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Wenn’s halten muss: alles über Steigeisen

Inhaltsverzeichnis

Steigeisen müssen wahre Multitalente sein: Im Aufstieg müssen sie gut greifen und fest am Schuh sitzen. Bei Kontakt mit Fels und Eis dürfen sie nicht stumpf werden und beim Abstieg im aufgeweichten Schnee nicht rutschen. Und natürlich dürfen sie keine Schneeklumpen bilden. Am besten sind sie auch noch leicht und einfach zu transportieren. Wie das alles geht? Dieser Artikel verrät es.

Aus welchen Materialien sind Steigeisen?

Ein Close-up eines Steigeisens.
Edelstahl, Aluminium, Titan, Stahl oder Mischformen – Steigeisen können aus den unterschiedlichsten Materialien bestehen.

Beim Material gibt es zwei Alternativen:

  • Belastbare und langlebige Edelstahl-Legierungen (meist Chrom-Moly-Stahl)
  • Leichtes Aluminium

Als dritte Variante könnte man Titan ergänzen. Titan ist eigentlich eine prima Sache, da es leichter als Stahl und fester als Aluminium ist. Doch da Titan sehr teuer ist, sind Titaneisen derzeit kaum zu bekommen.

Stahl vs. Aluminium

Das Standardmaterial ist Stahl. Denn Stahl greift gut und bietet viel Halt. Die als Leichtsteigeisen bezeichneten Modelle aus Aluminium sind dagegen nur für Touren mit wenig Blankeis und Felskontakt gedacht. Also vor allem in flachen Hängen. Beim Gehen in der Vertikalzackentechnik (bei der der ganze Fuß aufgesetzt wird) und auf hartem Eis bieten die Alu-Modelle zwar einen soliden Biss. Sie werden aber schneller stumpf und können sich verbiegen. Dafür ist der Gewichtsvorteil beträchtlich: Während Stahleisen meist an der Kilogrammgrenze kratzen, sind Alu-Eisen schon ab 350 Gramm zu haben. Auch der Tragekomfort ist bei den weniger steifen Alu-Modellen höher, weil die Bindungen flexibler sind.

Einige Hersteller, wie z.B. Petzl, bieten Hybrid-Steigeisen an, bei denen ein vorderer Teil aus Stahl mit einem hinteren Teil aus Aluminium kombiniert wird. Sie bieten eine erhebliche Gewichtsersparnis, ohne dass die Leistung in hartem und steilem Eis beeinträchtigt wird.

Wie sind Steigeisen aufgebaut?

Rahmen

Das Leopard Steigeisen von der Marke Petzl.
Das Petzl Leopard Steigeisen

Der Rahmen eines Steigeisens besteht aus:

  • Vorderteil
  • Hinterteil
  • Längenverstellbarer Steg

Vorder- und Hinterteil sind entweder starr (für steiles, hartes Eis) oder beweglich (für weicheren Firn und Schnee). Sie sind durch eine Schiene miteinander verbunden.

Diese Schiene (auch Steg genannt) ist in der Regel der Fußform entsprechend leicht gebogen, mit zahlreichen Löchern versehen und mittels einer Federstahlklemme in der Länge verstellbar. Je nach Form und Anzahl der Löcher ist eine sehr feine Anpassung an den Schuh möglich. Für viele Steigeisen gibt es auch extra lange Stege. Eine spezielle Lösung hat Petzl gefunden: Beim revolutionär leichten und kompakten Firsteisen Leopard wird die Stahlschiene einfach durch Dyneema-Schnüre ersetzt. Diese ermöglichen eine Längenverstellung durch einfaches Einfädeln.

Allgemein gilt: Je beweglicher der Rahmen (und der Bergschuh), desto komfortabler das Gehen. Allerdings steigt mit der Bewegungsfreiheit auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Eisen vom Schuh löst.

Am Rahmen befinden sich auch die 8 bis 14 Zacken, die je nach Modell für einen festen bis bombenfesten Halt im Eis sorgen.

Die Rahmenbreite kann je nach Bindungstyp schmaler als der Schuh oder genauso breit wie der Schuh sein. Ein breiterer Rahmen sorgt für mehr Stabilität und Trittsicherheit. Dies kann auf unebenem Gelände (z.B. beim Überqueren einer Moräne) eine Rolle spielen, da man auf den Eisen höher steht und die Gefahr des Umknickens größer ist. Auf hartem Untergrund hängt die Standhöhe von der Länge der vertikalen Zacken ab – je kürzer, desto natürlicher das Gehen.

Vertikalzacken

Die vertikalen Zacken sind diejenigen, die vom Fuß senkrecht nach unten zeigen. Sie sind normalerweise mehr oder weniger symmetrisch in Längsrichtung an den Seiten angeordnet. Auf der Rückseite des Rahmens befinden sich normalerweise zwei quer angeordnete Vertikalzacken.

Die Vertikalzacken sorgen bei jeder nicht kletternden Fortbewegung für den Halt auf dem Eis. Deshalb wird das normale Gehen bis etwa 35 Grad Hangneigung auch als Vertikalzackentechnik bezeichnet.

Frontzacken

Die Front(al)- oder Vorderzacken sorgen ab etwa 35 Grad Hangneigung für sicheren Halt im Eis. Sie werden meist mit einem lockeren Pendelschlag aus dem Knie heraus ins Eis geschlagen. Bei anspruchsvollen Hochtouren können dies auch Gletscherbrüche oder Eisflanken sein.

Die Frontzacken gibt es in zwei Versionen:

Eine Ansicht der Zacken des Petzl Leopard Steigeisens.
Auch bei den Zacken gibt es einiges an Variationen.
  • senkrecht
  • horizontal

Senkrechte Frontzacken ähneln den Hauen eines Eispickels und bieten in hartem Steileis guten Halt. In weniger steilem und weicherem Gelände bieten sie jedoch weniger Halt als herkömmliche horizontale Frontalzacken.

Horizontale Frontalzacken sollten für einen optimalen Halt leicht nach unten gebogen sein. In den meisten Fällen werden die vertikalen Frontzacken jedoch von Sekundärzacken oder T-Profilen unterstützt, die den verlorenen Grip auf Schnee ausgleichen.

Horizontale Frontzacken laufen oft schmal und spitz zu. Bei Steigeisen, die besonders auf guten Halt im Schnee ausgelegt sind, läuft die Spitze jedoch von oben betrachtet breit zu und ist nur von der Seite betrachtet scharf.

Für schwieriges Eis- und Mixedklettern haben sich mittlerweile vertikale Front-Monozacken etabliert. Wie der Name schon sagt, hat die Vorderseite nur einen statt zwei Zacken. Mit den Monozacken sind noch präzisere oder komplexere Bewegungen wie das Eindrehen der Füße möglich, wobei die Gefahr des Heraushebelns verringert wird.

Die Länge der Zacken ist für die Hebelwirkung wichtig: Kurze Zacken eignen sich besser für Fels oder Mixedklettern, lange Zacken besser für Firn und Eis. Bei einigen Modellen (z.B. dem Grivel G14) kann die Zackenlänge daher verändert werden.

Bindung

Die Bindung sorgt für den sicheren Kontakt zwischen Schuh und Metall. Auch bei ihr gilt: Es gibt zwei Versionen und einen Hybriden dazwischen. Eigentlich ganz einfach, auch weil Bergschuhe meist in Hinblick auf ihre Eignung für verschiedene Bindungen deutlich gekennzeichnet sind.

Für die leichten, einfach gebauten Steigeisen zum Gletscherwandern ist die Riemenbindung mit meist je einem Plastikkörbchen vorne und hinten Standard. Die Riemen bestehen aus Nylon- oder Perlonbändern, die Absatz und Spitze des Schuhs mit Fersen- und Ballenteil des Steigeisens verbinden und mithilfe von Dornenschnallen festgezogen werden. Diese Konstruktion passt (theoretisch) auf jeden halbwegs festen Berg- und Wanderschuh. Es sollte aber auch bei Riemenbindung schon ein mindestens „bedingt steigeisenfester“ Bergschuh sein, auch wenn die Eisen für kurze Querungen von Schneerinnen durchaus auch an einem Zustiegsschuh o.ä. halten würden.

Generell sind Sitz und Stabilität bei der Riemenbindung am schwächsten. Auch sind die Körbchen im Vergleich zu anderen Bindungen schwer und voluminös, womit der Gewichtsvorteil der Alu- oder Leichtsteigeisen ein Stück egalisiert wird.

Kippelhebelbindungen

Ein Steigeisen mit Kipphebelbindung von der Marke Stubai.
Ein Steigeisen mit Kipphebelbindung

Kipphebelbindungen (auch Automatikbindungen oder Step-In-Bindungen genannt) werden durch einen Drahtbügel an der vorderen Sohle und durch einen höhenverstellbaren Kipphebel an der hinteren Sohle befestigt. Zusätzlich ist ein Fangriemen als Verlustsicherung angebracht. Die Verwendung von Hebelbindungen setzt voll steigeisenfeste Bergschuhe voraus, deren Sohle sehr steif und mit entsprechenden Sohlenkanten vorne und hinten versehen ist. Sie sind auch ideal für Skitourenstiefel, sofern der Kipphebel nicht mit dessen rückseitiger Fußfixierung in die Wege kommt.

Generell sitzen Steigeisenbindungen mit Kipphebel am sichersten am Schuh, bieten die beste Standfestigkeit und lassen sich am schnellsten an- und ablegen. Zudem sind sie am leichtesten und bieten oft auch verschiedene Einstelloptionen für das Eis- oder Felsklettern. Wenn man das Anschnallen richtig bewerkstelligt hat, sollte beim finalen Festziehen ein sattes Klack-Geräusch zu hören sein.

Die Hybridlösung ist auch hier wieder der Versuch, die Vorteile beider Standardsysteme zu vereinen. Und das gelingt durchaus gut. Die Bindungen mit Körbchen vorne und Kipphebel hinten sind sehr empfehlenswert, wenn die Eisen für ein breites Tourenspektrum vorgesehen sind. Das System erfordert für den Kipphebel nur hinten am Schuh eine stabile Befestigungskante, also einen Schuh, der „bedingt steigeisenfest“ ist.

Bei der Kombibindung wird der Kipphebel mit einem Korb vorne kombiniert.

Einen gelungenen Versuch, alle Bindungstypen zu vereinigen, hat Edelrid mit seinem Modell Shark unternommen. Hier lassen sich Automatik-, Semi- und Riemenbindung beliebig austauschen.

Antistollplatten

Während die Bedeutung von Rahmen, Zacken und Bindung sofort einleuchtet, wird die Bedeutung von Antistollplatten meist erst nach der ersten Tour klar. Das Problem: Im weichen Firn können Schneeklumpen unter den Eisen den Abstieg zur Hölle machen. Das kalte Metall der Eisen zieht den feuchten Schnee wie Klebstoff an. Das macht nicht nur das Gehen anstrengend, sondern kann auch sehr gefährlich werden.

Wenn der Schneeklumpen dicker ist, als die Zacken lang sind, verliert man im schlimmsten Fall die Bodenhaftung und schlittert davon. Deshalb sind gute Antistollplatten, die den gesamten Rahmen bedecken, kein Luxus, sondern Pflicht. Zum Glück sind mittlerweile fast alle Hochtourensteigeisen mit diesen Kunststoffplatten ausgestattet.

Besonders effektiv sind konvex ausgebeulte Platten, die sich bei Druckbelastung einstülpen und den Schnee, wenn der Fuß in der Luft ist, regelrecht abwerfen. Die Platten sollten zudem leicht ersetzbar sein, da sie bei Felskontrakt schnell beschädigt werden können.

Welches Steigeisen für welchen Einsatz?

Ein Kletterer klettert eine eingefrorene Gletscherwand hinauf.
Die Wahl der Steigeisen sollte auf das Terrain angepasst werden, auf das man sich begibt.

Die Unterschiede in den genannten Bestandteilen haben die jeweiligen Einsatzbereiche schon klar definiert. Das Ganze lässt sich aber noch übersichtlicher in drei Klassen je nach Einsatzzweck zusammenfassen:

1. Leichte Hochtouren und Gletschertrekking mit wenig Kombigelände und Felskontakt

Hier kommen die Leichtsteigeisen/Gletschersteigeisen/Alusteigeisen mit zehn bis zwölf Zacken zum Einsatz (wobei hier fast nur die Vertikalzacken verwendet werden). Diese leichten und relativ flexiblen Eisen behindern das normale Abrollen des Fußes nicht vollständig und bieten damit höheren Gehkomfort für lange Strecken. Das Gewicht sollte hier möglichst gering sein, besonders wenn die Eisen nur sporadisch zum Einsatz kommen und meist im oder am Rucksack getragen werden. Mit den zwei waagerecht nach vorne stehenden, leicht nach unten gekrümmten Frontzacken können auch kurze vereiste Hänge und kombinierte Gipfelzonen bei Hoch- und Skitouren bewältigt werden.

2. Anspruchsvolle Hochtouren mit viel Kombigelände und Felskontakt

Im steileren Gelände kommen mindestens Zwölfzacker zum Einsatz. Das zusätzliche Paar Zacken sitzt als schräg nach vorne gerichtete Stützhilfe direkt neben und hinter den Frontalzacken. Für mittlere Hochtourenschwierigkeiten und einfaches Wasserfallklettern genügen die horizontalen Frontzacken. Bei einem Schwerpunkt auf Firn- und Eisflanken sollten die Frontzacken stärker nach unten gezogen und das Stützpaar stärker nach vorn gerichtet sein.

Liegt der Fokus dabei mehr auf Kombi- und Felskletterei, sollten die Frontzacken gerade vorstehen und das Stützpaar eher senkrecht nach unten gerichtet sein. Generell bestehen die Steigeisen für anspruchsvollere Touren aus stabilem und abriebfestem Stahl, dessen Vorteile der besseren Performance und des besseren Sitzes den Nachteil des schwereren Gewichts überwiegen.

Auch wenn Du weniger anspruchsvoll, dafür aber oft unterwegs sein willst, solltest Du aufgrund der längeren Lebensdauer eher zu Stahl als zu Aluminium greifen.

Steiles Eis & Wasserfälle

Je steiler Du unterwegs bist, desto mehr liegt der Fokus auf den Frontalzacken. Bei den „richtigen“ Steigeismodellen sind die Frontalzacken wie Pickelhauen vertikal ausgerichtet und oft in Länge und/oder Winkel verstellbar. Die zweite Zackenreihe ist besonders deutlich nach vorne ausgerichtet, um den sicheren Stand im harten Eis zu unterstützen. Die „Hardcore-Modelle“ für extremes Eis- und Mixed-Gelände haben 14 Zacken und lassen sich zu Mono-Zackern umrüsten.

Wie werden Steigeisen transportiert?

Beim Gewicht halten sich die Unterschiede und damit der Spielraum in Grenzen: Die Art der Touren bestimmt, ob man etwa ein Kilo oder etwa ein halbes zu tragen hat. Doch das Packvolumen kann sich auch zwischen ähnlichen Eisen unterscheiden. Wichtig ist, dass sich die gelochte Schiene bzw. der Mittelsteg möglichst kurz zusammenschieben lässt. Der bereits erwähnte Zehnzacker Petzl Leopard lässt sich dank der Schnurverbindung auf sagenhaft kurze 13,5 cm verkleinern. Normalerweise muss man aber mit mindestens 20 bis 25 cm Packlänge rechnen. Die Höhe der zusammengelegten Steigeisen wird logischerweise durch die Länge der Zacken und der Schuhfixierungen bestimmt. Steigeisen mit Step-In-Bindung sind am flachsten, Korbbindungen am sperrigsten.

Am oder im Rucksack?

Eine Steigeisen Transporttasche von der Marke Edelrid.
Bestens verpackt sind die Steigeisen in einer Transporttasche – zum Beispiel in dieser von der Marke Edelrid.

Das ist nicht so wichtig. Hauptsache, die Eisen sind gut verpackt. Daher ist eine spezielle Transporttasche ein Muss. Sie kann in den Rucksack wandern oder an einer der meist zahlreich vorhandenen Befestigungsmöglichkeiten angebracht werden. So durchlöchern die Eisen weder Textilien noch verletzen sie Mitmenschen und behalten auch den oft reichlich anfallenden Dreck vorerst bei sich. Meistens sind die Eisen nach der Tour auch nass. Und da die meisten Taschen nicht wasserdicht sind, empfiehlt sich spätestens hier der Transport außen am Rucksack.

Was gilt bei der Aufbewahrung und Pflege zu beachten?

Steigeisen bleiben mit regelmäßiger Reinigung nach den Touren besser in Form. Sie sollten am besten trocken aufbewahrt und hin und wieder auch durchgefeilt werden. Praktischerweise haben wir hierzu eine Pflegeanleitung für Steigeisen parat.

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Bergfreund Stephan

“Flat is boring”, dachte ich mir als Kind des Flachlands immer. Bergsport war die Lösung des Problems. Aber nicht aller Probleme, wie ich beim Durchwursteln der Disziplinen von Bouldern bis Hochtouren herausfand. “Egal”, dachte ich mir und fühle mich heute bei alpinen Touren mit leichtem Gepäck sauwohl.

2 Comments on the Article

  1. Thomas 11. März 2021 17:32 Uhr

    Bei welcher Disziplin(Schnee, Firn, Eis, Mixed...) sollte ich "unabhängig vom Schuh", "Körbchen + Kipphebel" verwenden und wann bringt mir der "Drahtbügel + Kipphebel" etwas? lg Thomas

  2. Andy 5. März 2021 22:22 Uhr

    Hallo, Wann kommen denn die 10Zacken-Modelle an ihre Grenzen? Und habe ich das richtig verstanden: wenn es richtig steil wird, dann sind die frontal Zacken weiter nach unten gebogen also nicht ganz so horizontal ausgerichtet? Und die mono zacken sind vertikal ausgerichtet? Ich bin gerade etwas verwirrt

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