Fließende Gewässer kreuzen den Weg beim Trekking, Wandern und Bergsteigen recht häufig. In den Alpen findet man oft genau da, wo man sie braucht, eine Brücke oder eine andere, ähnliche Konstruktion. Ganz anders kann das aussehen, wenn man in Skandinavien oder auf anderen Kontinenten unterwegs ist. Dann braucht es fürs überqueren der Gewässer hier und da etwas Knowhow und Equipment. Wenn das womöglich noch kräftig strömende Hindernis breiter als nur ein paar Schritte und tiefer als Kniehöhe ist, kann das Waten oder Furten, wie man die Flussquerung im Fachjargon nennt, zu einer kniffligen und zeitintensiven Angelegenheit werden.
Planung ist die halbe Flussquerung
Man sollte Touren natürlich nicht zu Tode planen, denn eine Prise Abenteuer, Spontanität und Überraschung ist das Salz in der Outdoorsuppe. Doch das heißt nicht, dass man Flussquerungen blind dem Zufall überlassen sollte. Denn sie sind oftmals „Schlüsselstellen“, an denen man nicht vorbeikommt und wo ein Scheitern das vorzeitige Ende einer ganzen Trekkingreise bedeuten kann.
Deshalb ist Vorabrecherche betreffs Wasserständen und günstigsten Furtstellen vor allem dann angesagt, wenn man abgelegene und wenig erschlossene Gegenden anpeilt. Hat man nämlich kritische Flussquerungen in der geplanten Route ausgemacht, kann man von daheim aus in aller Ruhe mögliche Umwege und Alternativrouten sondieren. Vor Ort kann man, sofern vorhanden, andere Wanderer, Hüttenwarte oder Parkranger nach dem neuesten Stand fragen.
Wann eine Flussquerung machen?
Zeit und Ort spielen natürlich eine große Rolle, besonders im Gebirge und in der Nähe von Gletschern. Sowohl die jahreszeitlichen als auch die tageszeitlichen Schwankungen der Wassermenge können enorm sein. Gründe dafür können nicht nur Regen und Schneeschmelze, sondern auch geothermale Aktivitäten in vulkanisch geprägten Zonen sein.
Die tageszeitliche Schwankung hat für meine bislang kniffligste eigene Flussquerung gesorgt. Frühmorgens hatte der Gletscherbach noch bis Höhe halber Unterschenkel gereicht. Kein Problem, die zwei als Stützen mitgebrachten Äste brauchte ich nicht. Doch da ich nachmittags den gleichen Weg zurück musste, legte ich sie sorgsam in einer Felsnische ab (wenn ein Ast mehr als körperlang und robust ist, reicht einer, doch diese waren kürzer und schwächer, deshalb zwei).
Nachmittags war der Bach wie erwartet angeschwollen. Das war klar, doch dass er in der Mitte bis über die Gürtellinie reichte, war doch etwas mehr als gedacht. Dummerweise war von den Ästen nur noch einer da. Sollte den anderen etwa jemand geklaut haben? …
Wie auch immer, es klappte bis zur Mitte auch ganz gut mit dem einen Ast. Doch dann saugte mir die Strömung den rechten Croc (diese praktischen Gummischuhe) trotz geschlossenen Bügels vom Fuß. Ich verlor für einen Sekundenbruchteil das Gleichgewicht, als der nackte Fuß auf den Kieseln Halt suchte und nahm um ein Haar ein Vollbad, das frühestens ein paar hundert Meter weiter in einem kleinen See geendet hätte. Der Rest gelang trotz höchster Konzentration nur mit Ach und Krach.
Welche Lehren kann man daraus ziehen? Nun, Bäche, die von Schmelzwasser gespeist werden, sollten so früh wie möglich morgens gequert werden. Doch wie man sieht, kann man das Timing eben nicht immer passend steuern. Womöglich muss man gar mal eine ungeplante Zwischenübernachtung einlegen. Und: Trekkingstöcke sind nicht nur dazu da, alternde Knie zu schonen. Einst standhafter Stockverweigerer, würde ich heute nicht mehr ohne Stöcke in abgelegenen Ecken herumtrekken.
Schlechtes Timing und andere Fehler: Chris McCandless
Der wohl bekannteste, spektakulärste und irgendwie auch vermeidbarste Todesfall durch gescheiterte Flussquerung ist wohl der von Christopher Johnson McCandless. McCandless erlangte post mortem Weltruhm, als tragischer Held in Jon Krakauers Bestseller „Into the Wild“.
Seine letzte Reise führte McCandless zu einem alten Schulbus, der im Denali Nationalpark in Alaska vor sich hin rostet. Ein Fluss, den McCandless bei seiner Ankunft ohne große Probleme überqueren konnte, hatte sich wegen der sommerlichen Schneeschmelze in einen reißenden Strom verwandelt, sodass er beim Versuch der Rückkehr nicht mehr durchwaten konnte. „Als fatal erwies sich, dass ihm eine (detaillierte) Landkarte fehlte, denn darauf wäre eine handbetriebene Schwebefähre über den Fluss etwa 400 Meter stromabwärts eingezeichnet gewesen – ebenso wie mehrere Hütten (z. T. von der Nationalparkverwaltung) wenige Kilometer entfernt im Süden. McCandless kehrte zum Bus zurück und hoffte durchzuhalten, bis zufällig, vor allem bedingt durch die Jagdsaison, Hilfe käme.“
Die Hilfe kam jedoch nicht, sodass McCandless nach 113 Tagen allein in der Wildnis an nicht genau geklärten Ursachen starb.
Wo queren?
Manchmal hat man aufgrund der Geländestruktur keine Auswahl. Dann klappt es entweder an Ort und Stelle oder gar nicht. Wenn das Terrain es aber zulässt, sollte man sich natürlich die günstigste Stelle suchen. Das kann dort sein, wo der Fluss sich in viele Arme verästelt. Oder auch dort, wo er zwar breiter ist, dafür aber Strömung und Wassertiefe geringer sind. Wenn die Strömung gering ist, kann auch tieferes Wasser leichter gequert werden. Doch Vorsicht: an solchen „trägen“ Stellen können tiefer Sand oder Schlamm abgelagert sein. Hier hilft ein möglichst langer Watstock zum vorantasten.
In Führern beschriebene Stellen können schon nach kurzer Zeit unbrauchbar sein, da natürliche Gewässer besonders im Gebirge ihr Bett und ihren Verlauf ständig ändern.
Das Outdoor-Magazin gibt den Tipp, nie vor einem Wasserfall zu furten. Nun, das leuchtet ein. Ähnliches gilt für Stromschnellen und Stufen. Neben den eher offensichtlichen Gefahren kann es aber auch verborgene Überraschungen geben: so wälzen sich bei stärkerer Strömung bisweilen große Gesteinsbrocken über den Gewässergrund und können einen aus dem Gleichgewicht bringen.
Wichtig ist, wie das Outdoor-Magazin schreibt, auch stets der prüfende Blick ans andere Ufer: „steile, lockere Moränenhänge, ausgespülte und damit rutschige Felswände sowie angeschwemmtes Treibholz können unüberwindbare Hindernisse darstellen.“
Vor dem Wasserkontakt beachten
Bevor es losgeht, ist ein kurzer Ausrüstungscheck angesagt. Sind alle wichtigen und wasserempfindlichen Gegenstände abgedichtet? Gibt es für den Notfall genug Wechselklamotten? Liegt der Schwerpunkt des Rucksacks nicht zu hoch?
Schuhwerk unter den Sohlen ist hier ein Muss. Es sollte die Zehen schützen und fest am Fuß sitzen. Crocs sind zwar vielseitig, leicht, wasserfest und prinzipiell geeignet, sollten aber wirklich gut sitzen. Sonst können sie sich – siehe oben – eventuell doch mal verabschieden. Mit Trekkingstiefeln queren ist keine gute Idee, es sei denn; man hat die Zeit und das Wetter fürs trocknen. Sie werden so am Rucksack befestigt, dass sie sich nicht lösen und das Gleichgewicht möglichst wenig stören.
Den Brustgurt des Rucksacks lässt man immer offen, um ihn im Fall des Falles loswerden zu können. Oft wird geraten, auch den Hüftgurt offen zu lassen, doch es gibt auch Gegenmeinungen. In seinem Standardwerk Outdoor Praxis schreibt Rainer Höh, dass der Rucksack mit offenem Gurt bei plötzlichen Bewegungen leicht verrutschen und das Gleichgewicht gefährden kann. Wenn man vorbereitet ist, kann die Hüftschnalle laut Höh meist auch schnell geöffnet werden.
Die eine goldene Regel gibt es hier nicht, da der Rucksack zwar in ungünstiger Position den Kopf nach unten drücken kann, normalerweise aber durch die Luftpakete im Inneren nicht sinkt und somit sogar Hilfe beim Schwimmen bieten kann. Man sollte ihn jedenfalls nicht leichtfertig opfern, da der Verlust des gesamten Gepäcks unter Umständen schwerer wiegt als das unfreiwillige Bad.
Wie queren? Tipps zum Furten
Spätestens ab Knietiefe beginnt man, mit dem Stock/ den Stöcken voranzutasten und für sicheren Stand zu sorgen. Die folgenden Tipps sind dem Buch von Rainer Höh entnommen, da Tipps aus Blogs und Foren sich teils widersprechen und Details wie Blickrichtung und Gehrichtung nicht immer sauber unterscheiden.
Höh rät, in einem Winkel von etwa 45° stromabwärts und mit dem Gesicht stromauf zu gehen. Für das optimale Gleichgewicht stehe man dabei quer zum Strom oder leicht seitlich, mit dem vorderen Bein stromab versetzt.
Den Watstock setze man immer stromauf etwa einen Meter vor dem Körper auf und lehne sich dagegen. Stockspitze und Füße bilden möglichst immer ein Dreieck (mit Trekkingstöcken kann man entsprechend ein Viereck bilden). Setzt man den Stock/die Stöcke stromab, gerät man beim Weitersetzen in eine instabile Position.
Wollen mehrere Personen sich gegenseitig helfen, sollte die kräftigere Person nicht versuchen, die „Schwächere“ von stromab aus zu stützen, sondern die Strömung von stromauf aus „abfangen“. Andernfalls ist die Gefahr groß, dass bei Gleichgewichtsproblemen beide baden gehen.
Bei drei oder mehr Personen kann man gemeinsam waten, indem man eine lange, kräftige Stange festhält und quer zur Strömung vorangeht. Die Stange verläuft also parallel zur Strömung. Die schwerste Person befindet sich stromab als „Anker“, die leichteste Person macht den „Strömungsbrecher“. Verliert Letztere das Gleichgewicht, kann sie sich an der Stange festhalten. Das Risiko, dass die ganze Gruppe den Halt verliert, lässt sich zwar nicht ausschließen, doch je größer die Gruppe ist, desto geringer wird es.
Breit und tief: Furten mit Hilfsmitteln
Trekkingstöcke oder ein langer, starker Ast von etwa zwei Metern Länge gehören zur Grundausstattung einer Flussquerung. Sie reichen aus, wenn das Gewässer bis etwa Hüfthöhe reicht und keine starke Strömung hat. Wenn es darüber hinausgeht, wird auch der stärkste Mensch vom Wasser umgeworfen. Queren ist dann nicht mehr ohne technische Hilfsmittel möglich. Ein extra mitgebrachtes Seil wäre solch ein Hilfsmittel.
Das Seil kann zwar theoretisch vielseitig unterstützen, hilft aber in der Praxis manchmal ernüchternd wenig weiter. Die Probleme können hier schon ziemlich komplex und das Flussqueren zur Wissenschaft werden – wie dieser Diskussionsthread der Outdoorseiten zeigt.
Dort wird viel über Pendelmethoden gefachsimpelt, bei denen man das Seil möglichst weit in Gewässermitte an einem Baum oder anderen Fixpunkt verankert und an diesem gesichert das Gewässer in einer Pendelbewegung durchwatet. Das Handling einer solchen Aktion, bei der gleichzeitig das Seil geführt und gewatet werden muss, stellt sich aber nicht selten als schwierig bis unmöglich heraus. Rainer Höh hat solche Selbstsicherungen mittlerweile als „Unfug“ verworfen …
Bei anderen Seilmethoden wie der Seilbrücke besteht das Problem, dass das Seil zuerst ohne Seilhilfe ans jenseitige Ufer gelangen und verspannt werden muss. Ein weiteres Problem der Seilbrücke ist, dass sie ein Statikseil benötigt. Ein Kletterseil würde bei Belastung durch eine Person viel zu tief durchhängen, egal wie fest man es verspannt.
Und selbst mit Statikseil wird die Konstruktion kaum mehr als den Rucksacktransport ermöglichen. Hinzu kommt, dass es mit zunehmender Flussbreite immer schwieriger wird, das in der Strömung hängende Seil nachzuziehen. Man müsste eine dünne Schnur verwenden, an der nach erfolgter Flussquerung das Seil nachgezogen wird.
Ein Seilgeländer ist schon eher eine realisierbare Konstruktion. Dieses von der erfahrensten/stärksten Person nachgezogene und gespannte Seil kann von anderen Gruppenmitgliedern als Geländer zum Festhalten benutzt werden. Letztere können sich auch mit einem Karabiner daran fixieren (Verbindung über kurzes Seilstück unter den Armen oder Brustgurt).
Weitere Hilfsmittel wie selbstgebaute Flöße sind eher etwas für erlebnispädagogische Aktionen und bieten wohl nur bei verschärften Wildnisabenteuern ein realistisches Verhältnis von Aufwand zu Ertrag. Ein sehr kleines Floß, das nur das Gepäck trägt und neben dem man herschwimmt, kann aber durchaus schnell gebaut sein. Eine Bauanleitung sprengt hier dennoch den Rahmen. Vielleicht wäre das ja einen zukünftigen, eigenen Artikel wert…