (bzw. 18:1 bei einem 6:1-Basisflaschenzug). Der Materialaufwand hierfür ist überschaubar: eine Seilklemme (alternativ Kurzprusik), ein Karabiner und eine weitere Rolle. Diese Teile sind im Gegensatz zum Rest auch nicht sicherheitsrelevant. Ich verwende meist den minimalistischen Tibloc (Petzl), eine große kugelgelagerte Einfachrolle und einen ovalen Stahlkarabiner. Stahl deshalb, weil das Material von den Kanten des Tiblocs nicht gekerbt wird. Wie die Teile zusammengehören, sieht man auf dem Foto. In der Realität ist der Flaschenzug natürlich nicht so weit zusammengezogen!
Wenn ein paar Leute mithelfen, ist eine Longline mit dieser Technik schnell gespannt. Wie dabei vorgegangen wird, ist praktisch selbsterklärend. Tipp: Der Einsatz von Handsteigklemmen am Zugseil macht das Ziehen angenehmer.
Hintersichern des Flaschenzugs
Hintersicherungsmaßnahmen sind beim Longlinen grundsätzlich eine gute Idee. Ab welcher Länge/welcher Vorspannung der Flaschenzug hintersichert wird, hängt von dessen Komponenten und dem persönlichen Sicherheitsbedürfnis ab. Mit einem Seilstück (Einfachseil oder Statikseil, mind. 10 mm Durchmesser) geht das Hintersichern flott (siehe Bild). Ich lege das Hintersicherungsseil meist während des Spannens an und verkürze es zuletzt noch einmal.
Entspannen der Longline
Beim Entspannen ist noch einmal Vorsicht geboten! Zunächst geht das Lösen der Klemmung von Eddy bzw. Grigri oft sehr schwer. Dann wird das Seil so schnell ins Gerät gezogen, dass es zu Verbrennungen der Haut kommen kann. Teamwork ist angesagt: Einer hält das Bremsseil mit beiden Händen in Bremsposition (das Seil nicht um die Hände wickeln!) und gibt langsam nach. Der Andere bedient währenddessen den Ablasshebel.
Longlinen ist nicht ungefährlich
Achtung: Die Informationen in diesem Beitrag sind nicht vollständig und können keinesfalls grundlegende Kenntnisse des Longlinens ersetzen. Jeder handelt auf eigene Verantwortung!
Im Bereich Klettern und Outdoor tut sich viel. Neue Produkte werden erfunden, bestehende überarbeitet oder verbessert und auch wir lernen täglich viel dazu. Und natürlich wollen wir unser Wissen an unsere Kunden weitergeben. Daher überarbeiten wir regelmäßig unsere Artikel im Basislager. Wunder Dich also nicht, wenn nach ein paar Monaten ein paar Dinge anders sind. Dieser Artikel wurde zuletzt am 22.03.2016 überarbeitet.