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Kletter-Trip durch das Sultanat Oman

Inhaltsverzeichnis

Zwei Uhr morgens. Wie ein Tor zur anderen Welt öffnet sich die Tür ins Flughafengebäude Muscat. Überall in weiße Gewänder gehüllte Männer, in unseren Kletterklamotten fallen wir auf wie bunte Hunde. Der Mann am Mietwagenschalter schlägt sein Buch von hinten auf und sucht von rechts nach links lesend unsere Reservierung. Da können wir uns noch so oft die Augen reiben, es liegt weder an der Uhrzeit noch an unserer Übermüdung, hier ist wirklich alles verkehrt herum. Bis auf den Rechtsverkehr, Gottseidank – oder besser gesagt “inschallah” – so Gott will. Gegen 3 Uhr morgens biegen wir in unserem Toyota Allrad-Panzer auf die hell beleuchteten Straßen von Muscat, mit dem dringenden Wunsch, zwischen den riesigen Moscheen und Palästen irgendwo einen ruhigen Schlafplatz zu finden. Völlig gerädert breiten wir schließlich unsere Isomatten am Strand aus, um uns das Nachtlager mit hunderten von Mücken und Sandflöhen zu teilen. Es kann also nur besser werden!

Hit the road, Jack

Eine neue Klettersaison beginnt
Eine neue Klettersaison beginnt

Das Sultanat Oman ist unser Reißaus vor dem Winter, vor allem aber entkommen wir den vielen süßen Plätzchen und herzhaften Häppchen der Feiertage zwischen Weihnachten und Silvester. Stattdessen starten wir unsere “neue Kletter-Saison” bereits im Dezember. Ein fließender Übergang sozusagen. “Schönes Reiseland mit vielfältiger Landschaft” verspricht der Reiseführer. Aus dem Internet haben wir einen Haufen Informationen über diverse Gebiete mit zahlreichen Kletterrouten gefunden. Von Stein- und Sandwüsten über Badegumpen in wasserführenden Trockentälern bis hin zum Meer hat das Land alles zu bieten. Vor allem aber ist es touristisch noch relativ unerschlossen und für einen naturnahen Urlaub genau das Richtige. Campingplätze und dergleichen wird man im Oman lange, wohl vergebens suchen. Aber wer gern direkt dort bleibt, wo es Kletterrouten gibt, zeltet dort, wo es schön ist und er keinem im Weg steht.

Schon aus Tradition sind die Omani sehr gastfreundlich. Bei nomadisierenden Beduinen in der Wüste bekommen Durchreisende seit jeher etwas zu trinken, zu essen sowie ein geschütztes Nachtlager im Austausch für Informationen. Nach spätestens jedoch drei Tagen sollte der Gast aber unaufgefordert aufbrechen. Und in einer solchen, leicht abgewandelten Form gilt dieses ungeschriebene Gesetz bis heute. Auch wir wollen uns daran halten.

Wadi Bani Awf

Im Oman gibt es unzählige “Wadis”, doch unter so einem “ausgetrockneten Flusslauf, der nur nach starken Regenfällen vorübergehend Wasser führt”, können wir Europäer uns zunächst einmal meist nicht viel vorstellen. Was dann eigentlich auch nur die Anreise in das erste Klettergebiet werden sollte, ist für uns Allrad- Novizen gleich mal ein richtig spaßiges Abenteuer: rasant durch Kiesbetten “sliden”, rasante Flussdurchquerungen und steile Passagen am Rande schier bodenloser Abhänge halten uns bei Laune. Am Eingang des Wadi Bani Awf können wir einem Touristen nur achselzuckend beantworten, ob man da auch mit einem “normalen” Auto durchkommt. Schon nach dem ersten Abschnitt ist klar: man kommt rein, aber nicht wieder heraus.

Eine Oase in Oman
Eine Oase in Oman

Der kleine Palmenhain vor der engen Schlucht “La Gorgette” wirkt inmitten der kargen Felslandschaft wie eine wahre Oase. Eine der Terrassen wird zu unserem Lagerplatz, aber jetzt wollen wir erst einmal das Klettergebiet erkunden. Ein schmaler Pfad windet sich in die enge Schlucht. Vom plätschernden Bach gekühlt, kann man hier in der größten Hitze bei angenehmen Temperaturen eine Sportroute nach der anderen klettern – bis die Unterarme brennen. Oder einfach die Füße ins kühle Nass eintauchen, relaxen und zuschauen. Die Routen aller Schwierigkeitsgrade sind anspruchsvoll und interessant. Und auch zum Projektieren gibt es hier einige vielversprechende glatte Überhänge. Hier kann man es tatsächlich aushalten!

Snake Canyon

Im Affen-Stil am Drahtseil
Im Affen-Stil am Drahtseil

Den ersten Nerventest absolvieren wir tags drauf an einem Klettersteig (!) im nahe gelegenen Snake Canyon. Zunächst steigen wir einen steilen Schotterhang hinunter bis an den Rand einer tiefen Schlucht, wo wir aus dem Kucken und Staunen nicht mehr heraus kommen. Ein dickes Drahtseil führt von einer Seite der Schlucht auf die Andere. Die glatten Wände des Canyons pfeifen bis zum Boden. Der Klettersteig geht auf der anderen Seite über ein waagrechtes Felsband und quert weiter hinten abermals den Canyon. Insgesamt sind fünf Querungen an einem Drahtseil zu überwinden. An und für sich keine große Sache, nur werden die hier gesetzten Bohrhaken genau in Zugrichtung (also der denkbar Ungünstigsten) belastet und wenn das Drahtseil an einer Seite ausreißt macht man einen Abflug nach unten. So gibt es auch kein zweites Seil als Hintersicherung …

Und während wir drei noch diskutieren, hat Georg bereits seinen HMS-Karabiner eingeclippt und hangelt wie ein Affe – Beine und Arme am Drahtseil – auf die andere Seite. Nach kurzer Abwägung folgen wir in gleichem Stil. Wohooo, da ist aber ordentlich Luft unter dem Hintern und wir erleben einmalige Tiefblicke in die Schlucht mit ihrem smaragdgrün schillernden Wasser. Was für ein wilder Klettersteig! Erst nach dem Ausstieg kommt die Sprache eher zufällig auf das riesige Warnschild am Einstieg – verdammt, welches Warnschild?! Ich glaube den Jungs kein Wort und gehe mich noch einmal selbst vergewissern. Tatsächlich habe ich dort vor lauter Adrenalin am Einstieg folgende, etwa 40 Zentimeter große, mit einem großen roten Kreis umrandete Warnung übersehen: “Danger – closed for maintenance!” Da hat unser Schutzengel also mal wieder Überstunden geleistet …

Sharaf al Alamayn

Ein hammer Fels auf 2000m höher
Ein hammer Fels auf 2000m höher

Die Allradstrecke des Wadi Bani Awf endet nach einer abenteuerlich steilen Schotterpiste am 2000 Meter hohen Pass Sharaf al Alamayn, dem höchsten Pass der Western Hajar Berge. Laut Internet gibt es hier ein traditionell abgesichertes Klettergebiet, obendrein das höchst gelegene im ganzen arabischen Sprachraum. Oberhalb der senkrechten Böschung, deren Überwindung schon die erste Schlüsselstelle darstellt, befinden sich wunderschön zerklüftete Felsen, die sich perfekt mit Totem Cams und Bandschlingen absichern lassen. Die Routenfindung ist keineswegs trivial, da kein einziger Haken steckt, aber wir wähnen uns in der Linie „Scratch’n’Win” am Felsen “The Prow”. Die beiden Toni’s vergnügen sich

derweil im “Full Fat Crack” in der “Wall of Shadows”. Was abenteuerlich und düster klingt, macht jedoch richtig Spaß – es ist einfach großartig, seine eigenen Sicherungen zu legen, den Weg selbst zu suchen und keine Spuren zu hinterlassen. Wir erleben wieder einmal die grenzenlose Freiheit des Trad-Kletterns. Am Gipfelplateau treffen wir uns wieder: “Hammer Fels hier, oder?”

Mit einem riesigen Lagerfeuer inmitten der Karstlandschaft kurz unter dem Pass beschließen wir somit einen genialen Klettertag. Die Sonne verschwindet hinter einem der vielen Gipfel, die weite Berglandschaft liegt uns zu Füßen. Nie hätte ich erwartet, dass der Oman so bergig ist – und so kalt! Trotz gutem Schlafsack und dem Rucksack als Fußwärmer friere ich wie ein Schneider. Warum bloß habe ich meinen warmen Daunenschlafsack nicht dabei …?

Zwillingstürme

Wie die Wand einer Festung zu besteigen
Wie die Wand einer Festung zu besteigen

Umso krasser trifft uns daraufhin die Hitze des kommenden Tages im Tal, als wir schwitzend zu den Felstürmen oberhalb von Al Hamra aufsteigen. Wie zwei Wehrtürme einer Festung ragen diese beiden Felsen über der Stadt empor. Wir steuern auf den linken zu und wählen die Linie „En attendant les lents“ während sich die Toni’s für „La Mama“ am rechten Turm entscheiden. Soweit möglich, ist zwischen den gebohrten Ständen alles selbst abzusichern, in einigen kompakten Passagen stecken jedoch auch solide Bohrhaken. Unsere Linie schlängelt sich schließlich an schönen Strukturen entlang geschickt durch die griffige Wand. Während wir hier oben klettern, ruft weit unter uns der Muezzin zum Gebet. Sein Gesang hallt in den Wänden wider, unterstreicht für uns das Gefühl eines außergewöhnlichen Urlaubs. Vom Gipfel streicht unser Blick somit über das strahlende Grün der Palmenhaine im Kontrast zur Felslandschaft und den alten Lehmbauten im Tal. Einmalige Kletterrouten, genialer Fels und eine Traumlandschaft, wie sie im Buche steht – was für ein wunderschönes Land der Oman doch ist!

NEULAND?

Kletter-Roadtrip Oman, Foto: d-on-r.de
Foto: Georg Pollinger

Nimmt man die riesigen Wände der benachbarten Wadis als Maßstab, dann ist unser Felsriegel zwar vergleichsweise klein – dafür zieren ihn allerdings einige offensichtliche Linien mit super Strukturen für mobile Sicherungen: Risse, Verschneidungen und mehrere höhlenartige Löcher lassen uns erahnen, was für Potential unser kleiner “Fruchtzwerg” hat. Kurze Zeit später stehen wir in voller Montur unter der Wand, die Materialschlaufen der Klettergurte hängen durch das Gewicht der vielen Friends, Cams und Totem Basics fast bis zu den Knien. Bei jedem Schritt rasselt das Eisen wie die Sporen von Cowboys aus dem wilden Westen. Das fühlt sich gut an! Ob hier vor uns schon jemand geklettert ist? Zumindest gibt es keine Spuren davon. Jede Seilschaft sucht sich eine Linie und “auf die Plätze, fertig, los!”

Für uns geht’s einem kurzen Fingerriss folgend auf ein kleines Podest unter einer schrägen Höhle und über den kleinen Überhang in direkter Richtung zur Oberkante des Felsriegel. Außen herum kurz herunter gelaufen und ab in die nächste Tour – es gibt hier so viele Möglichkeiten! Den gleichen Einstieg, aber jetzt vom Podest in die kleine Höhle hinein und durch ein kleines Schlupfloch hinten wieder heraus. Die beiden Toni’s haben weiter rechts genauso viel Spaß, die Gesichter sind mit einem breiten Grinsen gezeichnet und wir treffen uns immer wieder am Gipfel. Funky Time!

Als Georg den etwas schwereren Riss im steilen, glatten Wandteil in Angriff nimmt, hat sich bereits die halbe Dorfgemeinschaft unter der Wand versammelt. Besser gesagt die Männergemeinschaft. Man(n) beobachtet und diskutiert wild gestikulierend, klopft den Jungs anerkennend auf die Schulter. Mit einem Halbseil in der Hand bewundern sie scheinbar auch den Mut der fremden Burschen, an so einem dünnen Strick ihr Leben in der Senkrechten zu riskieren. Dass hier auch eine Frau am Werk ist, wird hingegen geflissentlich ignoriert, aber da stehe ich mittlerweile drüber. Vor allem seitdem ich im Reiseführer gelesen habe, dass an omanischen Universitäten eine Männer- Quote eingeführt werden musste, damit es Männer mit ihren schlechteren Noten überhaupt auf die Hochschule schaffen. “Mann” möge mir mein Lächeln der Genugtuung verzeihen.

WADI GHUL

Kletter-Roadtrip Oman, Foto: d-on-r.de
Foto: Georg Pollinger

Wesentlich höher sind die zerklüfteten Felswände im Wadi Ghul, dafür sind leider auch die Zustiege umso weiter. Es ist wie die Durchquerung einer schier endlosen Steinwüste, die wir besser in aller Herrgottsfrühe hätten antreten sollen. Jetzt wissen wir es besser. Schweißgebadet erreichen wir den Einstieg der Linie „Samba di Jedi“. Die Anstrengung der letzten Stunden ist schnell vergessen, denn links und rechts ist kilometerweit felsiges Neuland. In Anbetracht dessen verwerfen wir unsere ursprünglichen Pläne. Wir können dem Reiz nicht widerstehen, unseren eigenen, neuen Weg durch die Wand zu suchen. Hier ist ohnehin alles clean. Der kleine aber feine Unterschied ist “nur” das Wissen um die zu erwartenden Schwierigkeiten. Den kurzen Vorbau überwinden wir noch auf den Spuren der Franzosen, biegen am Felsband aber nach links ab. Bereits nach dem ersten Überhang rasselt es faustgroße Steine, Georg ist in seinem Element. “Im Vergleich zu den Karwendelausstiegen ist das hier bombenfest”! Damit werden all meine Zweifel im Keime erstickt. Ich quere hingegen lieber in kompakteres Gelände weiter links, nur dass der Fels hier zu kompakt ist.

Das heißt, ich bringe mit Mühe und Not auf 30 Metern einen Schlaghaken und einen Totem Cam unter, den Stand bildet eine fingerdicke Sanduhr und zwei zweifelhafte Cams. “Willst du uns umbringen?!” An der Kreativität der Sicherungen können wir im Folgenden auf weiteren 400 Metern Fels zur Genüge feilen, obwohl die Wand deutlich abflacht. Am Gipfel schlagen wir auf eine gelungene Abenteuerlinie und einen lehrreichen Klettertag ein, der noch nicht ganz vorbei ist. Vor uns liegt ein langer Abstieg, den wir nicht kennen und langsam neigt sich der Tag dem Ende. Kurz bevor es dunkel wird, erreichen wir die Straße, aber leider an ganz anderer Stelle, als unser Auto steht. Mit langen Mienen treten wir also den 5 km langen Straßenmarsch an, als ein aufmerksamer Omani anhält: “Need a ride?” Eigentlich ist er in die umgekehrte Richtung unterwegs gewesen, aber für uns macht er gern einen Umweg. Das ist wahre Hilfsbereitschaft, auf die wir später anstoßen und benennen die Route dementsprechend “Stamperlzeit”.

WADI DAYQAH

Kletter-Roadtrip Oman, Foto: d-on-r.de
Foto: Georg Pollinger

Zugegeben, nach diesen Mehrseillängenabenteuern steht uns der Sinn nach etwas nervenschonendem Klettern. Weiter im Südosten gibt es einen schönen Canyon mit kurzen Sportklettereien, mit und ohne Bohrhaken. Das lange Wadi Dayqah hat viele Biegungen, sodass es Wände aller Expositionen gibt und man zu jeder Tageszeit einen schattigen Kletter-Spot findet. Soweit der Plan. Auf einer neuen, dreispurigen Autobahn fahren wir bis kurz vor Qurayyat, dann auf immer kleiner werdenden Teerstraßen landeinwärts, zuletzt auf einer Schotterpiste ins Flussbett.

Inzwischen sind wir ja Allradprofis, der immer gröbere Weg juckt uns wenig, die Flussdurchquerung nehmen wir ohne mit der Wimper zu zucken. Als wir allerdings durch knöcheltiefen Schlamm fahren, der uns auf schrägen Passagen verdächtig seitwärts driften lässt, wird es uns dennoch unheimlich. Einstimmig entscheiden wir uns gegen eine weitere Flussdurchquerung und drehen um. Die eingerichteten Routen sind bei diesen Bedingungen unerreichbar. Stattdessen finden wir Neuland im unteren Bereich des Wadi, wo wir uns so richtig austoben können. Die wunderschönen Rissverschneidungen an Cams und Keilen sind eine super Nachmittagsbeschäftigung.

AB INS “SINKHOLE”

Kletter-Roadtrip Oman, Foto: d-on-r.de
Foto: Georg Pollinger

Nach dieser Schlammschlacht sehnen wir uns nach einem schönen Bad – wie gut, dass die Küste mit ihren wunderschön weißen Stränden und dem türkisblauen Wasser nicht fern ist. Ein weiteres Bade-Highlight befindet sich etwas südlich von Qurayyat. Das Bammah Sinkhole ist ein circa fünfzig Meter tiefer, natürlicher Kalksteinkrater, der unterirdisch mit dem Meer verbunden ist.

Auch was die Farbe betrifft, steht er dem Meer in nichts nach. Zwar passt die betonierte Parkanlage außen herum in unseren Augen nicht wirklich zu diesem kleinen Naturwunder, aber über Geschmack lässt sich ja bekanntlich streiten. Wir genießen trotzdem das Wasser und die natürlichen Podeste zum Schwimmen und Springen. Und natürlich zum “Deep Water Soloing für Arme” (barfuß), wofür sich der Fels rundherum geradezu anbietet.

SUCHE NACH DEN PYRAMIDEN

Ein weiteres Loch im Boden zieht uns magisch an. Zu dieser Zeit ist die Höhlenkammer „Majlis al Jinn“ noch nicht weltberühmt, beinhaltet keine Bohrhaken von Glowacz und Sharma, aber wir wissen um ihre Bedeutung als eine der größten Höhlen der Erde und wollen zumindest einen Blick oder eine Abseilfahrt ins Dunkle Loch riskieren. Es ist für uns unvorstellbar, dass unter dem Salmah Plateau gleich mehrere Hohlräume sein sollen, in die ganze Pyramiden hinein passen!

Das müssen wir uns unbedingt ansehen, auch wenn wir dafür einen halben Tag steile Gebirgsstraßen entlang fahren müssen. Leider erfahren wir erst vor Ort, dass die Höhle vor Kurzem „geschlossen“ und die Bohrhaken am Rand der Höhle entfernt wurden, sodass niemand hinein seilen, klettern oder springen darf. Und so starren wir nur vom Rand in ein tiefes, schwarzes Loch und müssen uns die schiere Größe vor unserem geistigen Auge vorstellen. Trotz alle dem ist die Szenerie irgendwie unheimlich, da klettern wir doch lieber im Tageslicht mit Rundumblick auf Palmenhaine und blicken in die weite Steinwüste. An jungfräulichen Felsen hat der Oman für uns immerhin noch so einiges zu bieten!

LIEBLINGS – WADI

Klettern im Oman
Foto: Georg Pollinger

Je weiter wir in das Wadi hinein fahren und laufen, umso heller werden die Felsen und desto stärker der Kontrast zum türkisblauen Wasser. Über Jahrtausende hat sich das Wasser hier seinen Weg in den Kalk gefressen und so wunderschöne, tiefe Becken ausgespült, die zum Baden regelrecht einladen. Spätestens bei den kugelrunden Gumpen, die mit Eisenketten zum Wiederaufstieg im hinteren Teil der Schlucht versehen sind, können wir nicht mehr widerstehen. Eine fast kindliche Freude kommt beim Sprung ins warme Nass auf, wie früher am Badesee.

Und auch die Omani, jung wie alt, zelebrieren dieses Wunder der Natur. Nach einer gewissen Grundreinigung wagen wir also eine Erkundungstour in eines der Seitentäler und entdecken eine schön zergliederte Wand mit guten Chancen auf festen Fels. Den unteren, überhängenden Teil mit zweifelhaftem Gestein umgehen wir noch, indem wir auf einem breiten Felsband auf halber Höhe elegant einqueren. Aber jetzt heißt es erst einmal testen, was der Fels überhaupt hergibt…Klettern vom Feinsten! Wie überall im Oman sind die Strukturen so scharf, dass die Fingerkuppen brennen… und logische Linien an Rissen und Verschneidungen gibt es zuhauf. Durch zwei davon arbeiten wir uns klemmend und quetschend, bald über raue Strukturen turnend hinauf, die grün leuchtenden Palmen von Badah zu unseren Füßen. “Ein absoluter Glücksgriff, dieses Tal!” Nach vielen Tagen Staub, Hitze und Schweiß erleben wir die Zeit im Wadi Bani Khalid wie einen echten Luxusurlaub. Wir “hinterlassen” die beiden Routen ‘Anorexie’ und ‘der verrückte Kaminkehrer’, wo sich Wiederholer an bestem Fels und schönstem Abenteuerklettern erfreuen können. Wir sind gespannt auf Feedback, war vielleicht schon jemand drin?

STEINTORE UND STEINMÄNNER

Klettern im Oman
Foto: Georg Pollinger

Eigentlich ist jedes Wadi im Oman von mehr oder weniger hohen Felswänden gesäumt, die sich fast alle für Klettertouren eignen. Der Muschelkalk ist überall anders, mal etwas brüchiger, mal kompakter, aber fast immer gibt es die unglaublichsten Strukturen und Formen. Im Eingangsbereich des Wadi Tanuf zum Beispiel steht stolz erhaben, hoch über dem Tal, ein riesiges Felsentor, wie im amerikanischen Arches – Nationalpark. Nur der Zustieg hier ist um einiges mühsamer, aufgrund der Temperaturen, vor Allem aber, weil es durch weglosen, steilen Schotter hinauf geht. Etwas tiefer im Tal fällt uns daraufhin ein kleiner Felsturm ins Auge, den wir uns aus der Nähe anschauen wollen. Der Zustieg ist nicht ganz so weit. Drei kurze Seillängen höher stehen wir dann auch schon unter dem fragilen Turm – “der wird ja nicht gerade jetzt zusammen brechen, oder?!” Auf dem Gipfel ist zumindest nur Platz für einen von uns, sodass wir ihn nacheinander besteigen und dadurch nicht allzu sehr belasten. Nach weiteren zwei Seillängen stehen wir am oberen Rand des Felsriegels, den langen Abstieg vor unseren Augen. Zugegeben, diese Klettertour war etwas “wander-lastig”. Aber längst haben wir eine weitere logische Linie im Visier, denn gegenüber haben wir eine scharfe Kante erblickt…

TANZ AUF DER RASIERKLINGE

Foto: Georg Pollinger
Foto: Georg Pollinger

Mit ‘dancing on razorblades’ haben wir uns ein wahrlich “scharfes Abenteuer am Fels” auf die Fahne geschrieben. Wenn eine Tour diesem Namen gerecht werden könnte, dann diese messerscharfe Felskante vor unserer Nase. Ob es wohl Unglück bringt, wenn man schon beim Einstieg einer Tour den Namen vergibt, ohne zu wissen, ob man es auf den Gipfel schafft? Vom Wandfuß aus betrachtet ist die Kante jedenfalls nicht ganz so scharf wie eine Rasierklinge, aber trotzdem wird die Tour vom ersten Kletter-Meter an ihrem Namen mehr als gerecht. Klettern im Oman ist ohnehin wie ein learning-by-doing Seminar mit dem Titel “kreative Sicherungen legen”. Trotz unserer bisherigen Erfahrungen bleibt hier die Absicherung spannend. Im kompakten Fels bringen wir kaum Sicherungen unter – selten versinkt ein Friend oder ein Totem Basic Cam in einem Riss, meist ist höchstens mit Schlaghaken etwas auszurichten.

Vom üblichen, groben Schotter auf den Felsbändern ganz abgesehen, hängen immer wieder Fels-Schuppen wie Damokles-Schwerter in der Wand, bereit ein Seil zu kappen oder Schlimmeres. Wir arbeiten uns daher sehr bedacht und langsam hinauf, stets auf die nächsten paar Kletter-Meter konzentriert. Der Handbohrer und ein paar Not-Bohrhaken sind zwar am Gurt, aber wir wollen soweit wie möglich mit unseren mobilen Sicherungen auskommen. Die Tour wird zu einem Test für unsere Nerven und das gegenseitige Vertrauen in das Können des Anderen. Der scharfe Fels mit seinen schönen Strukturen hat uns voll in seinen Bann gezogen, sodass wir fast nicht bemerken wie die Stunden vergehen. Am späten Nachmittag hängen wir immer noch im oberen Teil der Headwall. An Abseilen ist schon lange nicht mehr zu denken, es gibt nur die Flucht nach oben. Doch immer wieder kommt eine vermeintlich letzte Seillänge, die nur wieder auf ein weiteres Felsband führt. Hat denn diese Wand gar kein Ende?

HOTEL DER TAUSEND STERNE

Klettern im Oman
Foto: Georg Pollinger

Erst bei Sonnenuntergang schwingt sich Georg endlich über die letzte Felskante auf das flache Gipfelplateau und wir können auf dieses wahnsinnige Abenteuer einschlagen. Obwohl, vorbei ist es noch nicht, denn das etwa 500 Meter hohe Felsband erstreckt sich kilometerweit nach links und rechts. “Jetzt müssten wir nur noch irgendwie herunter kommen”… Flotten Schrittes geht es somit im sicheren Abstand zum Abgrund den Felsrand entlang, doch bald ist klar: wir müssen biwakieren. Es gibt keine Chance im Dunkeln einen sicheren Abstiegsweg zu finden. Kein Problem, wir sind ja vorbereitet, wir haben ein Feuerzeug und zwei Rettungsdecken dabei!

An einem großen Felsblock richten wir unser Biwak-Lager vor. Die gemütliche Seil-Unterlage ist vorbereitet und bald lodert ein kleines Feuer. Nur mit der einen Rettungsdecke will es nicht recht klappen – anstatt einer Folie reißt Georg nur silberne und goldene Fetzen aus der Verpackung… “Aus welchem Jahrhundert ist die denn gewesen?!” Unter der verbleibenden Rettungsdecke trotzen wir also dem eisigen Wind und sagen einfach: “es war kuschelig”. Diese Nächte im Hotel der tausend Sterne sind doch ohnehin unbezahlbar, auch das Frieren gehört irgendwie mit dazu. Im Licht der aufgehenden Sonne sitzen wir so in einem Haufen Silberfolie, als wären wir gerade von einer Mondfahrt gekommen. “Der Adler ist gelandet” kommentiert Georg, schließlich können wir darüber auch lachen. Bei Tageslicht gestaltet sich der Abstieg dann über den Bergrücken sehr viel einfacher, sodass wir es rechtzeitig zum “Frühstückskaffee” zurück ins Tal schaffen.

Vier Wochen Urlaub sind verflogen wie im Wind, unsere Kletter-Ziele würden jedoch noch für lange Zeit reichen. Zum Beispiel haben wir am höchsten Fels des Oman noch keine Hand angelegt. Der 1000 Meter hohe Jabal Misht hat zahlreiche Bigwall-Linien zu bieten, die wir uns nur noch von unten anschauen können. Einerseits sind wir wehmütig, weil wir “schon” wieder nach Hause müssen, andererseits aber auch erleichtert, weil diese riesige Felsmasse unglaublich erdrückend wirkt. Furchterregend, aber gleichzeitig anregend. Genau die richtige Mischung aus Angst und Anziehung, die einen Grund liefert, um bald wieder zu kommen!

Kletterführer:

“Climbing in Oman” von Jakob Oberhauser, Panico Verlag, 2014

Material

Tendon Master 7.8mm (Halbseile) und Tendon Hattrick 10.2mm (Einfachseil)

Onyx und Garnet, Helm Penta

Karabiner, Expressen

Totem Cams und Basic Totem Cams

Kletterschuhe Tenaya RA und Triop Tiger

Optimus Polaris Kocher (Benzin und Gas) mit Optimus Terra Lite HE Cook Set Töpfen

LEKI Micro Vario Carbon

ENO Doublenest Reisehängematte

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Bergfreundin Klara

Ein Bergunfall brachte mich aufgrund der entwickelten Höhenangst zum Klettern und wenn ich heute an meine schönsten Momente beim Klettern denke, dann ist es die Zeit im Portaledge, hoch droben in einer Bigwall. Ich habe nicht nur meine Angst bezwungen, Klettern hilft mir immer wieder über mich hinaus zu wachsen und die Erfahrung in den Alltag zu übertragen.

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