Für jemanden, der noch nie geklettert ist, zeigt der Blick an die künstliche Kletterwand eine Reihe scheinbar zufällig gesetzter Klettergriffe und Tritte. Ein geübter Blick hingegen sieht viele verschiedene Kletterrouten und Bewegungen. In gleicher Weise erkennt ein Fortgeschrittener schneller, wie ein Klettergriff optimal gegriffen werden sollte und welche Körperposition am besten dazu passt. Dieser Artikel soll dir dabei helfen, deinen Blick für die verschiedenen Typen und Formen der Boulder- und Klettergriffe zu verbessern.
Henkel & Taschen
Für den Anfänger sind Henkel und Taschen (auch Jugs genannt) die Lieblingsgriffe. Aber in schweren Routen verschwindet er schnell oder ist nur im Überhang zu finden. Auch wenn Henkel dazu verlocken sich mit purer Kraft an ihnen hochzuziehen, wird diese „Technik“ langfristig zur Frustration führen. Denn mit Klimmzügen kommt man spätestens am Felsen und in den schweren Touren nicht weit. Dann wird es wichtiger mit der richtigen Klettertechnik zu steigen.
Deshalb sollte man die senkrechten und leicht überhängenden Henkelrouten in der Halle zum Erlernen der Grundlagen nutzen. Denn wenn das Niveau steigt und Henkel nur noch eine gute Ausruhposition darstellen, ist eine gute Klettertechnik hilfreicher als pure Kraft.
Leisten
Eine erste größere Hürde stellen die kleinen Leisten (oder auch Crimps) dar, auf die nur ein bis zwei Fingerglieder passen. Wenn man von Natur aus eine gute Fingerkraft hat, sind sie kein Problem. Da aber Ringbandverletzungen in den Fingern eine der häufigsten Verletzungen im Sportklettern sind, sind Leisten immer mit Vorsicht zu „genießen“. Denn je nach Fingerstellung bedeuten Leisten eine hohe Last auf die Fingerstrukturen.
Durch eine passende Ausrichtung reduziert sich die Verletzungsgefahr, dabei unterscheidet man drei Arten:
- voll aufgestellte
- halb aufgestellte
- hängende Finger
Die schonendste aber technisch anspruchsvollste Variante ist es mit hängenden Fingern zu klettern. Wegen des kleinen Belastungswinkels muss der Körper besser positioniert werden. Deshalb nutzen die meisten Kletterer eher halb oder voll aufgestellte Finger beim Klettern. Mit diesen kann, aufgrund des größeren Belastungswinkels, über einen weiteren Bewegungsraum aktiv an den Griffen gezogen werden (siehe Bilder). Bei voll aufgestellten Fingern unterstützt der Daumen zusätzlich, doch diese Fingerstellung bedeutet gleichzeitig die höchste Last auf den Ringbändern.
In Bezug auf die Verletzungsvorsorge ist es also sinnvoller, mit hängenden Fingern zu klettern. Trotz allem ist das volle Aufstellen der Finger Teil des Kletterns und lässt sich bei winzig kleinen Leisten nicht vermeiden. Wie du die Finger langfristig auf die Belastungen beim Klettern vorbereitest, erfährst du im Artikel zur Fingerkraft.
Klettergriffe mit Fingerloch
Schlanke Finger haben hier meistens einen Vorteil. Denn eine Besonderheit der Fingerlöcher (auch Pockets genannt) ist ihre Größe, sie bestimmt wie viele Finger man „hineinstopfen“ kann.
Doch wie bei Leisten besteht eine hohe Verletzungsgefahr, weshalb bei Löchern auch auf die Fingerstellung zu achten ist. Zusätzlich bedeuten Löcher mit scharfen Kanten eine höhere Belastung auf die Ringbänder. Zu den häufigsten gehören Zwei-Finger-Löcher, und welche Finger du bei diesen nutzt, ist im Prinzip nicht so wichtig. Denn muskulär besteht kein Unterschied zwischen der Kombination von Ring- und Mittelfinger zu Zeige- und Mittelfinger. Aufgrund anatomischer Unterschiede der Fingerlängen ist meist eine der Varianten angenehmer.
Sloper
Diese großen glatten Klettergriffe sollten am besten mit der gesamten Handfläche gehalten werden. Denn hier geht es um Haftreibung, und diese ist abhängig von Anpressdruck und Kontaktfläche. Manche Sloper (oder Aufleger) haben auch kleine Erhebungen, die sich wie Leisten halten lassen.
Einer der wichtigsten Faktoren bei Slopern ist die Zugrichtung. In leichteren Routen findet sich meistens direkt unter dem Griff ein Tritt, damit man schön unter den Griff „tauchen“ kann (wie in Bild 2). Anspruchsvolle Routen fordern etwas mehr Technik und Kraft, hier ist es häufig nötig einen Gegenzug mit einem anderen Körperteil zu erzeugen (wie in Bild 1).
Volumen
Volumen sind dem Sloper gar nicht so unähnlich, und aufgrund ihrer Größe lassen sie sich oft auch -wie im ersten Bild- stützen. Wer sich unter dem Volumen befindet, hat es etwas kniffliger. Am besten halten lassen sie sich, wenn die Fingergelenke genau an der Kante des Volumens ansetzen.
Zangen
Zuschrauben angesagt! Pinches oder Zangen sind Kletter- oder Bouldergriffe mit zwei gegenüberliegenden Kanten. Durch den Daumen als Gegenspieler kann zusätzlich Druck auf Zangen ausgeübt werden. Breite Zangen sind je nach Handgröße mehr oder weniger schwer zu halten.
💡 Tipp: Achte auf die Ausrichtung von Zangen, denn sie könnten sich auch als Leiste halten lassen.
Stützer
An Griffen muss man nicht immer nur Ziehen, es kann auch helfen sich mit dem Handballen zu stützen.
Wenn ein guter Klettergriff in einer weniger abdrängenden Wand vorhanden ist, kann man die Handfläche gegen die Wand pressen, um einen Fuß zu entlasten.
Alle Kletter- und Bouldergriffe in der Übersicht
Damit du den Überblick nicht verlierst, haben wir dir hier nochmal alle Formen in einer Übersicht dargestellt:
Form | Beschreibung | Merkmale |
Henkel / Taschen / Jugs | abgerundete Griffe, mit Vertiefungen (Taschen) oder einem Henkel, die es den Kletterern erlauben, die Hand hineinzulegen oder komplett durch die Öffnung zu greifen. | – leicht zu greifen – meist weniger fingerintensiv – ermöglichen Ruheposition – für Anfänger geeingnet |
Leisten / Crimps | flache, schmale Griffe mit geringer Tiefe | – fingerintensiv – umso schmaler die Leiste, umso kraftintensiver – für Fortgeschrittene |
Sloper / Aufleger | große, abgerundete Klettergriffe ohne klare Vertiefungen oder Kanten | – erfordern mehr Übung – werden am besten mit der ganzen Handfläche angefasst |
Fingerloch / Pockets | Griffe mit Löchern oder Vertiefungen, die es den Kletterern ermöglichen, mit den Fingerspitzen zu greifen. | – fingerintensiv – Fingerstellung besonders wichtig |
Zangen / Pinches | Griffe mit zwei gegenüberliegenden Kanten, die die Kletterer mit den Fingern zusammendrücken können | – Finger und Daumen liegen auf gegenüberliegenden Seiten – erfordert viel Fingerkraft – kann auch als Leiste dienen |
Volumen | große, drei-dimensionale Strukturen, die an der Wand angebracht werden und zusätzlich zu den vorhandenen Griffen oder Strukturen verwendet werden können | – Kanten von Volumen können genutzt werden – Dienen auch als Stütze |
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3 Comments on the Article
Hallo Moritz, mit Vergnügen! Danke dir für deine potive Kritik! Gerne wieder :) Sportliche Grüsse + Happy Weekend Felix
Hallo, vielen dank für diese ausführliche Antwort. Da hast du natürlich Recht. Gerade im Bezug auf Griffe ist dein Tipp ausreichend. Ich würde es trotzdem anders formulieren, bzw. deinen 1. Punkt mit aufnehmen. Allerdings kam mein 1. Kommentar eher von Tritten. Da war ich zu voreilig mit dem schreiben. Liebe Grüße Moritz
Hallo Felix, super Artikel, wie auch schon der erste Teil. Allerdings hat sich beim Sloper ein weit verbreiteter Irrtum eingeschlichen. Die Haftreibung ist unabhängig von der Fläche. Entscheidend sind Kraft bzw. Anpressdruck senkrecht zur Fläche und der Reibungskoeffizient. Auf den hat man, bis auch Chalk oder ähnliches, meistens kaum Einfluss. Die Kraft kann beim Sloper meistens nur über die Richtung gesteuert werden. Und das hast du sehr gut beschrieben. Liebe Grüße Moritz