Sächsische Schweiz, Elbi oder eine ganz eigene Art zu Klettern

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Den einen ringt der Name Elbsandstein ein verträumtes Lächeln ab, anderen treibt es den Angstschweiß auf die Stirn. Das Elbi polarisiert seit je her die Kletterszene und kämpft seit Jahren darum, seine Klettertradition zu bewahren und gegen den Massentourismus zu verteidigen. Damit bewahren sie aber nicht nur ihre Tradition, sie regen auch zu interessanten Diskussionen an, wie sich das Klettern verändert, und auf wessen Kosten. Dieses Diskussionen sind sicher nicht nur fürs Elbi wichtig, sondern für die gesamte Klettergemeinschaft. Nach ein paar Jahren an der Schwäbischen Alb hat unser Kollege Daniel aus dem Kundenservice die Sächsische Schweiz zum Klettern wieder für sich entdeckt. Ihm hat es so gut gefallen, dass er gleich einen Blogbeitrag darüber schreiben wollte. Hier kommt er:

In der Sächsischen Schweiz findet das Kletterherz alles in Hülle und Fülle. Über 20.000 Kletterwege an mehr als 1.000 Gipfeln. Bestens strukturierter Sandstein und bis zu 90 Meter hohe Wände. Allerdings sollte man schon vor einem Besuch im „Elbi“ einiges beachten und planen.

Was will man mehr?
Was will man mehr?

Die Tradition

Die Sächsische Schweiz gilt als eines der ältesten Klettergebiete der Welt und ist mit seiner Vielzahl an Wegen und Gipfeln einmalig in Deutschland. Die Haupterschließung fand zwischen 1903 und  1914 statt, wobei einige Gipfel bereits im Mittelalter erstiegen wurden. Pioniere wie O. Perry-Smith, O. Schuster und R. Fehrmann haben damals schon schwierige Routen ohne künstliche Hilfsmittel geklettert und somit das Freiklettern entwickelt.

Außerdem soll mit dem im Jahre 1906 erstbegangenen Boulder „Pflaumenkuchentraverse“ auch dieser Kletterstil seine Wiege in Sachsen haben. Schon zur damaligen Zeit wurden Regeln definiert um Fels und Natur zu schützen, sowie den sportlichen Charakter herauszustellen.

So kennt mans, das Elbi
So kennt man’s, das Elbi

Die Sächsischen Kletterregeln

Schon wenn man den Kletterführer aufschlägt, wird man mit Paragrafen und Regeln konfrontiert. Doch auch wenn man sich als Kletterer ungern in die Schranken weisen lässt, hat dieses Regelwerk durchaus seine Berechtigung. Auch wenn es von vielen belächelt wird, ist es doch die Grundlage dafür, dass die Felsen in der Sächsischen Schweiz zum Klettern noch heute begehbar sind.

Das komplette Regelwerk, welches seit 1913 weitgehend unverändert blieb, kann unter diesem Link eingesehen werden. Die wichtigsten Regeln zum Klettern in der Sächsischen Schweiz findet ihr hier zusammengefasst:

  • Künstliche Hilfsmittel sind untersagt, der Kletterer darf ausschließlich natürliche Griffe und Tritte nutzen und sich an ihnen mit der eigenen Körperkraft fortbewegen.
  • Seile, Schlingen, Karabiner etc. dürfen ausschließlich zur Sicherung verwendet werden.
  • Die gegebene Felsoberfläche darf nicht verändert werden.
  • Sicherungsringe dürfen nur vom Erstbegeher eines Kletterwegs angebracht werden, über nachträgliche Ringe entscheidet die zuständige Fachkommission des SBB. [SBB=Sächsischer Bergsteigerbund]
  • Die Verwendung von Magnesia ist verboten.
  • Klemmkeile, Friends und ähnliche Hilfsmittel sind verboten, es dürfen ausschließlich Schlingen verwendet werden.
  • An „Baustellen“ muss sich jeder Teilnehmer aus eigener Kraft halten können und darf nicht anderweitig, etwa per Seil, in seiner Position gehalten werden.
  • Erstbegehungen eines neuen Kletterwegs dürfen ausschließlich von unten nach oben erfolgen, das in vielen Klettergebieten übliche Erschließen neuer Routen durch Einbohren von Haken „von oben“ (also im Seil vom Gipfel oder Ausstieg hängend) ist untersagt.
  • An nassen und feuchten Felsen ist Klettern untersagt, wenn gesteinsbedingt das Risiko der Felsschädigung und des Ausbrechens von Griffen und Tritten besteht.

Software statt Hardware

Da besonders in den alten Wegen selten bis nie gebohrte Zwischensicherungen vorhanden sind, muss der Weg selbst abgesichert werden. Und genau hier liegt das Abenteuer im Elbsandstein. Wer Klemmkeile, Friends und Felshaken sein Eigen nennt, muss sich dort komplett von diesen verabschieden und seinen Gurt mit Reepschnüren, Bandschlingen, Fusselschlingen, Seilresten und einem Holzspatel, der zum Stopfen der Knoten in Risse dient, bestücken. Zugegeben, die Haltewerte sind nicht überwältigend (ca. 6-8 kN), aber eine gut gelegte Knotenschlinge kann zumindest den Kopf auf den nächsten Klettermetern ein wenig befreien.

Für viele wird die vorhin bereits erwähnte Fusselschlinge eher unbekannt sein. Dies ist ein Seilmantel, welcher mittels Bandschlingenknoten geknüpft wird und dank seiner rauen Oberfläche am Sandstein klebt. Wem das noch nicht reicht, der kann mit Klett nachhelfen und die Schlinge entsprechend selber „fusseln“. Auch das noch nicht allzu lang erhältliche und von vielen Elbianern verpönte „Ufo“ dient als mobiles Sicherungsgerät und funktioniert ähnlich wie ein Friend.

Orientierung & Wegfindung

Da das Gebiet sehr groß und dadurch sehr unübersichtlich ist, empfehlen sich die Kletterführer aus dem Berg- & Naturverlag Rölke. Diese sind in einzelne Gebiete (4 Bände) aufgeteilt und zeigen sämtliche Kletterwege. Wer allerdings auf ein vertrautes Topo zu jedem Gipfel hofft, wird enttäuscht. Nur die wenigstens Felsen sind frontal fotografiert und die Wege darin eingezeichnet.

(Nachtrag vom 15.09.2014: Uns haben mehrere Kunden angeschrieben, die uns darauf hinwiesen, dass inzwischen sechs Bände bei Rölke erschienen sind. Vielen Dank an dieser Stelle fürs aufmerksame Lesen und Mitdenken.)

Meist sind nur Lagepläne und Anstiegsskizzen vorhanden und die Routen werden dann kurz und bündig beschrieben. Um auch bei den teilweise sehr langen Zustiegen nicht vom Weg abzukommen, sollte zu den selbst gezeichneten und äußerst detaillierten Karten (1:10.000) von Dr. Rolf Böhm zurückgegriffen werden. Diese sind vor Ort in den meisten Touristeninformationen oder Sportgeschäften erhältlich.

Die Wegfindung sollte hinhauen
Die Wegfindung sollte hinhauen

Boofen & andere Übernachtungsmöglichkeiten

Wer bereits einmal als Wanderer durch die Sächsische Schweiz gelaufen ist, hat vielleicht schon einmal unter Überhängen im Sandstein sporadisch mit Stroh hergerichtete Quartiere entdeckt – die Boofen. Die Bezeichnung Boofen ist die sächsische Bezeichnung für Freiübernachten/Biwak. Boofe dienen als Übernachtungsmöglichkeiten nach getaner Bergfahrt. Insgesamt soll es im Nationalpark Sächsische Schweiz ca. 57 offizielle Boofen geben. Allerdings ist nicht jeder Vorsprung gleichzeitig eine Boofe zum Übernachten.

Da man sich die ganze Zeit in Nationalparkgebiet befindet, darf man nur in markierten Boofen übernachten und auch nur im Zusammenhang mit dem Bergsport. Wildboofen wird von den Parkrangern nicht geduldet und endet schnell mit einem empfindlichen Bußgeld. Wer nicht die ganze Zeit draußen übernachten will, kann auch  die Hütten des SBB (Sächsischer Bergsteigerbund) oder einen der vielen Campingplätze entlang der Elbe benutzen.

Auf ins Sächsische

Auch wenn man schon viel von den Eigenheiten des Kletterns im Elbsandstein gehört hat, so sollte man sich hiervon nicht abschrecken lassen. Die Sächsische Schweiz ist immer einen Ausflug zum Klettern wert. Hier kann man Klettergeschichte hautnah erleben (Schusterweg, Falkenstein) und die wunderschöne Landschaft (Bastei, Rathen) genießen. Heute wie gestern dient der Elbsandstein zum Training für größere Ziele, da es dank seiner Risse, Kamine und der Ausgesetztheit einen durchaus alpinen Charakter hat. Auch ich habe heuer dieses Klettergebiet völlig neu kennengelernt. Früher habe ich nur wenige Kilometern entfernt gelebt und konnte somit jederzeit dahin.

Seitdem ich bei den Bergfreunden arbeite, ist die Schwäbische Alb wesentlich näher, und ein Kurztrip ins Sächsische nicht möglich. Daher hatte ich kurzerhand beschlossen, meiner alten Heimat einen längeren Besuch abzustatten, einen Kollegen mitzunehmen und gemeinsam als Urlauber die Gegend (neu) zu entdecken. Unser Fazit nach einer Woche: Schlingenmaterial packen, Kletterschuhe putzen, Chalk zu Hause lassen und „Auf ins Sächsische“.

Zuletzt aktualisiert: 17.07.2023

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Bergfreundin Wiebke

Ein sonniger Tag (nicht zu heiß, nicht zu kalt), an einem schönen Kletterfels nicht zu voll, nicht zu leer, mit lieben Freunden und Hund. Was kann es schöneres geben. (außer siehe Kaiserschmarren).

2 Comments on the Article

  1. Karl 8. September 2014 07:24 Uhr

    Hallo, schöner Artikel aber ich habe etwas zur Korrektur. Es sind insgesamt 6 Bände des Kletterführers vom Berg- und Naturverlag Rölke. Schrammsteine, Bielatal, Gebiet der Steine, Großer Zschand, Affensteine, Rathen Leider sind zur Zeit alle bis auf den gelben Schrammsteinführer ausverkauf und dem entsprechende Raritäten.

  2. Tino Stief 8. September 2014 06:00 Uhr

    Hallo, Euch ist ein Fehler unterlaufen. Der Rölke-Führer umfasst !!! 6 !!! Bände von denen einige leider restlos vergriffen sind: http://www.bergverlag-roelke.de/kletterfuehrer/ Außerdem gelten die 57 Boofen nur in der Kernzone des Nationalparks (besonderer Schutz). Außerhalb der Kernzone ist freiübernachten unter den meisten Felsüberhängen erlaubt. Wichtig hierbei: In keiner Boofe ist das Abbrennen eines Lagerfeuers gestattet. Nur Kocher sind erlaubt. Für alle Neulinge im sächsischen Fels empfiehlt sich Kontakt zu einem der zahlreichen Kletterclubs aufzunehmen. Die meisten Clubs nehmen auch mal Gebietsfremde und Neulinge mit.

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