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Speedklettern – Was ist das und was bringt das?

Inhaltsverzeichnis

Speedklettern ist klettern auf Speed, ist doch ganz einfach. Also nein, nicht unter Einfluss von Amphetaminen, sondern auf Maximalgeschwindigkeit getrimmt. Doch das Doping mit Speed war tatsächlich einst unter unverfänglichen Markennamen wie Pervitin im Höhenbergsteigen verbreitet. Doch die heutigen Speedkletterer sind ganz bestimmt drogenfrei unterwegs.

Sie sind auch weniger an Himalayabergen als an künstlichen Kletteranlagen aktiv. Um genau zu sein, sind sie überwiegend an einer standardisierten, bei internationalen Wettbewerben genau 15 Meter hohen Kunstwand mit standardisierter Griff- und Trittfolge aktiv. Es sei denn, sie betreiben die andere Art von Speedklettern. Ja, es gibt zwei Arten des Speedkletterns.

Speedklettern 1

Beim Speedklettern zählt die Geschwindigkeit.
Beim Speedklettern kommt es, wie der Name schon sagt, auf die Geschwindigkeit an.

Die erste Art Speedklettern ist die eben umschriebene Sportdisziplin, die mit dem ursprünglichen Klettern nur noch bedingt zu tun hat. Bei Speedkletterwettkämpfen sieht die Action eher nach einem vertikalen Vollsprint als nach klassischem Klettern aus. Die Weltrekorde von 5,00 Sekunden (Männer) und 6,53 Sekunden (Frauen) liegen zufällig auch ziemlich in der Nähe der Bestzeiten beim 100 Meter Sprint. Möglich ist so viel Geschwindigkeit natürlich nur im Toprope, also mit Seilsicherung von oben. Die Speedkletterer werden mittlerweile maschinell gesichert.

Beliebt ist diese Sportart vor allem (oder vielleicht auch nur) in Russland, Ukraine und Osteuropa, womöglich weil dort vielerorts „normale“ Klettermöglichkeiten dünn gesät sind. Vielleicht auch, weil der Sport im Osten jahrzehntelang auf möglichst präzises Kräftemessen ausgelegt war.

Das hohe Maß an Standardisierung und Künstlichkeit ist ein Grund, warum viele Sport- und Felskletterer mit der Wettkampfdisziplin Speedklettern wenig anfangen können. Dazu später mehr.

Speedklettern 2

Die zweite Art Speedklettern hat mit der Vollgasturnerei am Plastik wenig bis gar nichts zu tun. Es ist von der Art Speedklettern die Rede, bei der die Hubers, Stecks und Arnolds dieser Welt in unfassbar kurzen Zeiten durch große Wände wie den El Capitan oder die Eiger Nord jagen. Hier wird nicht für wenige Sekunden, sondern über mehrere Stunden maximal auf die Tube gedrückt. Hier hängt auch kein Topropeseil in der Wand, sondern es wird schwieriges und garantiert unstandardisiertes Fels-, Eis- und Mixedgelände mit wenig bis gar keiner Sicherung überwunden. Alles in allem ist diese Interpretation des Speedkletterns sehr facettenreich, und natürlich maximal schwierig. Sie verdient eher einen eigenen Artikel, und soll hier nur am Rande erwähnt sein.

Wie läuft ein Speedkletterwettkampf ab?

Den relativ simplen Ablauf habe ich oben schon grob skizziert. Die detaillierten Standards für das Speed-Klettern werden von der International Federation of Sport Climbing (IFSC) festgelegt. Ein IFSC-Wettkampf läuft über mehrere KO-Runden, in denen jeweils zwei Kletterer gegeneinander antreten, um in der Regel eine 10, 12 oder 15 Meter hohe Wand zu erklettern. Unter ihren Füßen befindet sich eine Platte, die, sobald die Füße von ihr abheben, mit der Zeitmessung beginnt. Oben am Ende der Route ist ein Buzzer angebracht, der die Zeitnahme stoppt. Wer den Buzzer zuerst drückt, hat gewonnen und ist jeweils eine Runde weiter, bis im Finale der Gesamtsieger ermittelt wird.

Um faire Bedingungen zu garantieren, werden standardisierte Kletterwände eingesetzt, bei denen standardisierte Griffe und Tritte in einer genau festgelegten Abfolge angeordnet sind. Die Bewegungen der Kletterer sind also bei jedem Wettkampf überall auf der Welt immer die gleichen. Eine „offizielle“ Speed-Trainingswand sieht überall auf der Welt gleich aus.

Welche Anforderungen stellt Speedklettern?

Bei der hier näher beleuchteten „ersten Art“ von Speedklettern geht es natürlich darum, Hände und Füße so schnell wie möglich von den Griffen und Tritten zu lösen, um schnellstmöglich die nächsten Griffe und Tritte zu erreichen – von denen sie sich wiederum so schnell wie möglich lösen sollen, um … nun, das dürfte jetzt klar sein.

Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/ Autor: Henning Schlottmann Lizenz: Creative Commons Attribution 4.0 International
Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/ Autor: Henning Schlottmann Lizenz: Creative Commons Attribution 4.0 International

Es berühren wirklich nur die Hände und Füße die Wand – anders als beim Felsklettern, wo fast jedes Körperteil beim Klemmen, Stemmen und Pressen zum Einsatz kommen kann. Neben höchster Präzision beim Greifen und Treten ist ein enormes Maß an Schnellkraft und Maximalkraft gefragt – nicht nur in den Händen und Füßen, sondern in jeder Muskelfaser des Körpers.

Die qualitative Kletterschwierigkeit der Speed-Route spielt logischerweise kaum eine Rolle, da die Herausforderung nicht im Überwinden von Schwierigkeiten, sondern allein in der Geschwindigkeit liegt. Die Schwierigkeit liegt nach der UIAA-Skala im Schwierigkeitsgrad 7.

(Speed)Klettern wird olympisch

Diese sehr spezifischen Anforderungen verlangen ein anderes Trainingsprogramm als das Sportklettern. Das ist deshalb erwähnenswert, weil die Wettkampfteilnehmer bei künftigen Olympiaden im Leadklettern, Bouldern UND Speedklettern antreten müssen – und zwar innerhalb eines Tages.

Dieses Dreiergespann an Disziplinen nennt sich „Olympic-Combined-Modus“. Grund dafür ist, dass das IOC Speedklettern als Teil des Klettersports ansieht, und dessen „ganze Bandbreite abbilden“ will. Damit schaffen die Sportfunktionäre womöglich eine selbsterfüllende Prophezeiung, denn durch dieses erzwungene Einbinden ins olympische Kletterprogramm könnte das Interesse am Geschwindigkeitsklettern nicht nur beim Massenpublikum, sondern auch beim Kletternachwuchs steigen. Die Popularitätssteigerung bei nichtkletternden Zuschauern erhofft man sich vermutlich wegen der simplen, klaren Dramaturgie des Speedwettkampfs, die „einfacher“ anzuschauen ist als ein Leadwettkampf.

Die detaillierte Gestaltung der Wettkämpfe und die Einbindung des Speedkletterns in Olympia ist ein komplizierter Prozess, an dem viele Institutionen beteiligt sind, und der noch nicht abgeschlossen ist. Wie genau der Olympiamodus voraussichtlich funktionieren wird, und welche Schwierigkeiten es auf dem Weg gibt, kannst Du in diesem Klettern-Artikel nachlesen.

Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/ Autor: Henning Schlottmann Lizenz: Creative Commons Attribution 4.0 International
Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/
Autor: Henning Schlottmann
Lizenz: Creative Commons Attribution 4.0 International

Ohne die Aufnahme ins olympische Programm wäre das Speedklettern für die meisten Kletterer wohl überhaupt kein Thema. Zumindest scheinen sich die meisten Statements, die man in Interviews im Netz so findet, eher auf das Olympiathema als auf das Speedklettern an sich zu beziehen. Laut des schon erwähnten Artikels im Climbing Magazine sind die meisten Athleten begeistert, dass Klettern die olympische Bühne erreicht hat, kritisieren aber das Format als „Dreikampf“. Sie vergleichen es mit Marathonläufern, die einen 100-Meter-Lauf machen müssen. Boulderer und Sportkletterer mit Medaillenambitionen müssten dem Schnellklettern Trainingszeit widmen. Ein Athlet kommentierte, dass Speedklettern „weit entfernt ist von dem, was man als Geist des Kletterns bezeichnen kann“.

Ähnlicher Meinung sind auch einige bedeutende Kletterer, die im oben verlinkten Klettern-Artikel zitiert werden. So äußerte sich der zum Spitzenbergsteiger mutierte David Lama folgendermaßen:

Solange man sich dessen bewusst ist, dass ein Wettkampf noch nie die Grundidee des Kletterns widergespiegelt hat und nie widerspiegeln kann, ist es weder gut noch schlecht. Es ist schlicht und einfach egal. (…) Müsste ich persönlich die Entscheidung treffen, würde ich mich aber klar gegen die Olympischen Spiele aussprechen.

Diese kritischen Stimmen stehen bei weitem nicht alleine. Neben der verbreiteten Ansicht, das Olympia generell mit Kommerz und Korruption assoziiert wird, empfinden es manche Kletterer auch als unmöglich, die Besonderheit des Kletterns in einen olympischen Wettkampf zu packen. Es fällt auf, wie viele Kletterer von einem „Geist“ und einer „Grundidee“ des Kletterns sprechen, und das Speedklettern explizit davon ausschließen.

Wohin geht die Reise? Zukunft des Speedkletterns

Wenn ich hier einen rein subjektiven Eindruck anbringen darf: für mich sieht die Sache nach einem politischen Tauschgeschäft aus. Man bekommt mehr Aufmerksamkeit, die mit mehr Geld, Privilegien und „Wachstumsmöglichkeiten“ einhergeht, und nimmt dafür mehr Regulierung und Fremdbestimmung in Kauf. Ob so ein Tausch gut oder schlecht für den Klettersport ist, kann ich nicht beurteilen. Er passt aber in die heutige Zeit, in der solche „Tauschgeschäfte“ auf allen gesellschaftlichen Ebenen stattfinden.

Das Speedklettern wird im Zuge der Urbanisierung und „Indoorisierung“ des Kletterns sicher Aufwind bekommen. Dennoch wird es wohl kein Breitensport werden, und vermutlich auch nicht der nächste Megatrend. Sicher bin ich mir bei diesen Prognosen aber nicht, denn sicher ist nur, dass sich die Zeiten ändern…

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Bergfreund Stephan

“Flat is boring”, dachte ich mir als Kind des Flachlands immer. Bergsport war die Lösung des Problems. Aber nicht aller Probleme, wie ich beim Durchwursteln der Disziplinen von Bouldern bis Hochtouren herausfand. “Egal”, dachte ich mir und fühle mich heute bei alpinen Touren mit leichtem Gepäck sauwohl.

1 Kommentar zum Artikel

  1. Matthias 5. Januar 2019 13:09 Uhr

    Man kann in diesem Artikel klar die Meinung des Autors herauslesen. Das scheint ja auch so beabsichtigt zu sein. Mir fehlen deshalb ein paar wesentliche Punkte, um den Bereich des Speedkletterns und die Aufnahme des Combined Formats in die Olympischen Spiele ganzheitlicher darzustellen. 1. Der erwähnte Artikel des Climbing Magazines ist bereits aus dem Jahr 2016. Die dort getroffenen Aussagen von Adam Ondra sind nicht mehr ganz aktuell. Natürlich werden die meisten starken Leadkletterer/-Boulderer nie glücklich mit dieser Disziplin werden, aber die Möglichkeit an den olympischen Spielen teilzunehmen werden sich nur die wenigsten Sportler entgehen lassen (egal zu welchem Zweck). 2. Entstehung des Combined Formates und regulatorische Anpassungen. Klettern ist nur eine Testsportart, die ein bestimmtes Zeitfenster innerhalb der olympischen Spiele vorgegeben bekommt. Jetzt stehen drei Möglichkeiten zur Auswahl. Man könnte erstens auf die Teilnahme verzichten, was für jeden Sportverband die Nichtwahrnahme von mehr Medienreichweite, mehr Sponsorengelder, besser Spitzensportförderung usw. bedeuten würde. Zweitens könnte man sich für eine der drei Disziplinen entscheiden, was alle anderen Sportler ausschließen würde. Oder man erfindet ein Format, das in das Programm des IOC passt und dafür passt man die eigenen Regulatorien (Finalzeit Boulder und Lead) an und schafft damit einen zusätzlichen! Modus (die anderen drei bleiben selbstverständlich als eigenständige Disziplinen bestehen). Damit wird keiner der Sportler so richtig glücklich, aber es ist besser als nichts bzw. ganze Disziplinen komplett auszuschließen. Das Ziel ist hier so professionell wie möglich zu agieren, um in den darauf folgenden Spielen alle Disziplinen separat unterbringen kann. Und das Combined ist bei weitem keine neue Idee. Die Overall Wertung gibt es seit langer Zeit, jedoch immer nur am Ende einer Saison und nicht am Ende eines abgeschlossenen Wettkampfes. Wer bei der WM in Innsbruck das Combined Finale angeschaut hat muss wohl zugeben, dass es zwar noch nicht voll ausgereift aber ziemlich spannend ist. Klettern ist mittlerweile ein Breitensport und das ist gut so. Es ermöglicht viel mehr Menschen damit Geld zu verdienen und einem wundervollen Sport nachzugehen. Fast jeder kann jetzt Klettern gehen unabhängig vom Wohnort. Der Kletterromantik von Anno dazumal hinterher zu hinken (Kletterer sind alle Abenteurer, Naturburschen und Draufgänger und frei von Kommerz usw.) bringt niemanden weiter. PS: Wenn man einen Artikel über Speedklettern schreibt wäre zumindest ein einziges Bild von einer Speedwand, einem genormten Griff oder dem zitierten Buzzer wünschenswert. PPS: Der Schwierigkeitsgrad unterscheidet sich von Autor zu Autor. Hier (https://www.alpenverein-muenchen-oberland.de/uploads/images/e1YlCXFDaIJArhrtYEwaMg/speedklettern_freimann.pdf) wird von einer 7+ gesprochen. Wer die originale Tour schon einmal geklettert ist, wird vielleicht bestätigen, dass die Wahrheit irgendwo dazwischen liegt. Ist aber sowieso irrelevant, da die Tour ja nicht im Vorstieg geklettert wird. Grüße Matthias

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