Gerade einmal 26 Millionen Menschen leben in Australien auf über 7,5 Millionen km² Fläche. Erfindungsreichtum und Überlebensfähigkeit gehören daher für alle Aussies, die weit außerhalb der großen Metropolen leben, einfach zum täglichen Leben dazu.
In Deutschland dagegen sieht die Sache ganz anders aus: dreimal so viele Menschen auf weniger als einem Zwanzigstel der Fläche von Australien. Weites Buschland? – Fehlanzeige. Ursprüngliche Wälder? – Natürlich unter Naturschutz! Abgeschieden von der Zivilisation? – Na, ja. Wenn die Verfügbarkeit von LTE als Maßstab gilt – vielleicht…
Überleben in der Wildnis ist in Deutschland meistens nur die drei Tasten 1-1-2 weit entfernt. Aber Bushcraft hat auch nicht unbedingt so viel mit Survival gemeinsam. Beim Survival geht es darum aus einer unfreiwillig eingetretenen Gefahrensituation schnell von der Wildnis wieder in die Zivilisation zu gelangen (und sich dabei – wenn man Survival-Experte Bear Grylls glauben mag – von allerhand ungewöhnlichen Pflanzen und Insekten zu ernähren). Dieser Fall könnte zum Beispiel eintreten, wenn man sich im Gelände verirrt, sich verletzt oder keine Möglichkeit hat Hilfe zu holen oder einen Notruf abzusetzen.
Bushcraft hingegen bedeutet Abenteuer und Herausforderung. Mit möglichst wenig und effizienter Ausrüstung sind naturnahe Erlebnisse im Wald das vorrangige Ziel. Feuer machen, Holz sägen, Lager bauen und unter freiem Himmel (beziehungsweise Tarp) zu übernachten.
Ohne jetzt bis ins Detail darauf einzugehen (denn das hat Bergfreundin Lisa schon in ihrem Artikel Bushcraft vs. Survival erledigt), lässt sich der Unterschied zwischen Bushcraft und Survival dadurch definieren, dass Bushcrafting freiwillig geschieht – auch wenn die dazu benötigten Fähigkeiten natürlich für manche „Überlebenssituation“ sehr nützlich sind.
Ausrüstung für Bushcraft Abenteuer
Wenn der Überlebensexperte im TV fernab jeder menschlichen Behausung abgesetzt werden, ist dieser in der Regel mit praktischem Equipment, wie Kletterseil, großem Messer und allerlei hilfreichen Ausrüstungsgegenständen ausgestattet. Das Gute beim Bushcraften ist, dass man sich vorher über den angepeilten Abenteuerspielplatz informieren kann und die Ausrüstung dementsprechend anpasst.
Zur Grundausstattung beim Bushcrafting gehören:
- Warme und wetterfeste Outdoorbekleidung
- Trinkflasche
- Wander-, Touren- oder Trekkingrucksack
- Möglichkeit Feuer zu machen
- Ausrüstung für einen Lagerplatz (z.B. Tarp, Schlafsack, Isomatte oder Hängematte)
- Know How über Tiere, Pflanzen, Wetter, etc.
- Kartenmaterial und Kompass
- Bei Bedarf: Wasserfilter oder Tabletten zur Wasserreinigung
Mit zunehmender Reduzierung der Ausrüstungsgegenstände kann auch der Reiz, bzw. der Schwierigkeitsgrad beim Bushcraft variiert werden. Kein Feuerzeug, keine Säge, keine Schnur oder kein Messer? Es gibt immer noch Möglichkeiten das Bushcrafting anspruchsvoller zu machen.
Feuermachen für Anfänger und Profis
Die beste Art ohne Feuerzeug ein wärmendes Feuer zu entfachen, sind natürlich Streichhölzer. Aber Spaß beiseite! Tatsächlich gibt es eine ganze Liste an Möglichkeiten, um in der Wildnis Feuer zu machen. Hier eine kleine Auswahl:
- Feuermachen mit Funken
Im Fachhandel gibt es dafür bereits die fertigen Feuerstahl-Kits mit Magnesium und Metallschaber. Damit lassen sich feine Sägespäne sehr gut entzünden (zumindest mit etwas Übung). Auch ein Schlageisen oder eine Batterie können den passenden Zündfunken erzeugen. - Feuer mit Sonnenstrahl
Eine Lupe als Brennglas entzündet Sägespäne oder trockenes Gras in kurzer Zeit. Der Haken an der Sache: man braucht eine Lupe (oder ein anderes Brennglas, wie Flasche oder Eiskugel) und die Sonne muss kräftig scheinen. - Chemisches Feuer
Bestimmte Chemikalien können in Kombination mit anderen Chemikalien und Luft zu regelrechten „Dauerbrennern“ werden. Das ist allerdings nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Für Bushcraft-Fans eignen sich andere Methoden besser, als der Chemiebaukasten. - Feuer durch Reibung
Der Feuerbohrer ist wohl die älteste und universellste Methode, um Feuer zu machen. Das tolle daran ist, dass man im Grunde keine Hilfsmittel benötigt (gut, ein Messer ist schon hilfreich) und die Methode schon seit der Steinzeit millionenfach erprobt und bewährt ist.
Beim Bushcrafting ist „Feuermachen“ ein wesentlicher Bestandteil und für viele vielleicht der wichtigste Teil. Feuer gibt Wärme, Feuer erlaubt Kochen, Braten und das hygienische Abkochen von Wasser. Außerdem macht es hell und schützt auch vor wilden Tieren recht gut (in Deutschland sind das zwar nicht so viele, aber man weiß ja nie…)
Übrigens: wer es ganz genau und ausführlich wissen will, wie man am besten jederzeit ein hübsches Feuer zum Lodern bringt, findet in unserem Artikel „Feuer machen“ sicher noch viel mehr nützliche Tipps.
Lager Bauen und draußen Schlafen
Beim Bushcraft geht es nicht immer darum, sich in der Wildnis fortzubewegen. Während manche Bushcraft-Fans tagsüber durch den Wald laufen, sich immer weiter auf ein bestimmtes Ziel zubewegen und täglich einen neuen Schafplatz suchen oder bauen, verweilen andere in ihrem selbstgebauten Camp für mehrere Tage. Dementsprechend einfach oder aufwendig sind auch die einzelnen Lager und Camps aufgebaut.
- Biwak oder Tarp
Vor allem als Bushcraft-Neuling ist eine Tarpplane, eine einfache Hängematte oder ein Biwaksack die perfekte Lösung, um die Nacht auf jeden Fall sicher zu überstehen. Ein Schlafsack ist natürlich auch nicht verkehrt. Eine echte Bushcraftbehausung erfordert dagegen etwas mehr Arbeit. - Shelter als Basis
Wer sich nicht in eine Höhle, unter einen Haufen Laub oder einen Felsvorsprung für die Nacht verkriechen will, ist mit einem einfachen Shelter-Unterschlupf bestens beraten. An zwei Fixpunkten (Bäume) wird ein stabiler Ast als „Dachbalken“ befestigt (am Anfang am besten mit der Schnur, die man im Rucksack hat) und mit schräg angelegten dünneren Ästen erweitert.
So entsteht ein schräges Dach, das sich immer weiter mit Ästen, Blättern, Tannenzweigen, etc. bedecken lässt. Je nachdem, wieviel Zeit und Mühe man dabei aufbringt, wird das Dach ziemlich wasserdicht und bietet auch sehr guten Schutz vor Wind und Sonne. Als Basis für das Bushcraft-Camp kann es kreativ erweitert und ergänzt werden. - Erweitertes Bushcraft Lager
Alle möglichen Gegenstände lassen sich mit einfachsten Mitteln beim Bushcraft herstellen. Vom Dreibeingestell für das Lagerfeuer, über Stuhl, Tisch und verschiedene Behälter. Hilfreich für den Bau sämtlicher Utensilien sind Messer und Schnur, beziehungsweise Seil.
Natürlich können die Schnüre aus Fasern, Rinde und Gräsern auch selbst hergestellt werden. Das macht den ganzen Aufbau dann nur „etwas“ aufwendiger und ist eher als Herausforderung für erfahrene Bushcrafter zu empfehlen.
Es lohnt sich auf jeden Fall ein paar Knoten zu lernen und sich ggf. mit der Bauweise von Häusern, Hütten und Gerüsten im Mittelalter zu beschäftigen. Dabei können viele gute Ideen in das nächste Bushcraft-Projekt einfließen.
In jedem Fall sollte das Lager stabil gebaut sein und gleichzeitig absolut sicher. Deswegen sollte man sich zum Beispiel immer überlegen, ob die Konstruktion auch noch bei Regen, komplett nass oder mit 20 cm Schneelast stabil bleibt (je nach dem, was man eben so vor hat…)
Weitere allgemeine Tipps zum „Pennen in der Natur“ gibt es außerdem im Blog-Artikel von Bergfreundin Lisa.
Bushcraft Ernährung – wie komme ich an Essen und Trinken?
Eine spezielle Bushcraft-Ernährung gibt es so gesehen nicht. Stattdessen hängt der Speiseplan von vielen Faktoren ab, wie Art und Dauer des Trips, Region, Jahreszeit, etc. In der Wildnis Nahrung zu finden, ohne sich direkt strafbar zu machen, ist auch gar nicht so einfach.
Im Grunde bleibt da nur das Sammeln von Beeren, Obst, Nüssen und Pilzen. Deswegen ist es auf jeden Fall besser eine individuell abgestimmte Menge an Nahrung einfach mit in den „Busch“ zu tragen und gegebenenfalls durch lokale Lebensmittel zu ergänzen.
In einer Survival-Situation sieht das Ganze natürlich nochmal anders aus: da zählt (fast) alles, was dem Körper die nötige Energie zum Überleben bringt.
In jedem Fall ergeben Nahrungsmittel Sinn, die bei geringem Gewicht viel Energie liefern und dafür keine komplizierte Zubereitung benötigen (z.B. kein, oder nur wenig Wasser und kein Feuer). Mit Müsliriegeln, Trockenfisch- und Fleisch, sowie Trockenobst sollte ein guter Einstieg ins Bushcraft-Leben gelingen.
Beim Wasser ist definitiv etwas Vorsicht geboten. Bereits ohne sportliche Anstrengung benötigt der Körper ca. 1,5 Liter Wasser pro Tag. Beim schweißtreibenden Bushcraft können es auch schnell 3 Liter werden. In einer Survival-Situation können da auch schnell alle möglichen Quellen, Bäche und sogar Regenwasser attraktiv wirken. Wirklich gesund ist das allerdings meistens nicht (außer man trinkt hoch oben im Gebirge, direkt aus der Quelle). Deswegen sollte Wasser in der Wildnis entweder abgekocht oder gefiltert werden.
Zum Glück hat Bergfreund Simon unter anderem zwei Mal Norwegen durchwandert (und das auch noch der Länge nach…) und dabei alle Tipps über sauberes Trinkwasser zusammengetragen.
Bushcraft in Deutschland – Überleben im „Paragraphenwald“
Außerhalb des eigenen Grundstücks ist Bushcraft im Grunde überall verboten. Man darf weder einfach sein Zelt im Wald aufschlagen, noch ein Lager bauen, noch auf einer nicht dafür vorgesehenen und ausgewiesenen Stelle Feuer machen.
Fallen bauen, Jagen und Angeln sind ohne die erforderlichen Genehmigungen natürlich auch nicht erlaubt. Ähnliche Regeln gelten übrigens auch in den meisten anderen europäischen Ländern. Auch mit großen Messern, Macheten oder speziellen Äxten durch den Wald zu laufen, ist nicht unbedingt empfehlenswert. Bäume zu fällen, Rinde zu entfernen, Äste abzuschneiden und sogar das Holz vom Waldboden aufzusammeln, ist leider ebenfalls nicht gestattet.
Wer sich also außerhalb spezieller Bushcraft Camps oder privater Grundstücke seiner speziellen Leidenschaft für ein Leben in und mit der Natur widmen möchte, bewegt sich praktisch fast immer zwischen Illegalität und Grauzone.
Ohne die Intension zu verbotenen Bushcraft Aktionen zu inspirieren, kann die Grauzone allerdings in vielen Fällen durchaus genügend Spielraum für eine eigentlich offiziell verbotene Übernachtung im Shelter ermöglichen. Wenn der Förster einen im Wald beim Bauen eines Shelters erwischt, kann er vielleicht ein Auge zudrücken und verlangen, dass die „illegale Behausung“ wieder abgebaut wird.
Wer allerdings beim unerlaubten Angeln und Jagen erwischt wird, hat definitiv ganz schlechte Karten und muss auf jeden Fall mit einer Anzeige rechnen. Auch beim eigenmächtigen Fällen von Bäumen, größeren Feuern oder bei Verschmutzung der Natur mit Müll gibt es keinerlei Spielraum für Verhandlungen.
Wer sich dagegen ruhig, leise und unauffällig verhält und keine bleibenden Spuren in der Natur hinterlässt, hat eventuell ganz gute Karten, um sein Bushcraft-Abenteuer im Paragraphenwald unbehelligt zu überstehen.
In jedem Fall sollte man sich vorher gründlich informieren und ggf. bei der jeweiligen Gemeinde oder dem Besitzer des Grundstücks nach einer Genehmigung fragen. Für größere Projekte ist diese Vorgehensweise im Grunde alternativlos und man ist langfristig auf der sicheren Seite.
Training im Bushcraft- oder Survival-Camp
Wer entweder mal viele verschiedenen Bushcraft-Techniken (auch mit Hilfestellung) ausprobieren möchte und sich gerne von anderen Outdoor-Enthusiasten inspirieren lässt, kann in einem Bushcraft-Camp oder Survival-Training viel Spaß haben und neue Erfahrungen sammeln. Denn letztlich geht es beim Bushcraft nicht nur darum, durch den Wald zu laufen, ein Lager aufzubauen und vorm Feuer zu sitzen, sondern um eine Menge Wissen über die Natur und das Leben in und mit ihr.
Dazu gehören Kenntnisse über Pflanzen, Tiere, verschiedene Materialien, Techniken, Klima, Astronomie, Wetter und Geologie. Je mehr man die natürlichen Prozesse zu verstehen lernt, desto leichter fällt die Orientierung und das richtige Einschätzen der Situationen beim Bushcraft.
Und je größer das Wissen ist, das man beim Bushcraft in die Natur mitbringt, desto weniger Ausrüstung muss man auf dem Rücken tragen.
1 Kommentar zum Artikel
Hey Ihr Lieben, toller Artikel. Als Ergänzung kann ich an der Stelle nur noch mal auf das neue Projekt in Unserem Schleswig Holstein hinweisen, was zumindest das übernachten in der Natur, an den ausgewiesenen Stellen erlaubt, teilweise sogar mit Feuerstellen usw. schaut mal hier vorbei wildes-sh.de. Es steht dort sogar eine Karte zum Download bereit, mit GPS Koordinaten. Also viel Spaß euch allen!