Es ist schon merkwürdig: das Ding heißt Biwakzelt, ist aber weder ein Biwaksack noch ein Zelt. Die Bezeichnung passt aber trotzdem, denn es steht ziemlich genau in der Mitte zwischen diesen beiden. Es ist mehr als ein Biwaksack und weniger als ein Zelt. Obwohl die Lücke zwischen Biwaksack und Zelt ziemlich groß ist und die Lösung für deren Schließung auf der Hand liegt, haben sich die Outdoor-Produzenten sehr lange Zeit genommen, bevor sie hier aktiv wurden. Erst seit etwa zehn Jahren gibt es Biwakzelte überhaupt zu kaufen, und die Auswahl ist bis heute überschaubar geblieben. Die große Biwak-Zelt-Lücke ist also trotz des Outdoor-Booms offenbar keine große Marktlücke.
Mit welchen baulichen Maßnahmen haben die Biwakzelt-Produzenten die Lücke geschlossen? Nun, zu den Biwaksäcken fügten sie ein Gestänge, sowie die Aufstell- und Fixiermöglichkeit hinzu. Von den Zelten zogen sie hingegen den Vorraum (Apsis) und die Doppelwand ab. Erscheint ganz einfach oder? Naja, aber ganz so eindeutig ist die Sache trotzdem nicht immer, denn die Übergänge zwischen „luxuriösem“ Biwaksack, oder Biwakzelt und spartanischem 1-Personen-Zelt sind oft fließend.
Standardkonstruktion Biwakzelt
Die klassische Konstruktion eines aufgestellten Biwakzelts besteht aus einem Kunstfasergewebe, das ähnlich wie ein Biwaksack geschnitten ist, an der Bodenseite jedoch robuster verarbeitet ist. Außerdem wird bei dem Biwakzelt sowohl am Kopfende als auch am Fußende ein Gestängebogen durchzogen. Diese Gestängebögen machen auch den Hauptunterschied zum Biwaksack aus. Der Bogen am Fußende ist kleiner als der am Kopfende und die beiden Bögen sind wiederum deutlich kleiner als bei einem herkömmlichen 1-Personen Zelt. Während man beim Zelt genug Platz zum Sitzen hat, hängt einem das Gewebe im Biwakzelt schon beim Liegen relativ dicht über der Nase. Die Menge der Abspannpunkte ist im Vergleich zum „richtigen“ Zelt etwas geringer, während die Art ihrer Fixierung mit Leinen und Heringen gleich ist.
Für wen ist ein Biwakzelt geeignet?
Die Antwort darauf hängt von den vielen verschiedenen Tourenplänen, Neigungen und Bedürfnissen der Berg- und Outdoorfreunde ab. Okay, das kann man bei fast jedem Outdoorprodukt sagen – also etwas konkreter. Die Hauptzielgruppe der Biwakzelte sind definitiv Sologänger, die gern höher und weiter hinausgehen und dabei schnell und flexibel unterwegs sein wollen. Ihre Komfortansprüche können sie dabei also auch mal vorübergehend zurückschrauben.
Vor einigen Jahren war ich mit dem (leider nicht mehr verfügbaren) Vaude Bivi in Patagonien unterwegs und fühlte mich damit ziemlich gut ausgestattet. (Vor allem, wenn ich an das Preis-Leistungs-Verhältnis denke). Allerdings war ich sehr glücklich darüber, da ungewöhnlich gutes Wetter viele Nächte an der frischen Luft ermöglichte und deshalb den Einsatz des ziemlich beengten Schlafabteils nicht allzu häufig nötig machte. Andererseits kann man diesen „Minuspunkt“ keinem Biwakzelt wirklich ankreiden – ihre Aufgabe besteht schließlich nicht darin, besonders einladend zu sein.
Zweierteams dürften bei Trekking-, Wander- und Biketouren mit einem „richtigen“ Zelt besser bedient sein. Das knallenge Biwakzelt mit Tourenpartnern zu teilen, die fast so schlimm müffeln wie man selbst, ist ganz sicher nicht das Gelbe vom Ei – selbst wenn man mehr als freundschaftlich miteinander verbunden ist. Und wenn alle Tourenteilnehmer je ein 1-Personen-Biwakzelt einpacken, bringt das in Sachen Gewicht und Packmaß keinen Vorteil gegenüber einem komfortablen Zwei- oder Mehrpersonenzelt mit. Eine Ausnahme können Touren in steilem, hochalpinem Gelände sein, wo man eher mehrere kleine Schlafnischen findet als eine große Fläche für ein Zelt.
Für Gruppen von mehr als zwei Personen gilt ähnliches. Zusätzlich wird hier noch eine dritte Alternative interessant: Gruppenbiwaksäcke mit Trekkingstöcken als improvisiertes Gestänge. Der britische Hersteller Rab bietet hier mit dem Group Shelter 2 eine qualitativ hochwertige Möglichkeit an. Dieser mit Vorbereitungen für ein Trekking-Gestänge versehene Biwaksack ist zwar auch nur für zwei Personen ausgelegt, dafür aber so leicht und kompakt, dass eine Gruppe problemlos mehrere Exemplare davon mitnehmen kann.
Vor der ersten Biwakzeltnacht: Was ist zu beachten?
Den schon zuvor erwähnten geringen Abstand des einwandigen Gewebes zum Körper sollte man besonders im Hinblick auf den Schlafsack bedenken: ist der Schlafsack zu dick, hat er direkte Tuchfühlung mit der Zeltwand. Und da diese einlagig ist, „zieht es“ die Nässe von draußen nach drinnen, und per direkter Berührung in den Schlafsack. Bei Wind wird die Zeltwand noch fester gegen den Schlafsack gedrückt (zumindest, wenn es wie im von mir erlebten Fall patagonischer Wind kombiniert mit prasselndem Dauerregen ist). Es ist also besser, nur mit wasserabweisenden oder besser wasserfesten Schlafsäcken in Biwakzelten übernachten. Auch bei den Klamotten ist man mit ebenfalls entsprechend nässeresistenten Kleidungsstücken besser dran. All das sollte man möglichst nicht erst während der Tour ausprobieren, sondern bei einem vorherigen Test in sicherer Umgebung.
Wichtige Details beim Biwakzelt sind hochwertige, atmungsaktive Kunstfasergewebe aus Markenmaterial, sowie gut laufende und robuste Reißverschlüsse (möglichst YKK). Längere Reißverschlüsse bieten mehr Komfort beim Ein- und Ausstieg, sind aber auch größere Schwachstellen bei extremen Wetterverhältnissen und erhöhen zudem das Gewicht- ein wenig. Auch bei den Ösen zum Abspannen und deren Vernähung sollte man genauer auf die Robustheit achten. Sehr angenehm sind Biwakzelte mit einem gekreuzten Kopfgestänge, die man zur Not auch ohne Abspannung aufstellen kann.
Unterschiede zwischen Biwakzelt und Zelt
Pluspunkte Biwakzelt
- Weniger Gewicht und Packmaß.
- Etwas weniger Flächenbedarf und damit größere Auswahl an potenziellen Übernachtungsplätzen.
- Schnellerer Auf- und Abbau, somit auch schnellere Ortswechsel bei unvorhergesehenen Komplikationen (z.B. wenn der Übernachtungsplatz geflutet oder zu kalt wird).
- Man kann das Biwakzelt ohne große Mühe und Aufwand bis ganz oben auf den Berg mitnehmen und ist damit für plötzliche Wetterwechsel gerüstet. Besonders bei längeren Touren mit Überschreitungen und Durchquerungen ist das ein großer Vorteil!
Minuspunkte Biwakzelt
- Bei Schlechtwetter besteht keine Möglichkeit zum Kochen (außer man nimmt ein Tarp o.ä. mit – doch das erhöht Gewicht und Packmaß derart, dass man dann auch gleich ein „richtiges“ Zelt mitnehmen kann).
- Auch andere Verrichtungen werden bei schlechtem Wetter ungemütlich (so ist z.B. Essen im Biwakzelt nur im Liegen möglich). Toilettengang, Kleidung wechseln oder benötigte Sachen aus dem Gepäck herauskramen wird zur umständlichen und wenig angenehmen Verrichtung. Immerhin kann man im Inneren aber wenigstens relativ komfortabel lesen und Tourenplanung betreiben.
- Der Rucksack muss draußen bleiben – außer, er ist wirklich klein, und wenn das Gleiche auch für die Person im Biwakzelt gilt. Dasselbe gilt auch für für die nassen Bergschuhe.
Unterschiede zwischen Biwakzelt und Biwaksack
Pluspunkte Biwakzelt
- Mehr Platz und Komfort; dadurch auch bessere Karten bei Unfällen und Notsituationen (besonders in unwirtlichem hochalpinem Gelände).
- Deutlich besserer Wind- und Nässeschutz, da die Schutzhülle auf Abstand zum Körper ist.
Minuspunkte Biwakzelt
- Größerer Platzbedarf. Den Biwaksack kann man überall ausbreiten, beim Biwakzelt geht das nicht.
- Mehr Gewicht und Packmaß.
Soweit ist hoffentlich deutlich geworden, was ein Biwakzelt ist, wozu es gut ist, und worauf man beim Kauf achten sollte. Wer das Biwakzelt noch genauer einordnen möchte, sollte sich dazu möglichst noch den Basislager-Artikel zum Thema Biwaksack zur Brust nehmen.
2 Comments on the Article
Prima Infos! Vielen Dank!
Vielen lieben Dank für die ganzen nützlichen Infos!